„Zustandsstörer“Bauamt pfändet 12.000 Euro und treibt Blankenheimer Senioren in Ruin
Blankenheim – „Bitte, helfen Sie uns.“ Die 86-jährige Ruth Köppe und ihr 85-jähriger Ehemann Ernst-August Köppe stehen wegen angedrohter Zwangsgelder des Kreises vor dem finanziellen Ruin und wendeten sich in der Not an die Redaktion. Ihre einzige Hoffnung: dass der Kreis in ihrem Fall Gnade vor Recht walten lässt und ihnen nicht die letzten Ersparnisse nimmt.
Denn auch der von ihnen eingeschaltete Rechtsanwalt ist mit seinem Latein am Ende. Landrat Markus Ramers, von der Redaktion angesprochen, sagte am Montag zu, dass sich die Verwaltungsleitung um den Fall kümmere (siehe „Der Landrat will helfen“).
Ihr Vergehen: „Zustandsstörer“
Das Vergehen des betagten Seniorenpaars: Sie und ihre schwerstbehinderte Tochter (54) sind „Zustandsstörer“, wie es im Juristendeutsch heißt. Sie leben als Mieter in einer Wohnung, die es baurechtlich an dieser Stelle nicht geben darf, denn sie liegt in einem Gewerbegebiet. Weil sie diese Wohnung trotz mehrfacher Aufforderung des Kreises über viele Jahre hinweg nicht geräumt haben, pfändete der Kreis jetzt mehr als 12.000 Euro von ihrem Konto. Und mahnte im Oktober die Zahlung von weiteren 24.000 Euro Ordnungsgeld an.
Und das, obwohl ihr Rechtsanwalt der Kreisverwaltung zuvor schon mitgeteilt hatte, dass die Familie die Wohnung im Dezember verlassen werde. Auch hatte er mit dem Kreis vereinbart, dass bis dahin keine weiteren Zwangsgelder gegen die Familie festgesetzt würden.
Rechtsanwalt Tobias Knips von der Mechernicher Kanzlei Müller, Eicks und Winand ist fassungslos und wütend über die harte Vorgehensweise des Kreises: „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wie der Kreis mit Familie Köppe umgeht. Trotz ihres hohen Alters kümmern sie sich liebevoll um ihre schwerstbehinderte Tochter. Die gepfändeten 12 000 Euro sollten unter anderem zur Bewerkstelligung des bevorstehenden Umzugs genutzt werden und dem Ehepaar für den Lebensabend zur Verfügung stehen. Nun hat die Familie gar nichts mehr.
Ehepaar droht die Altersarmut
Stattdessen droht dem Ehepaar die Altersarmut.“ Ruth Köppe nickt aufgeregt: „Damit wollten wir ja die Küche für die neue Wohnung kaufen.“
Doch wie konnte das Ehepaar so in Schwierigkeiten geraten? Um mit der psychisch kranken Tochter, die erwerbsunfähig ist, in einem Haus zusammenleben zu können, beschlossen die beiden 2015, ihr altes Anwesen in Hinterhausen bei Gerolstein zu verkaufen. Sie planten in Schmidtheim neuzubauen. „Da war das Bauland so günstig“, sagt Ernst-August Köppe. Der Maurer, der bis zur Rente als Polier im elterlichen Betrieb gearbeitet hat, traute sich den eigenhändigen Neubau trotz seines Alters noch zu.
In einem Zeitungsinserat stießen die Eheleute auf die 160 Quadratmeter große Wohnung in der Straße Am Gericht in Blankenheim, die zuvor als Betriebsleiterwohnung gedient hatte und nun zur Vermietung stand. Am 15. Oktober 2015 zogen sie dort mit ihrer Tochter ein, für die Ruth Köppe vom Gericht als Betreuerin eingesetzt ist.
Hausbau stand unter keinem guten Stern
Dass die Nachbarschaft nur aus Gewerbebetrieben besteht, störte die Familie nicht. Sie hatten dort ihre Ruhe und wussten zu schätzen, dass sich alle Zimmer altersgerecht ebenerdig befanden. Allerdings war die Warmmiete von 1.000 Euro bei knapp 1.600 Euro Rente von Ernst-August Köppe und den 434 Euro Erwerbsminderungsrente der Tochter schon recht happig.
2015 informierte die Gemeinde Blankenheim die Kreisverwaltung über die nicht genehmigte Wohnnutzung, nachdem sich der Vermieter im Sinne seiner Mieter, so der Kreis, bei der Gemeinde über Lärmbelästigung im Gewerbegebiet beschwert hatte. Im Februar 2016, so die Kreisverwaltung, sei die Familie vom Kreisbauamt über die beabsichtigte Nutzungsuntersagung informiert und angehört worden. Die Eheleute waren einsichtig und teilten dem Bauamt mit, dass sie beabsichtigten, in Schmidtheim ein kleines Haus zu bauen. Daher baten sie um Zeit. Die gab ihnen der Kreis.
Der Hausbau in Schmidtheim zog sich allerdings hin. Und stand unter keinem guten Stern. Der Einzug musste Jahr um Jahr verschoben werden. Trotzdem, da ist Ernst August Köppe sicher, hätte es geklappt, wenn ihnen denn nicht das Geld ausgegangen wäre. Der Erlös aus dem alten Haus reichte nicht aus. Doch weder die Hausbank der Familie Köppe noch die Bausparkasse seien entgegen vorheriger Beratungen angesichts des hohen Alters der Köppes bereit gewesen, die Finanzierungslücke über ein Darlehen zu finanzieren. „So an die 70.000 Euro hätten wir noch gebraucht“, sagt Ernst-August Köppe.
Kreisverwaltung verlor die Geduld
Im Januar 2020, vier Jahre nach der ersten Anhörung, verlor die Abteilung Bauen und Wohnen der Kreisverwaltung die Geduld, nachdem sie gehört hatte, dass die Familie den Rohbau verkauft hatte. Die Familie selbst, so der Kreis, habe darüber nicht informiert.
Der Kreis verhängte gegen jedes der drei Familienmitglieder Ordnungsgelder von 1.000 Euro, wenn sie nicht bis zum 1. August 2020 die Wohnung verlassen hätten. Eine neue Wohnung zu finden, so Familie Köppe, erwies sich aber schon durch den Umstand ihres hohen Alters und der Schwerbehinderung der Tochter als schwierig. Um nicht obdachlos zu werden, sei ihnen nichts anderes übrig geblieben, als in der Wohnung zu bleiben.
Der Landrat will helfen
Mit dem Fall von Familie Köppe beschäftigte sich auf Anfrage der Redaktion jetzt Landrat Markus Ramers. Der Kreis habe ja jahrelang von Maßnahmen abgesehen, sagte er.
Die schließlich verhängten Zwangsgelder und die Pfändung von 12 000 Euro vom Konto der Eheleute seien rechtlich nicht zu beanstanden. Sollte die Familie aber wie von ihr angekündigt tatsächlich zum 1. Dezember umziehen in eine neue Wohnung, werde es weder neue Zwangsgelder geben noch würden die ausstehenden und vom Kreis angemahnten 24 000 Euro Zwangsgeld vollstreckt, sagte Ramers der Redaktion.
Gleichzeitig kündigte er an, dass die Verwaltungsleitung das Ehepaar nun einladen und prüfen werde, ob es in dem Fall ein weiteres Entgegenkommen des Kreises geben kann. (ch)
Die Köppes zahlten daher die 3.000 Euro. Im Oktober 2020 folgten die nächsten Zwangsgelder von je 2.000 Euro pro Person, im Februar 2021 von je 4.000 Euro und im Juli 2021 von je 8.000 Euro. Somit sollte Familie Köppe 45.000 Euro an den Kreis zahlen. Allerdings hatte Ernst-August Köppe mittlerweile beschlossen, die Post des Kreises gar nicht mehr aufzumachen, geschweige denn die Zwangsgelder zu zahlen. Schließlich zahle er ja jeden Monat Miete für die Wohnung.
Obwohl sie nicht rechtsschutzversichert sind, schalteten die Köppes im Juni 2021 aus einem anderen Grund die Mechernicher Kanzlei ein. Da hatte ihnen nämlich der Hauseigentümer fristlos den Mietvertrag gekündigt. Rechtsanwalt Tobias Knips gelang es, aus der fristlosen eine ordentliche Kündigung zum 1. Februar 2022 zu machen.
Um aber auf dem Rechtsweg gegen die Bescheide des Kreises vorzugehen, war es zu spät. Außerdem wären die Erfolgsaussichten, so die Einschätzung von Tobias Knips, zweifelhaft gewesen. Der Kreis habe ja nur Recht umgesetzt, wenn auch mit unverhältnismäßiger Härte.
In dieser Situation zeichnete sich ein Silberstreif am Horizont ab. Zwischenzeitlich hatten die Köppes eine Wohnung in Wittlich gefunden, in die sie am 1. Dezember ziehen können. Rechtsanwalt Tobias Knips sagte, der Kreis habe daraufhin mit ihm vereinbart, bis zum Ende des Jahres keine weiteren Zwangsgelder gegen die Familie festzusetzen.
Zangsgelder „reine Abzocke.“
Umso schockierter war er, als die Familie kurz darauf erneut ganz aufgeregt in der Kanzlei vorstellig wurde. Der Kreis habe 12 000 Euro von ihrem Konto gepfändet. Und es sei auch versucht worden, das Konto der schwerstbehinderten Tochter zu pfänden.
Am 7. Oktober traf die Mahnung des Kreises ein, wonach die Familie nunmehr insgesamt mehr als 24 000 Euro zahlen sollte. Knips war fassungslos. Wie die Familie 24 000 Euro aufbringen soll, bleibe nicht zuletzt angesichts der nicht erheblichen Renten ein Rätsel.
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Das Verhalten des Kreises sei auch deshalb so unbegreiflich, weil von dem Ehepaar in der Wohnung überhaupt keine Gefahr ausgehe. Der einzige Grund sei der Widerspruch gegen die Nutzungsbestimmung. Knips: „Unserer Ansicht nach rechtfertigt dieser lächerliche Grund allerdings nicht, eine Familie in die Armut zu treiben. Die Festsetzung so immens hoher Zwangsgelder ist daher reine Abzocke.“