Bei der Kastanienaktion von Haribo haben viele Familien ihre fleißig gesammelten Kastanien gegen Süßes eingetauscht.
Haribo-KastanienaktionFamilien aus Wachtberg und Umgebung tauschen Kastanien gegen kiloweise Süßes
Die meiste Arbeit schien getan, als Susanna Pohlmann aus Wachtberg mit Mutter Sarina und Opa Mario am Haribo-Werk in der Grafschaft eintraf: Die Ladung der beiden Bollerwagen, einer voller Eicheln und einer bepackt mit Kastanien für die traditionelle Herbstaktion des Süßwarenherstellers, war im Wald bei Berkum und am Spielplatz in Werthhoven mühsam zusammengeklaubt worden. Aber nun sollte der anstrengendste Teil für die Sechsjähige erst beginnen: das Anstehen an der Abgabestelle. Und das Mädchen war dort gegen 9.30 Uhr beileibe nicht die erste in der Warteschlange.
Die ersten Tauschwilligen, die ihre Eicheln oder Kastanien zum Nutzen von fast einem Dutzend Tierparks in Süßes verwandeln wollten, waren bereits am Morgen um 4 Uhr eingetroffen, dabei ging es erst um 7 Uhr los. Aber eine gute Startposition ist wichtig, besonders dann, wenn gerade in NRW und Rheinland-Pfalz gleichzeitig Schulferien sind. „Eine Familie aus Marburg mit drei Kindern war schon um 4.30 Uhr da und hat geduldig gewartet“, berichtete eine Haribo-Sprecherin voller Bewunderung für die Ausdauer: „Wann müssen die losgefahren sein?!“
Schon um 9.30 Uhr waren 24 Tonnen Eicheln und 30 Tonnen Kastanien über die Förderbänder im Abgabezelt in die Stahlcontainer geprasselt; wieviele es bis Sonntagabend sein werden, wird erst am Montag genau feststehen, wenn alle Wiegedaten ausgewertet sein werden. „Es muss ein super Eichel-Jahr sein“, mutmaßte die Sprecherin, denn üblicherweise sind die Eicheln schon wegen ihres Gewichts viel deutlicher in der Minderheit. Deshalb werden sie auch im Vergleich zu den Kastanien zu einem günstigeren Kurs in Süßes umgetauscht.
Kurz nach elf Uhr ist Susanna Pohlmann mit Mutter, Opa und Bollerwagen endlich auf der Zielgeraden. Mehrspurig schieben sich die Bollerwagen, Sack- und Schubkarren, Kinderwagen oder anderen Gefährte im Schneckentempo mehrspurig zwischen Drängelgittern durch das mehrere hundert Meter lange Labyrinth vorwärts. Der Sechsjährigen tun die Füße weh. Einfach auf den Bollerwagen setzen, lehnt Opa Mario ab. Der hat genug geladen. Einen Sack voller Waldfrüchte hat er bereits verschenkt, weil der aufgeplatzt war. Aber er verspricht ihr: Nach dem Ausladen, darf die Enkelin sich chauffieren lassen.
Es sind nur noch ein paar Schritte bis zum Eingang des Abgabezelts und den Waagen sowie den Förderbändern zu den Sammelcontainern. Am Zugang wird dosiert und gleich die nächste freie Waage angesagt. Doch obwohl das Personal die Finger flitzen lässt, dauern Ausladen, Wiegen und Umfüllen einfach eine Weile, bis der Zettel mit dem ermittelten Gewicht für die Süßigkeitenausgabe ausgehändigt werden kann. Der Wechselkurs ist seit Jahren stabil: für zehn Kilogramm Kastanien gibt es ein Kilo Haribo, und ebenso für fünf Kilogramm Eicheln. Was genau in den Kartons steckt, Saures, Lakritze, Gummibären oder ganz was anderes, ist Zufall - um die Sache zu beschleunigen. Wer etwas nicht mag oder etwas anderes wünscht, kann ja jemanden zum Tauschen suchen.
Jessica und Jan Reske aus Reichshof-Eckenhagen mit den Kindern Ella (6), Frieda (3) und Emilio (8) standen ab 9 Uhr an und sind nun nach etwa zwei Stunden am Ziel. Doch der Wiegezettel sorgt für eine Enttäuschung: Die 40 Kilo Kastanien und fünf Kilo Eicheln sind durch dreieinhalb Wochen liegen lassen auf 26 und neun Kilogramm geschrumpft. Vater Jan hatte das schon kommen sehen, wunderte sich dennoch, wieviel Gewicht da verloren ging - und damit Süßes.
Nida Sarrac, mit Ehemann Numan und Tochter Nilay (6) an der Seite, war quasi stellvertretend für den vier Jahre alten Sohn Nisa und den Kindergarten „Apfelbaum“ aus Wesseling bei Haribo. Die 44 Kinder der Raupen- und der Bienengruppe hatten unter der großen Eiche am Kindergarten fleißig gesammelt. „Die wären sonst wegen Stolpergefahr weggeworfen worden, aber Leiterin Sandra Heinzel hatte die Idee, die Eicheln zu verwerten, und durch meine Arbeit in Bonn kannte ich die Haribo-Aktion“, erklärt Nida Sarrac als Mitglied im Elternrat.
Ähnlich war Katharina Apel aus Weilerswist mit ihrem sechs Jahre alten Sohn Jonathan unterwegs. Sie hatte als Biologielehrerin an der Gottfried-Kinkel-Realschule in Liblar eine selbsterdachte Mission zu erledigen. Denn mit ihren 45 Schülern aus zwei Biologieklassen hatte sie noch schnell vor den Ferien unter den vier Eichen auf dem Schulhof gesammelt. „Die Eicheln werden sonst nur als Wurfgeschosse benutzt“, sagte Apel. Die Süßigkeiten, die es nun dafür gibt, will sie über das Jahr gestreckt an die Schüler verteilen.
Christina Dick aus Hennef begleitet ihre Töchter Lenia (9) und Miria (8). Die haben in Gummersbach mit Oma Marina drei Tage lang im Park und im Wald Kastanien gesammelt, „weil es in Hennef keine gibt“, wie Christina Dick meint. Die Kastanienmännchen, die Lenia gebastelt hatte, fallen nun im wahren Sinne des Wortes nicht ins Gewicht. Dennoch sind es am Ende 92 Kilogramm Tauschware für Süßigkeiten, die die beiden Mädchen nun mit Cousins und Cousinen teilen wollen.
Bei Susanna Pohlmann aus Wachtberg stehen schließlich 107,1 Kilogramm auf dem Wiegezettel, die 21,4 Kilogramm Süßes ergeben. Aber Opa Mario hat noch einen Zettel, und so gibt es 34,5 Kilogramm. Und so legt das Ausgabeteam als „Kleingeld“ schließlich noch eine Tüte auf den Kartonberg, deren Inhalt sich das Mädchen bald, im Bollerwagen räkelnd, einverleibt. Opa Mario, der noch schnell - wenn auch vergeblich - versucht, etwas mehr Wurfmaterial für die nächste Teilnahme der „Jecke us alle Ecken“ am Rosenmontagszug in Gimmersdorf auszuhandeln, hat sein Versprechen erfüllt, und die Enkelin muss nicht mehr laufen. Aus Lakritzschnecken will sie sich noch eine Brille bauen und eine gekeimte Eichel im Garten pflanzen, da freut sie sich schon drauf. Die Mutter ist sicher: „Nächstes Jahr sind wir wieder dabei. Man sieht die Kastanien am Baum hängen, und muss sie einfach pflücken!“
Warum diesmal die Eicheln und Kastanien nicht verfüttert werden
Traditionell gibt Haribo die eingetauschten Eicheln und Kastanien an etwa zehn Tierparks in Deutschland und auch in Österreich ab. Doch das ist diesmal anders - den Tieren zuliebe. Denn gerade im Haupteinzugsgebiet der Kastanienaktion, in Hessen und Rheinland-Pfalz, grassiert aktuell noch die afrikanische Schweinepest, und es wäre fürchterlich, wenn sich mit den im Wald gesammelten Kastanien das tödliche Virus in Tierparks verbreiten würde. Also hat Haribo einen anderen Weg gefunden: Der Betreiber des Heiznetzwerks für die etwa 6000 angeschlossenen Einwohner von Bersenbrück in Niedersachsen wird aus den abgegebenen Waldfrüchten CO₂-neutral Wärme herstellen und so vergüten, dass der Süßwarenhersteller nur noch aufzurunden braucht, damit jeder der üblichen Tierparks 1000 Euro für Futter erhält. So ist der Effekt der Aktion gewahrt.