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Forschung für MinenräumungFraunhofer in Wachtberg sucht mit neuem Radar nach Landminen

Lesezeit 4 Minuten
In Wachtberg erforscht das Projekt von Christian Bräu bei Fraunhofer FHR praktische Radaranwendungen zur Minensuche

In Wachtberg erforscht das Projekt von Christian Bräu bei Fraunhofer FHR praktische Radaranwendungen zur Minensuche

Noch gibt es allerhand zu verbessern, bis die Technik in der Praxis an einem Fahrzeug zur Minenräumung montiert werden kann.

Minenattrappen mit Plastikkapsel und Kunststofffüllung hat das Radargerät aus der Fraunhofer-Gruppe des Mathematikers Christian Bräu bereits aufgespürt. Ein wichtiger Erfolg in der Praxiserprobung, die in einer Halle des Instituts in Wachtberg-Villip stattfindet.

Allerdings ist die Apparatur noch recht groß, und trockener Sand ist keine echte Hürde. Kompliziertere Tests werden im Sommer folgen. „Unser Ziel ist eine Aufklärung bis zu einem Meter tief im Boden“, erklärte Bräu der Rundschau.

Wachtbeg-Vippip: Fraunhofer-Gruppe des Mathematikers Christian Bräu untersucht Minenräumung

Drei Wissenschaftler und ein Techniker stehen dem Team derzeit zur Verfügung. Relativ viele. In der Fachsprache geht es um „Vollpolarimetrisches und multistatischens oberflächendurchdringendes Radar für die Detektion vergrabener Sprengfallen“. Das beschreibt ein wenig die Radartechnik: Bräu's Team arbeitet mit „Vivaldi-Hörnern“, so heißt die Antenne, bei der üblicherweise je zwei gekrümmt-spitz zulaufende Platten Radarwellen ausstrahlen.

Diese Platten können als Sender oder als Empfänger genutzt werden, um zum Beispiel mit einer Antenne Wellen auszusenden, und mit den anderen die Reflexionen zu messen.

Unterschiedliche Beschaffenheit des Bodens stellt Wissenschaftler in Wachtberg vor Herausforderungen

Die Wissenschaftler in Wachtberg machen sich dabei zunutze, dass Radarstrahlen mit einer vergleichsweise niedrigen Frequenz den Boden durchdringen können. Da geht es um einen Frequenzbereich zwischen 400 Megahertz und sechs Gigahertz. Und je niedriger die Frequenz sein soll, desto größer muss die Antenne sein. Darum sind die Vivaldi-Hörner von Villip aktuell 30,4 Zentimeter hoch. Außerdem sind sie in ihrem roten, käfigartigen Gehäuse gekreuzt angeordnet, damit immer zwei Antennen auf engstem Raum arbeiten können.

Zwölf Vivaldi-Antennen sind auf ein Sandbecken gerichtet. Blaue Kegel schlucken Radarstrahlen am Rand des Testbereichs.

Zwölf Vivaldi-Antennen sind auf ein Sandbecken gerichtet. Blaue Kegel schlucken Radarstrahlen am Rand des Testbereichs.

„Bei einer höheren Radar-Frequenz wäre die Dämpfung durch den Boden zu hoch“, erklärt Bräu, auch damit werde geforscht, letztlich aber mit dem Ziele eine Drohnenanwendung zu erhalten, die zum Beispiel bei der Vermessung von Bauten helfen kann.

Allerdings verhält sich Boden je nach Beschaffenheit extrem unterschiedlich. So ist das „Radarauge“ bei Nässe absolute blind, während trockener Sand gar kein Problem darstellt. Geröll hat seine Tücken, weil die kantigen Steine Radarwellen seitlich ablenken. Und es gibt sogar Gestein mit magnetischen Eigenschaften, wie etwa verschiedene Basalte, die eine Herausforderung für die Forscher darstellen. Die nächste Hürde: Vegetation.

„Minen-Dummys“ kommen für Testläufe zum Einsatz

Für den Sommer haben sich die Wachtberger einen Ausflug in den Süden vorgenommen, auf Testbahnen, die verschiedene Anforderungen bieten und deutlich größer als das Testfeld in der Halle in Villip sind.

Doch bis dahin stehen noch einige grundlegende Aufgaben an. „Hauptsächlich geht es um den Kontrast zwischen elektromagnetischen Eigenschaften von Materie“, erklärt Bräu. Programme müssen die Daten der verschiedenen Radarantennen so geschickt verarbeiten und vergleichen, dass ich eine möglichst gute Sicht im Boden ergibt, also Objekte klassifiziert werden können.

„Wir probieren das mit verschiedenen Minen-Dummys, wie sie auch ein Hersteller von Metalldetektoren benutzt“, sagt Bräu. Der Unterschied ist bloß, dass Radar eben auch nichtmetallische Dinge erkennen kann, und Landminen längst kein Metall mehr enthalten.

Roboterarm soll zum Einsatz kommen

Die Datenbanken von Fraunhofer sind schon mit Signaturen verschiedenster Materien gefüllt. Bräu zeigt eine etwa handtellergroße Minenattrappe, und auch einen viel kleineren Wechselkern. Einen davon aus Kunststoff hat die Radaranlage im aktuellen Versuchsaufbau bereits erkannt. Ein Raster von zehn Zentimetern dürfte also nicht das Problem sein.

Derzeit hängen sechs doppelt gekreuzte Vivaldi-Antennen über einem Sandkasten an einer Schienenbahn, die wiederum an einem Rohrgitterkäfig aufgehängt ist, wie Diskoveranstalter sie für Scheinwerfer und Lautsprecher nutzen.

An der Schiene sind bislang nur zweidimensional Daten erfasst worden, weil die Antenne nur an ihr entlang bewegt werden konnte. „Wir werden in Kürze jedoch einen Roboterarm installieren, sodass die Antennen auch schräg gehalten und zu beliebigen Punkten bewegt werden können“, kündigte Bräu an.

Benötige Anzahl der Antennen wird sich noch zeigen

Jede der zwölf Antennen kann einzeln angesteuert und nacheinander betrieben werden, aber eben auch so, dass nur eine sendet und elf empfangen.

Wieviele Antennen letztlich idealerweise an einem Vorbau eines Fahrzeugs befestigt werden sollten, um damit langsam auf ein Minenfeld zu rollen, wird sich noch zeigen. Es gibt noch viel zu tun, bis das System zuverlässig erkennt, ob sich vor dem Erkundungsfahrzeug ein Stein, eine Mine oder eine harmlose Plastiktüte im Boden befindet.


Dr. Christian Bräu ist 38 Jahre alt und stammt aus Augsburg. Er hat dort Mathematik studiert und vor etwas mehr als sieben Jahren auch in diesem Fach promoviert. Stochastik und Wahrscheinlichkeitstheorie waren seine Schwerpunkte. Ich habe danach eine technische Arbeit gesucht, weil ich nicht, wie viele andere Mathematiker, in die Wirtschaft gehen wollte, also zu einer Versicherung oder ähnlichem.

Nun beschäftigt er sich mit „Detektionsalgorithmen“, also Rechenoperationen, die beim Auffinden von Dingen helfen können. „Das ist sehr viel angewandter.“ Bräu leitet die Gruppe UWB-Radar bei Fraunhofer FHR.

Dr. Christian Bräu arbeitet bei Fraunhofer FHR  in Villip

Dr. Christian Bräu arbeitet bei Fraunhofer FHR in Villip