Mit der FlascheBerufsjäger aus Bad Münstereifel zieht Hirschkalb auf
- Dass die Mutter das Tier so lange allein gelassen hat, war dem Jäger komisch vorgekommen.
- Nun wohnt das Tier bei ihm.
- Auswildern kann er es nicht mehr
Bad Münstereifel-Soller – Eigentlich müsste Karlchen verschreckt oder verängstigt in der Ecke seines Geheges liegen. Doch der Vierbeiner ist putzmunter und bestaunt mit seinen großen Kulleraugen die Welt. Dazu hat er auch allen Grund, denn das Hirschkalb ist dem Tod nur um Haaresbreite von der Schippe gesprungen.
Was ist passiert? Das ganze Jahr über habe das Muttertier immer auf der gleichen Wiese gestanden. „Auf einmal war nur noch das Kalb da“, berichtet Dirk Beniers. Das sei zunächst nichts Ungewöhnliches, so der Berufsjäger und Betriebsleiter des Forstbetriebs. Muttertiere legten ihre Kälber schon mal ab und holten sie später wieder ab.
Mutter tauchte nicht mehr auf
Beniers hat das Kälbchen nach eigenem Bekunden mehrfach aus der Sonne auf ein schattiges Plätzchen platziert. Dass die Mutter das Tier so lange allein gelassen habe, sei ihm dann doch komisch vorgekommen. Als die Hirschkuh ihr Junges am Freitagabend des 12. Juni immer noch nicht abgeholt habe, fasste Beniers einen Entschluss: „Wenn es Samstag immer noch da liegt, nehme ich es mit.“
Seit diesem 13. Juni wohnt Karlchen auf dem Hof des Berufsjägers. Sogar mit Beniers Münsterländer-Welpen hat sich das Hirschkalb schon angefreundet: „Sie mussten sich annähern, aber mittlerweile gehen die beiden nebeneinander spazieren.“
Das Tier war wohl lediglich wenige Tage alt
Der Mann aus Soller geht davon aus, dass die Mutter bereits kurz nach der Geburt ihres Kalbes spurlos verschwunden ist. Er schätzt, dass Karlchen lediglich wenige Tage alt gewesen ist, als er ihn aufgenommen hat.
In seinem neuen Zuhause hat der Ziehvater direkt mit der Aufzucht begonnen. Karlchen bekommt Ziegenmilch aus einer Flasche. „Der Kleine hat getrunken wie verrückt. Er muss lange nichts bekommen haben“, berichtet Beniers. In einem Zug habe er die Flasche ausgetrunken, die er seitdem alle drei Stunden bekommt.
Schlafen darf das Kalb sogar im Haus
Im Gehege sei der kleine Hirsch allerdings täglich nur für ein paar Stunden. In der restlichen Zeit dürfe er draußen auf dem Hof nach Herzenslust herumtoben. Schlafen darf der propere kleine Kerl sogar im Haus seines neuen Vaters.
Was mit dem Muttertier passiert ist, ist noch ungeklärt. Der Experte hat allerdings den Verdacht, dass die Hirschkuh Wilderern zum Opfer gefallen ist. Denn die treiben im Bad Münstereifeler Höhengebiet seit geraumer Zeit immer wieder ihr Unwesen.
Das sind immer wiederkehrende Fälle
Karlchen ist kein Einzelfall. „Das sind immer wiederkehrende Fälle“, berichtet Beniers. Seit September vergangenen Jahres hat der Jagdaufseher Probleme mit Wilderern im Jagdrevier. Momentan spielten sich in den Bad Münstereifeler Wäldern Ereignisse „wie in einem Krimi“ ab. Zwei bis drei Monate sei es ruhig gewesen: Doch „Anfang Mai ging es wieder los.“
Wilderer hatten einen Hirsch im ersten Jahr übel zugerichtet
Während der Rehbock-Jagdzeit seien Schüsse im Wald nur schwer zuzuordnen. Unter anderem hätten Wilderer einen Spießer, also einen Hirsch im ersten Jahr, übel zugerichtet. Mit einem Kleinkalibergewehr sei dem Tier in den Augenbereich und den Bauch geschossen worden.
Auch die momentane Situation mache es nicht besser. In Coronazeiten seien viele Radler und Wanderer im Wald unterwegs. „Die Tiere finden keine Ruhe mehr“, so Beniers. Dadurch kämen die auch an Plätze, an denen sie nicht sein sollten: „Das macht es den Wilderern noch einfacher.“
Auswildern kann man die Tiere nicht
Doch wie geht es für Karlchen weiter? Zwei bis drei weitere Monate wird er noch bei Beniers bleiben. Dann soll er in ein Gehege umziehen. „Auswildern kann man die Tiere nicht“, so der Jagdaufseher. Dafür seien sie zu stark an den Menschen gebunden. Der Mann weiß, wovon er spricht. Er hat bereits drei Hirschkälber aufgezogen. Die drei Hirsche leben bereits in dem Gehege, in das auch Karlchen bald einziehen wird.
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Am Sonntag, 28. Juni, 18.25 Uhr, wird in der Sendung Terra Xpress im ZDF über die Zustände im Wald berichtet. In dieser Dokumentation schildert auch Jagdaufseher Dirk Beniers neun Minuten lang, was er so alles in seinem Revier erlebt hat.