Die Gemeinde Wachtberg hat ein zunehmend gut geordnetes Gemeindearchiv. Archivleiter David Held sprach mit der Rundschau über seine Schätze, und wie die Gemeinde von privaten Forschern profitiert.
Einblick ins GemeindearchivArchiv in Wachtberg profitiert von privaten Forschern
Ordner für Ordner und Akte um Akte lagert sich die Geschichte der Gemeinde Wachtberg im Keller des Rathauses in Berkum ab. Dort ist der Arbeitsplatz von David Held. Der Archivar sichtet Verwaltungsdokumente und entscheidet nach den Regeln seiner Kunst über Aufbewahren oder Vernichten. Damit er seiner Pflicht einer anschaulichen Überlieferung für die Nachwelt nachkommen kann und nicht zwischen den Metallregalen im Papier untergeht, ist längst zusätzlich ein Depot im Berkumer Schulzentrum eingerichtet worden, aber dort ist dann der Zugriff nicht mehr so einfach möglich. Und auf Basis des Archivgesetzes will auch die Gemeinde Wachtberg Forschern den Zugriff auf ihr historisches Wissen eröffnen.
Tatsächlich sind es vor allem Familienforscher, die das Archiv kontaktieren, um sich dort mit mehr oder weniger Kenntnissen ein Bild von ihren Vorfahren zu machen. Genau dabei kann Held auch gut helfen. Er hat die standesamtlichen Aufzeichnungen bei sich im Büro stehen, angefangen von der allerersten Standesamtsurkunde vom 17. November 1798, die zeitgemäß vom französischen Zivilstandsbeamten Peter Mertens nach dem Revolutionskalender auf den 27. Brumaire des Jahres 7 der fränkischen Republik datiert wurde und die Geburt von Heinrich Asch aus Kürrighoven dokumentierte.
Zur Zeit dieser ersten Geburtsurkunde gab es freilich noch keine Gemeinde Wachtberg, und die „Mairie Villip“, also die Bürgermeisterei, aus der die Amtsverwaltung erwuchs, ist noch nicht genannt. Im Text heißt es „Gemeinde Oberbachem und Kuerrighofen im Rural-Canton Bonn“. Neben dem Gebührenstempel über einen Franc ist der Stempel des späteren preußischen Amtes Villip zu sehen, aber den bekamen die Seiten im Buch erst aufgedrückt, als es schon Archivgut war. Eine Tradition, die sich fortsetzt.
Vereinsfahne aus Berkum hängt im Flur
David Held arbeitet fünf Tage die Woche von 8.30 bis 16 Uhr zwischen all den Büchern und Erinnerungsstücken, Ton- und Bildträgern und auch anderen Geschichtszeugnissen, die ein Museum füllen könnten. Die Fahne des 1948 gegründeten Männerchors „Concordia“ Berkum ist sein liebstes Stück. Die Standarte hängt gleich im Eingangsflur zum Gemeindearchiv und ist von Held, als er sein Amt antrat, aus einem Sack in einem Schrank gezogen worden. „Dort fing der Stoff aus Samt mit goldener Borde bereits an, zu zerbröseln.“ Im Flur hat sie Luft, kann glatt hängen und bekommt wenig Sonnenlicht ab.
Held, der nur den halben Arbeitstag für das Archiv zur Verfügung hat und die andere Hälfte als Datenschutzbeauftragter unter Vertrag steht, wirkt schon aus Platzgründen darauf hin, dass Verwaltungsunterlagen künftig möglichst digital aufbewahrt werden. Doch er hängt auch an den Gegenständen aus der Geschichte, etwa den Ehrentellern oder einem uralten Tonkrug aus dem Töpferdorf Adendorf. „Das sind Dinge, die Schüler anfassen können, wenn sie hier zu Besuch sind.“
Vor allem ehrenamtlich tätige Menschen bringen das Archiv in Wachtberg weiter. Denn sie nutzen es nicht nur, sondern geben auch etwas zurück. Dafür sorgt Held schon. Wer hier recherchiert, der wird auch dazu angehalten, die Forschungsergebnisse mit der Gemeinde zu teilen, als Expose, fertiger Stammbaum oder Druckschrift. So finden sich hier auch Stammbäume von Wachtberger Familien, die anderen wieder bei ihrer Forschung die Arbeit erleichtern. Eine Familie aus dem Raum Bitburg hat sogar für die Gemeinde im Rahmen ihrer Forschung ein gesamtes Register digitalisiert.
Derzeit hat Held Hilfe durch einen Praktikanten, der mit wissenschaftlichem Hintergrund alte Flurbereinigungs-Akten aufarbeitet. Das ist Gerold Reichel aus Pech, der mit seinen 67 Jahren nach einem Berufsleben in Diensten des Bundes in Berlin und in Bonn nun Geschichte studiert, mit Romanistik im Nebenfach. Oft kommen Anfragen in Amtshilfe, etwa aus Nachlassverfahren, die fristgerecht und beglaubigt beantwortet werden müssen.
Held rühmt sich, seinen Stammbaum bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen zu können, als seine Familie noch nicht die Ehrenbezeichnung „Held“ trug. „Ich brauche in Nürnberg nur in die richtige Kirche zu gehen und sehe meine Vorfahren an der Wand.“ Freilich hat es nicht jede Familie zu Reichtum und Ehre geschafft oder stammte immer aus guten Verhältnissen. Aber der Archivleiter weiß, wie er seine Besucher motivieren und ihnen die Leistungen der Vorfahren verständlich machen kann.
2014 war das Archiv noch wenig geordnet
Mit einer Ausbildung zum Fachangestellten für Medien und Informationsdienste in der Fachrichtung Archiv beim Rhein-Erft-Kreis hatte er eigentlich den Wunsch, in der Verwaltung unterzukommen. Er arbeitete für eine Stiftung, dann zehn Jahre für das Land, nämlich im damaligen Personenstandarchiv in Brühl, bevor das nach Duisburg umzog. Seine Frau entdeckte damals die Ausschreibung der Gemeinde Wachtberg, die er noch gar nicht kannte. „Bei uns gibt es nur eine Brikettfabrik dieses Namens.“ Gegen Mitbewerber aus der gesamten Republik setzte er sich für die damalige Halbtagsstelle durch.
Was er 2014 vorfand, war ein Archiv, das noch lange nicht nach wissenschaftlichen Kriterien geordnet war. „Tatsächlich gab es Kisten, die nach Orten sortiert waren, und da lagen Bücher, DVDs und LPs gemischt drin, was auch deshalb schlecht ist, weil verschiedene Stoffe miteinander reagieren.“ Und so begann das große Einteilen: Landkarten hier, Politik und Parteien dort. Und was ist mit der Überlieferung aus der Nazizeit? Da verweist Held an das Kreisarchiv, ansonsten ist auch die Geschichte der Juden in Wachtberg schon teilweise erforscht.
Im Jahr nahmen vor der Corona-Pandemie etwa 30 bis 40 Menschen einen Termin im Archiv wahr, die Schulklassen nicht mitgezählt. Seitdem sind die Besuchszahlen geringer. Ein bisschen gehört auch dazu, sich der Forschung im Archiv hinzugeben. Die Schrift lesen und alte Formulierungen erkennen, muss jeder erst lernen, etwa wenn es heißt, er habe es „aus eigener Wissenschaft“, womit nicht Forschung, sondern Kenntnis oder Erleben gemeint ist. Beim Stöbern im Wachtberger Archiv lässt sich jedenfalls allerhand an eigenem Wissen schaffen.
Wer nun Lust hat, ebenfalls im Gemeindearchiv zu forschen oder dort ehrenamtlich zu helfen, kann sich an david.held@wachtberg.de wenden.