Straßen NRW hat nach einer Niederlage am Gericht aus Sicherheitsgründen den Abbau großer gefährlicher Kreuze am Wegesrand angekündigt. Die Rundschau hat nachgefragt.
Gefahr oder Gedenken?Was mit den Kreuzen im Rhein-Sieg-Kreis passieren soll
Ronny fuhr leidenschaftlich gerne Motorrad. Er wurde nur 20 Jahre alt. Auf der Landesgrenze zwischen Fritzdorf und Oeverich ist er in voller Montur auf seiner Maschine zu sehen. Jürgen, Sven und Markus haben ihm ein möglichst ewiges Andenken gesetzt und an einem hölzernen Kreuz ein witterungsbeständiges Bild befestigt. So gibt es viele Kreuze an hiesigen Wegen, und ein jedes erinnert an ein Schicksal.
Allerdings schlägt das Schicksal zu, wo und wie es will, manchmal auch zweimal am selben Ort. Und so geschah es im November 2021, dass ein siebenjähriger Junge aus Büren im Kreis Paderborn beim Spielen von einem solchen Kreuz erschlagen wurde. Ein Spielkamerad musste es mit ansehen. Der Unfall hatte Folgen vor Gericht und letztlich aktuell Auswirkungen auf nahezu alle Straßenkreuze im Bereich des Landesbetriebs, denn der muss für deren Sicherheit gerade stehen und prüft darum, welches Kreuz weg muss.
Das doppelte Schicksalskreuz in Büren war laut Torsten Garber, Sprecher von Straßen.NRW, vor 80 Jahren von Angehörigen eines im Jahr 1941 verunglückten Landwirts errichtet worden. „Nach dem tödlichen Unglück hat der Landesbetrieb alle massiven Kreuze, Meilensteine, Bildstöcke usw. entlang der Straßen, die potenziell eine Gefährdung für den Verkehr darstellen könnten, erfasst“, teilte Gabers auf Anfrage der Rundschau mit: „Ein Handlungsleitfaden wurde entwickelt, um den Umgang mit massiven Gedenkeinrichtungen wie Flurkreuzen oder Bildstöcken aus Stein, Beton, Metall oder vergleichbare Materialien zu regeln, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial aufweisen können. Unfallkreuze (kleine Trauerkreuze aus Holz) fallen, sofern sie temporär errichtet werden, nicht unter diese Richtlinie.“ Den Leitfaden gibt es nun seit Juni 2023. Darin wird Wert auf Konstruktion und Gefährdungspotenzial gelegt.
Kreuze am Wegesrand: Ständige Überprüfung
Die Prüfung der Kreuze ist also laufendes Geschäft bei den Straßenverwaltern geworden. Gaber: „In Zusammenarbeit mit den Anlagenverantwortlichen werden Lösungen angestrebt, um die massiven Gedenkstätten angemessen zu erhalten oder zu versetzen. Auch Kommunen, Heimatverbände und Ortsvorstehende werden um Unterstützung bei der Ermittlung von Anlagenverantwortlichen gebeten, sofern diese nicht bekannt sind.“
Gaber: „Das Ziel von Straßen.NRW ist es, die Verkehrssicherheit entlang der Straßen zu gewährleisten und dabei die Erinnerung an historische Ereignisse und religiöse Bezüge oder verstorbene Personen angemessen zu bewahren. Daher ist die Entfernung einer baulich massiven Gedenkeinrichtung grundsätzlich das letzte Mittel und die nicht favorisierte Option des Landesbetriebs, wenn keine Verantwortlichen auffindbar sind, keine einvernehmliche Versetzung möglich ist oder der Abschluss eines Nutzungsvertrages abgelehnt wird.“
Einen Fall, in dem der Landesbetrieb intervenierte, gab es in der Nachbarschaft von Wachtberg, in Mehlem. Gaber: „Es gab entlang von Bundes- oder Landesstraßen im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis, einschließlich Bonn linksrheinisch, eine Gedenkeinrichtung, deren Eigentümerin von Straßen.NRW angeschrieben wurde.“ Die Frau sei gebeten worden, „die durch das Objekt gefährdete Verkehrssicherheit dauerhaft wieder herzustellen“. Die Entscheidung, ob sie die Gedenkeinrichtung zusätzlich sichern oder doch lieber entfernen möchte, sei ihr überlassen worden. Letztlich habe sie sich entschieden, das Objekt, das vorher an der B9 kurz hinter der Landesgrenze gestanden habe, zu restaurieren und rund 120 Meter weiter Richtung Bonn neu aufzubauen.
Angehörige und Freunde haften
Daraus wird schon deutlich, wie der Landesbetrieb vorgeht. Er überprüft die Gedenkeinrichtungen auf Straßengrundstücken und versucht, mit denen, die das Kreuz aufgestellt haben, einen Nutzungsvertrag aufzusetzen. So sollen letztlich Angehörige und Freunde eines Toten haften.
Der Straßenbetrieb schaut sogar nach großen Kreuzen, die neben seinen Straßen stehen, also auf privaten Grundstücken, sofern diese in den Verkehrsraum stürzen könnten. Werden potenzielle Gefahren erkannt, soll Kontakt mit dem Eigentümer aufgenommen werden. Auch der Denkmalschutz kann dabei eingeschaltet werden.
So stehen sie denn nun weiterhin am Wegesrand und werden noch genauer beobachtet denn je. Etwa das leicht angewitterte Holzkreuz unter den Büschen hinter der Ampel an der Pecher Landstraße in Höhe der Ölmühle, oder das verzinkte Kreuz, das seit Jahrzehnten in Meckenheim an einen Bernd erinnert, der kurz vor seinem 23. Geburtstag starb.
Nicht alle Kreuze sind so jung. So steht an der Landstraße von Oeverich nach Fritzdorf kurz vor dem Ortseingang auf der linken Seite ein altes Steinkreuz, das Schutz genießt. Das Kreuz aus dem Jahr 1762 ist in die Liste der Baudenkmäler eingetragen, ebenso das noch größere Steinkreuz (Sannefeldkreuz genannt) innerhalb des Ortes an einer Hauswand, das sogar noch ein wenig älter ist, nämlich aus dem Jahr 1729.