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„Untragbaren Zuständen“Schwere Vorwürfe gegen Kinderheim in Wachtberg

Lesezeit 4 Minuten
Eine Justizbeamtin und eine junge Frau zeigen exemplarisch eine Zeugenvernehmung.

Um Kindeswohl und das Renommee eines Heimes geht es jetzt vor Gericht.

Der Träger eines Wachtberger Kinderheimes wehrt sich gerichtlich gegen Vorwürfe einer ehemaligen Mitarbeiterin, es herrschten "unhaltbare Zustände".

Das Kinderheim, um das es hier geht, lässt sich in seiner pädagogischen Ausrichtung inspirieren von der Lehre Maria Montessoris. Die italienische Ärztin und Reformpädagogin hat als Prinzip ausgegeben, mit Kindern „achtsam und respektvoll“ umzugehen. Dieses hochgesteckte Ziel ist aber manchmal schwer zu verwirklichen; das merkt in diesen Tagen die gemeinnützige Jugendhilfeeinrichtung: Jugendämter haben Kinder aus dem Haus genommen. Die Heimleitung fürchtet um ihr Renommee und kämpft auch vor Gericht um ihren Ruf. Mitte des Jahres tauchten Meldungen auf, die von „untragbaren Zuständen“ für die 31 in vollstationären Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen berichten.

Die Rede war von „äußerst fragwürdigen Erziehungsmethoden“, von Nahrungsentzug, Kontaktunterbindung zu Eltern und von Bestrafung. Diese Nachrichten erreichten Jugendämter unter anderem in Troisdorf, Wesseling, Frankfurt, Köln und Andernach, die in Sorge um das Kindeswohl ihre Schützlinge aus Wachtberg holten. Das bestätigte ein Sprecher des LVR-Landesjugendamts auf Anfrage der Rundschau. Als die Kinder das Heim verlassen mussten, habe es viele Tränen gegeben, berichtete der Bonner Rechtsanwalt Professor Dr. Reinhold Mauer. Er vertritt die Einrichtung in mehreren Rechtsstreitigkeiten, die sie gegen mutmaßliche Urheber der Negativ-Meldungen angestrebt hat.

Als Hauptverantwortliche dafür nennt das Heim eine Hausleiterin, die im Oktober 2022 eingestellt worden sei und im Februar ihr Arbeitsverhältnis beendet habe. Die ehemalige Arbeitgeberin hat die Frau vor der 4. Kammer des Bonner Arbeitsgerichts durch eine Einstweilige Verfügung verklagt, die angeblich von ihr erhobenen Behauptungen zu unterlassen, weil sie „unwahre Tatsachenbehauptungen“ und „Schmähkritik“ beinhalteten. Das Verfahren wurde von beiden Seiten hochemotional geführt: Die Beklagte brach in Tränen aus, als Anwalt Mauer ankündigte, das Heim wolle von ihr für jeden Monat, der seit der Herausnahme der Kinder vergangen sei, einen Schadensersatz von 100 000 Euro haben. Die Vorsitzende Richterin hielt ihm daraufhin vor, er baue eine „Drohkulisse“ auf.

Die Richterin berichtete zu Beginn des Prozesses davon, dass sogenannte Hilfeplangespräche mit dem Heim, in denen die Sorgeberechtigten und das Jugendamt besprechen, wie die Hilfe zur Erziehung umgesetzt werden kann, abgesagt worden seien. Eine Lehrerin, so die Richterin weiter, habe aktenkundig angemerkt, dass ein Heimkind nach Urin rieche, ein anderes Kind habe „erschreckend dünn“ gewirkt, eines sei möglicherweise geschlagen worden.

Rechtsanwalt Mauer überreichte Eidesstattliche Erklärungen von Fachkräften des Hauses, in denen diesen Behauptungen widersprochen wird. Den Jugendämtern hielt er vor, die Kinder „ohne Prüfung“ aus der Einrichtung genommen zu haben. Die Behörden seien sehr sensibel; da reiche schon das Wort „Kindeswohlgefährdung“ für eine Reaktion, damit ihnen später nichts vorgeworfen werden könne.

Gericht wies Klage des Heims ab

Auf Nachfrage der Rundschau zum Fall des möglicherweise geschlagenen Kindes erklärte Mauer später, es habe einen Vorfall gegeben: Ein „pädagogischer Leiharbeiter“, also ein Mitarbeiter eines Personaldienstleisters, habe an einem Wochenende „die Nerven verloren“; der Mann sei „nur diesen einen Tag und keinen Tag länger“ in dem Heim beschäftigt gewesen. Die beklagte Ex-Mitarbeiterin bekräftigte vor Gericht, sie werde ihre Meldungen „nicht zurückziehen“, sie habe sie „nach bestem Wissen“ geschrieben. Jeder habe die Pflicht, kindeswohlgefährdende Maßnahmen anzuzeigen. Sie war wohl nicht die einzige, die Beschwerden vorgebracht hat. Ehemalige Mitarbeiter des Heims, Vormünder und auch Betreute selbst hätten sich an die Behörden gewandt, sagte der Sprecher des Landesjugendamts. Es befinde sich „in einem engen Austausch“ mit dem Träger der Einrichtung, um diverse Fragen zu klären. Die Prüfung möglicher Mängel dauere noch an.

Das Kinderheim teilte mit, es wolle „in enger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit“ mit den zuständigen Behörden die Situation aufklären: „Das Wohl der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen steht dabei an erster Stelle“, hieß es. Die 4. Kammer des Bonner Arbeitsgerichts hat unterdessen die Klage des Heims gegen die frühere Angestellte auf Unterlassung abgewiesen, weil auch laufende behördliche Verfahren anhängig seien. Damit ist der Rechtsstreit allerdings nicht erledigt: Die Heimleitung hat gegen sie Strafanzeige wegen falscher Behauptungen gestellt; darüber hinaus wurde gegen eine weitere Ex-Heimmitarbeiterin ein Verfahren vor der 2. Kammer des Arbeitsgerichts angestrengt. Es hat erstmal einen Gütetermin anberaumt.