Beim Fraunhofer FHR in Wachtberg hat sich die Rundschau drei Radarprojekte angeschaut: die Ortung verletzter Erdbebenopfer, Aufklärung ohne Sender und die Synchronsation des Weltraumdararnetzes.
Fraunhofer in WachtbergSo funktioniert die Aufklärung mit Signalen aus dem Orbit

Diego Cristallini zeigt das Satelliten basierte Passivradar beim Wachtberg-Forum von Fraunhofer.
Copyright: Manfred Reinnarth
Mit Radar aus Wachtberg kann eine Drohne selbst bei Staub und anderen Sichtbehinderungen Erdbebenüberlebende in Trümmern aufspüren und deren Verletzungsgrad einschätzen. Dies und viel mehr erfuhren die 140 Gäste beim elften Wachtberg-Forum des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR). Sie konnten die im vorigen Jahr entwickelten Technologien in Augenschein nehmen und direkt mit den Forschern sprechen. So sahen sie etwa, wie Radaraufklärung ohne verräterischen Sender funktioniert und dass die ultragenaue Synchronisation zweier weit entfernter Radarstationen zur Weltraumüberwachung kein Ding der Unmöglichkeit ist.
Erdbebenopfersuche auf glattgerechneter Flugbahn
Als Kästchen in der Größe einer Butterbrotdose hat die „UAV-unterstützte Personensuche“ bei Fraunhofer unter der Regie von Patrick Wallrath das radargerechte Fliegen gelernt. Algorithmen eliminieren nun, wie der wissenschaftliche Mitarbeiter Gunnar Briese erklärte, während eines Drohnenflugs Erschütterungen am Boden und in der Luft, sodass der Abgleich zwischen ausgesendetem und reflektiertem Radarsignal nicht an Phasenverschiebungen scheitert. Die eigentliche Technik, die menschliche Körper und kleinste Atembewegungen erkennt, ist zwar für diesen Einsatzzweck noch in der Erprobung, soll aber vor allem eine Aufklärung ermöglichen, wenn es für Menschen zu gefährlich ist, sich direkt ein Bild zu machen oder Kameras wegen Staub, Dampf oder anderen Sichtbehinderungen nichts erkennen.

Die Wissenschaftler Gunnar Briese und Siying Wang mit einer Drohne zur Radardetektion von Verschütteten beim Wachtberg-Forum von Fraunhofer
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Computer können aus reflektierten Radarwellen sogar errechnen, wer wie schwer verletzt ist oder gar nicht mehr lebt. Das lässt aus sicherer Entfernung eine Entscheidung über den Einsatz von Rettungsmitteln zu, so wie auch bei einem Unfall mit vielen Verletzten, Rettungskräfte zunächst sichten müssen, wer am dringendsten Hilfe benötigt.
Noch hängt die Technik an einer Drohne mit Kreiselradar, das durch seinen Betrieb selbst für Erschütterungen sorgt. Die nächste Entwicklung ist ein Mehrwegradar ohne Massen, die sich bewegen. Damit wird das Bauteil auch leichter und kann an kleinere Drohnen montiert werden. Es ist im Kern immer noch dieselbe Technik, die auch als stationäre Radarüberwachung am Straßenrand entwickelt wurde, um Autos früh Signale zu geben, wenn Fußgänger oder Objekte in Richtung Fahrbahn tendieren.
Aufklärung ohne verräterischen Sender
Sehen, ohne gesehen zu werden – das ist bei Radar schwierig. Wer Signale aussendet, kann aufgespürt werden. Militärisch also riskant. Bei Fraunhofer haben Wissenschaftler an einer Antenne gearbeitet, die vor allem die Reflexionen von Standardsignalen aus dem Orbit auswertet. Der Diplom-Ingenieur Diego Cristallini beschreibt das „Satelliten-basierte Passivradar“ so: „UKW, Digitalfernsehen und 5G-Signale werden von Schiffen zum Beispiel reflektiert. Mit einer Antenne ohne Sender lassen sich auf 20 Kilometern Entfernung aus diesen Reflexionen noch eine Silhouette erkennen sowie die Klassifizierung des Schiffstyps und dessen exakten Abmessungen bestimmen.“
Dazu ist Sichtkontakt nötig, was bei Radarstrahlen jedoch bloß den barrierefreien direkten Weg meint und logischerweise auch bei Nebel und Rauch funktioniert. Ein U-Boot bräuchte also nur soweit aufzutauchen, dass die Radarkuppel aus dem Wasser schaut, um sich einen Überblick zu verschaffen. In der Demonstration war die Fähre in Königswinter als Radarabbild zu sehen. www.fhr.fraunhofer.de/wbf-k2326
Antennensynchronisation fürs Weltraumradar
Das erste Weltraumradar namens GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar) aus Wachtberg arbeitet erfolgreich in Koblenz. Es soll bald ganz den Militärs übergeben werden. Ein zweiter Empfänger soll in Kürze in Bau gehen und später vielleicht in Mecklenburg aufgestellt werden. In Werthhoven, gleich neben dem großen Radom, sind auf einer Wiese bereits die Sockel montiert. Weil eine Transportgenehmigung fehlte, ist eine Anlieferung erst im Juli möglich. Das zweite Weltraumradar wird einige Verbesserungen im Vergleich zum ersten enthalten. So sind Systeme im inneren sowie die Kabelwege anders angeordnet, um Wartungsarbeiten zu erleichtern. Außerdem lassen sich die Aufbauten später versenken, was den Transport über die Straße deutlich vereinfacht.

Dr. Erik Busley ist zur Synchronisation der Weltraumüberwachungsradare per Cäsiumuhr eingestellt worden. Hier mit einem Modell des Radarcontainers, wie er in Koblenz in Betrieb ist.
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Dr. Erik Busley, der in Bonn Physik studiert hat, ist eingestellt worden, um die beiden Anlagen mit zwei Cäsiumuhren nanosekundengenau zu synchronisieren. Nur so kann das Sendesignal aus Koblenz dem Empfänger in etlichen Autostunden Entfernung sicher zugeordnet werden. Busley: „Eine der Herausforderungen wird es sein, unsere Messungen überhaupt zu kontrollieren, also festzustellen, ob die beiden Uhren nun exakt synchron laufen.“
In der Bauphase, die ein paar Jahre in Anspruch nehmen wird, soll der Sender nie eingeschaltet werden, um die Nachbarn nicht zu gefährden, betonte Projektmanager Christoph Reising: „Das macht die spätere Inbetriebnahme noch spannender.“ Nach und nach soll ein Netz von weit auseinanderliegenden Empfangsstationen aufgebaut werden. Je größer, umso hochauflösender das zu berechnende Radarbild. Schon jetzt erkennt GESTRA kleinste Teilchen, die durch den Weltraum sausen und Satelliten oder der Erde gefährlich werden könnten.
Fraunhofer FHR hat an zwei Standorten in Wachtberg (Werthhoven und Villip) sowie an der Ruhr Uni Bochum und der RWTH Aachen 386 Mitarbeiter, davon 223 unbefristet.