AboAbonnieren

Wiederaufbau an der AhrMaurer aus Wachtberg entdecken Bruchstein neu

Lesezeit 5 Minuten
Bruchsteinmauer. Arbeiten der Firma Herfen aus Niederbachem an der Mauer des Jüdischen Friedhofs in Ahrweiler: Friedrich Walter (l.) und Heiko Köhler

Bruchsteinmauer. Arbeiten der Firma Herfen aus Niederbachem an der Mauer des Jüdischen Friedhofs in Ahrweiler: Friedrich Walter (l.) und Heiko Köhler

Die Firma Herfen aus Niederbachem hat die Arbeit mit Bruchstein für sich neu entdeckt. Sie stellt derzeit die von der Flut 2021 fortgerissene Mauer am Jüdischen Friedhof in Ahrweiler wieder her.

Stein für Stein setzen Arbeiter der Firma Herfen aus Niederbachem die etwa 120 Meter lange Bruchsteinmauer am Jüdischen Friedhof in Ahrweiler wieder auf. Etwa die Hälfte der alten Steine hatte die Flut im Sommer 2021 so weit fortgetragen, dass sie nicht mehr aufzufinden waren. Die Arbeiter aus dem Drachenfelser Ländchen haben bei dieser Tätigkeit ihre Liebe zum Mauern mit Natursteinen entdeckt. Viele Spezialisten gibt es auf diesem Gebiet ohnehin nicht mehr.

Betrieb 1957 gegründet

„Meine drei Mitarbeiter sind alle etwa in meinem Alter: knapp 60“, sagt Frank Friedsam, der Inhaber: „Ich würde ja gerne jemanden in diesem Handwerk ausbilden, aber wer würde das noch lernen wollen? Und wo gibt es noch die Gelegenheit dazu?“ Friedsam hat den eigentlich auf Sanierungen und Umbauten spezialisierten Betrieb in Wachtberg 1981 von seinem Onkel Horst Herfen übernommen. Dessen Vater, August Herfen, hatte die Firma 1957 gegründet. „Da geht es schonmal um einen Mauerdurchbruch, Träger einziehen und wieder beiputzen. Um das Trockenlegen feuchter Keller. So etwa machen wir im gesamten Bonner Raum, aber die Arbeit mit Bruchstein ist selten.“ Hier mal eine Bank im Garten, dort eine Trockenmauer zur Garage oder eine Böschungsbefestigung mit so großen Findlingen, dass sie mit Beton fixiert werden müssen, um nachhaltig Halt zu finden. Das war bislang das volle Repertoire auf diesem Gebiet.

Jüdische Kultusgemeinde ist Eigentümer

Im Wiederaufbau an der Ahr ergab sich aber die Chance zu einer größeren Arbeit mit Bruchsteinen. Die Jüdische Kultusgemeinde in Koblenz, der das historische Friedhofsgelände mit teils recht alten Grabsteinen zu jüdischen Familien aus Ahrweiler gehört, hatte den Wiederaufbau der Mauer ausgeschrieben. „Voriges Jahr haben wir den Zuschlag erhalten, im Mai begann die Arbeit, und abgesehen von wenigen Unterbrechungen sind wir seitdem auch dort beschäftigt“, berichtet Friedsam.

Er hat das Handwerk Anfang der 80er Jahre bei der Firma Augel in Weibern (Kreis Ahrweiler) gelernt, einem Ort, der immer noch für seine Steinmetze bekannt ist und als Lieferant des Tuffsteins am Kölner Dom. „In meiner Ausbildung durfte ich an der Stadtmauer von Mayen mitarbeiten, die ja auch aus behauenem Naturstein besteht.“

Die Mauer am jüdischen Friedhof in der Ahrweiler Schützenstraße besteht aus Ahr-Grauwacke. „Die Flut hat 85 Prozent der Mauer zerstört, so sehr, dass wir auch die Fundamente erneuern mussten“, berichtet Friedsam, der es immer noch beeindruckend findet, dass Helfer aus dem gesamten Umfeld fortgespülte Steine wieder zum Friedhof gebracht und dort auf die Wiese gelegt hatten. Ablagerungen aus den von der Flut ausgespülten Tankstellen und Heizöl-Tanks konnten dem Sedimentgestein nichts anhaben, beteuert Friedsam. „Etwa die Hälfte der Steine vor Ort konnten wir wieder einbauen.“

Innen und außen wird ein Rand gemauert, der Raum dazwischen dann verfüllt.

Innen und außen wird ein Rand gemauert, der Raum dazwischen dann verfüllt.

Neue Steine kamen aus dem einzigen Steinbruch an der Ahr, der noch frische Grauwacke liefern kann, von Kaspars aus Schuld. Friedsam: „Das ist Schüttware, die so vermatscht ankommt, wie der Radlader sie bringt. Die Steine werden darum zuerst gespült. Ansonsten hält der Trass-Kalk-Mörtel nicht, mit dem wir sie vermauern.“

Zwei Sichtseiten, dazwischen eine Schüttung

Zwei Sichtseiten hat die 1,8 bis 2,3 Meter hohe Mauer, die nur 50 Zentimeter breit ist und trotz der rauen Oberfläche maximal zwei Zentimeter davon abweicht. Friedrich Walter aus Villip und Heiko Köhler aus Werthhoven arbeiten an diesem Mittwoch ohne den Kollegen Gustav, aber genau so, wie ihr Chef das auch machen würde: „Flächig vor die Füße legen, Augen wandern lassen und dann die schönste Seite nach vorne“, hatte Friedsam das Vorgehen beschrieben: „Da kann es passieren, dass man einen Stein drei Meter weit trägt und sieht dann, wo er passt.“ Einige Steine werden zu „Läufern“, liegen dann längs zur Mauer, die anderen sind die „Binder“ und ragen in den Hohlraum hinein, um dort für eine gewisse Verankerung zu sorgen.

Walter und Köhler setzen gerade wieder eine Reihe für die Innenkante. Die Steine dafür haben sie schon in der richtigen Reihenfolge parat gelegt; die Außenkante sitzt bereits im Mörtelbett. Die beiden Arbeiter genießen das riesige Puzzelspiel. „Hier an der frischen Luft zu arbeiten, ist doch etwas anderes, als im Staub eine Wand einzureißen“, findet Friedrich Walter. Der Zwischenraum zwischen den beiden Steinreihen wird anschließend mit den faustgroßen Steinen aufgefüllt, die sich für keine Lücke aufgedrängt haben.

In den vergangenen Monaten haben sie sich fast komplett um den Friedhof herumgearbeitet. Von der hinteren linken Mauerecke, die nach der Flut noch stand, hatten sie erst eine neue Mauer zur Straße gezogen, dann die rückwärtige Mauer erneuert und die andere Begrenzungsseite errichtet. Nun sind sie bereits mit einer Mauerhälfte an der Straße beschäftigt. In der Mitte wird es, wie früher, wieder ein kleines Tor geben.

Zwei Grenzsteine hatten nach der Flut gefehlt, und so hatten die Eckpunkte erst nach dem Kataster neu lokalisiert werden müssen. Jetzt stehen die Mauern wieder wie einst, als es weit und breit noch keine Häuser in der Nähe gegeben hatte. Kurioserweise mussten die Arbeiter die Sichtschutzzäune zwischen der neuen Mauer und dem Schulprovisorium nebenan stehen lassen. Sie sollen wohl verhindern, dass Schüler am Bruchstein hochklettern können.

Zerbrochene Steine zusammengefügt

Die jüdische Kultusgemeinde ist jedenfalls sehr dankbar für die Hilfe, die ihr beim Wiederaufbau des denkmalgeschützten Friedhofs zuteilwurde. Ihr Vorsitzender, Avadislav Avadiev, denkt dabei an die Soldaten unter Oberst Stefan Weber, die den Friedhof vom Schlamm befreiten, an die Steinmetze, die zerbrochene Grabsteine wieder zusammenfügten und aufstellten, die Lehrerin, die mit ihren Schülern die Anlage schon vor der Flut pflegte und in den Ethik-Unterricht integrierte sowie die Spender. Das Land Rheinland-Pfalz wie auch die Evangelische Allianz Bonn hatten Geld zur Verfügung gestellt. Laut Avadiev wurden alle Grabsteine wiedergefunden, die aus der Bestattungszeit von 1871 bis 1960 stammen.