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Parfüm-Sammlung aus ErkelenzCouven Museum Aachen stellt über 3000 seltene Flakons aus

Lesezeit 5 Minuten
In der Figur des Affen steckt ein Parfum-Flakon. Ausgestellt wird er derzeit im Museum Couven in Aachen.

In der Figur des Affen steckt ein Parfum-Flakon. Ausgestellt wird er derzeit im Museum Couven in Aachen.

Im Bett trage sie lieber Chanel No. 5 statt einen Pyjama. Marilyn Monroe dürfte der Duftmarke mit ihrer berühmt berüchtigten Aussage einigen Auftrieb gegeben haben. Parfüms spiegeln Persönlichkeit, sind Ausdruck von Luxus und Lebensstil und ganz viel Leidenschaft. Mitunter auch Sammelleidenschaft – wie bei der 2020 verstorbenen, gelernten Kosmetikerin und Visagistin Ilse Sommer.

Spaziergang für die Sinne

In ihrem Reihenhaus in Erkelenz standen zuletzt mehr als 3000 außergewöhnliche und zum Teil sehr seltene Flakons, darunter sogar ein Jadefläschchen aus der Ming-Dynastie. Tochter Miriam Sommer, Kunstsachverständige in Köln, kämpfte für Erhalt und sogar für eine Ausstellung des betörenden Lebenswerks, das ihre Mutter über Jahrzehnte fast an jedem Wochenende auf Flohmärkten und in Antik-Läden in Aachen, Lüttich, Paris, Düsseldorf oder Nizza zusammengetragen hatte.

Fläschchen im Design von Dalí, feines Glas aus Venedig, Mundgeblasenes oder Muscheloptik aus Perlmutt. Alles wirkt sehr mondän, allein die Schächtelchen, Papierfaltkunststücke, Bändchen und schnörkeligen Schriftzüge sprechen für eine distinguierte Welt. Aber reichte das für eine ganze Ausstellung in einem Museum? Miriam Sommer glaubte fest daran, stieß aber zuerst auf geballte Skepsis. So, als wolle sie die Büchse der Pandora öffnen.

Dann tat sich doch eine Türe auf: Im Aachener Museum, das nach den Barockarchitekten Johann Joseph und Jakob Couven benannt ist, und das auf drei Etagen bürgerliche Wohnkultur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts vom Rokoko zum Biedermeier zeigt, richtete Museumsleiterin Carmen Roebers feinsinnig die Ausstellung „Eine dufte Sammlung – Flakons in allen Facetten“ ein.

Knapp 1300 Parfüm-Flakons stehen dort, die anzuschauen in einem äußerst anregender Spaziergang für die Sinne ausufern lässt. Dazu hat Roebers aus den diversen Duftnoten einen kunsthistorischen Exkurs komponiert, der staunen lässt. Produkte mit dem Namen „Evening in Paris“ von Chanel gibt es oder feine Düfte und Flakons aus dem Hause Farina.

Kopfwehheil Eau de Cologne

Die unverwüstliche Marke „4711 Echt Kölnisch Wasser“ steht in der Vitrine neben einem Produkt, das marketingtechnisch irgend wann wohl verflog. Aber man glaubt noch heute ungesehen dem Versprechen, welches das „Kopfwehheil Eau de Cologne. Zum Ritter St. Georg“ gab: „Hilft immer“.

Die Welt der Schönen und Noblen beleuchtet die Schau, Unisex-Parfums unter der Überschrift „Duft und Identität – Die Rolle von Gender in der Parfümgeschichte“ und sogar milde Düfte für Kinder.

Auch garstige Aspekte wie rassistische Stereotype im Marketing kommen vor. So spielte das 1919 eingeführte „Golliwogg“ Parfüm von de Vigny mit einer Figur aus Kinderbüchern und spiegelte dabei tief verwurzelte Vorurteile. Ein schwarzer Glasstöpsel mit Gesicht und krausem Haar, das später durch echtes Fell ergänzt wurde, ist so ätzend in seiner kolonialen Herablassung wie das Sarottifigürchen der Schokoladenmarke. „Wog “ war damals der abfällige Ausdruck für niedrige Angestellte und wurde später verwendet, um dunkelhäutige Menschen zu stigmatisieren. Der „Golliwogg“ wurde 1948/49 in der Werbung für den Flakon gar als grotesk beschrieben.

Der Geruch umnebelt mitunter die Sinne, aber auch die Verpackung für sich kann prickelnd sein: Gezeigt werden Flakons mit verspieltem Herzchenverschluss oder derbe Sprühfigürchen, die „Pisseuses à Parfum“. Das Material, aus dem die puttenartigen Männeken Piss hergestellt wurden, war „Frittenporzellan“, unglasiertes, ungehobeltes Porzellan. Ganz anders die feine Figurengruppe mit Kronentop aus Sitzendorfer Porzellan im Art Deco.

Stolzes Bürgerhaus

Der Charme der kurzweiligen Ausstellung liegt in der Verbindung zu den Räumen des stolzen Bürgerhauses: Vitrinen mit Ilse Sommers Schätzen finden im Direktorenzimmer ebenso ihren Platz wie im „Grünen Salon“. Gerüche zum Erproben gibt es in der Küche. Direkt am Eingang ist die ehemalige Apotheke der Familie Monheim zu bestaunen, in der die Besucher zum Auftakt gleich in die Kunst des Duftes eingeführt werden.

Für das Thema bietet sich natürlich der Vergleich zu Patrick Süskinds Roman „Das Parfüm“ an: Während Hauptfigur Jean-Baptiste Grenouille die Düfte bis in die Nasenspitze erforschte, sorgte Ilse Sommer aber dafür, dass sie hübsch eingeschlossen blieben. Teilweise ist noch das Goldgarn erhalten, das um den Flaschenhals gewickelt wurde, damit nichts entweicht, solange die Aromen darin eingeschlossen sind.

Andere Behältnisse sind zwar leer, aber nicht weniger lehrreich: Da gibt es Vögel, Hunde, Pferdeköpfe und schraubt man sie auf, entfaltet sich ein womöglich animalischer Odeur. Im „Kleinen Salon“ wird es spannend wie im Krimi. Mandelöl, Rose oder Moschus sollten zum Beispiel den Geruch gegerbten Leders übertünchen. Hin und wieder war ein Paar Handschuhe auch mit Gift getränkt, was am florentinischen Hof des 16. Jahrhunderts auch über Machtkämpfe entschied. Katharina de Medici brachte den Duft nach Frankreich.

Mit Gift getränkte Handschuhe

Dort wurde die Zunft der Handschuhmacher mit dem Exklusivrecht ausgestattet, Parfum zu vertreiben. Grasse war bereits im 16. Jahrhundert ein wichtiger Ort der Parfümherstellung. Hierhin zieht es Süskinds Sonderling Grenouille, der für den sensiblen Geruchssinn sogar Mord begeht.

Das Aachener Couven Museum bietet begleitend zur Schau, die bis zum 18. Mai läuft, verschiedene Aktionen an: Lesung mit Krimiautor René Anour anlässlich des „National Fregance Day“ am 21. März, 18 bis 20 Uhr. Aktionstag: „Dem Duft auf der Spur“ am 23. März 10 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt. Motto am Muttertag: „Düfte der Dankbarkeit“ am 11. Mai, 10 bis 17 Uhr. (jan) Couven Museum,Hühnermarkt 17, in Aachen Di bis So 10 – 17 Uhr. www.couven-museum.de