In einigen Wachtberger Wohnzimmern wird derzeit für das Anton-Raaff-Konzert geübt. So auch bei der Familie Thomas in Niederbachem. Die 17 Jahre alte Sophia wird bei dem Konzert Cello spielen.
Anton-Raaff-Konzert in WachtbergSophia Thomas ist eine der drei Cellistinnen im Jugendorchester
Die übliche Aufregung vor dem Konzert hat sich gerade durch einen Urlaub in Katalonien sehr gelegt. Allerdings sind während des Ferienaufenthalts von Sophia Thomas die Fingernägel arg gewachsen, und das kann so nicht bleiben, wenn ihr Instrument beim Anton-Raaff-Konzert am 10. November in Berkum so gefühlvoll klingen soll, wie sich die 17-Jährige das wünscht. Sie ist eine der drei Cellistinnen im Jugendorchester, das an jenem Tag gemeinsam mit dem Kammerorchester eine nostalgische Reise durch Oper, Operette und Musical verspricht.
16 Musikstücke stehen auf dem Programm, und das Cello ist bei jedem dabei. „Es muss ja den Bass geben“, erklärt Sophia Thomas: „Die Bläser haben immer wieder Pause.“ Die junge Frau, die ansonsten bei den Drachenländer Volleys in der dritten Damenmannschaft Volleyball spielt und neben dem Abitur bei einem Caterer im Service jobbt, ist mit Musik aufgewachsen. Als sie in Köln geboren wurde, war Vater Dietrich Kirchenmusiker und Mutter Alexandra als Gesangspädagogin an der dortigen Oper tätig. Beide sind seit der Corona-Pandemie in Bonn Musiklehrer: der Vater am Friedrich-Ebert-Gymnasium, die Mutter an der Otto-Kühne-Schule, wo die Tochter gerade das Abitur anstrebt.
Kein Wunder also, dass Sophia Thomas mit drei Jahren ihr erstes Instrument zu spielen begann: Blockflöte. In der dritten Klasse entdeckte sie die Bratsche, und ein Geigenlehrer kam extra für den Unterricht ins Haus. Als das Klavier im Wohnzimmer ihr Interesse erregte, zeigte der Vater seinen Stolz und wollte sie partout selbst unterrichten. Das habe aber nicht geklappt: „Die Eigenregie war auf diese Weise schwierig, und ich konnte meine Routine nicht entwickeln.“ Letztlich sei das Verhältnis zum Vater als Lehrer einfach zu persönlich gewesen und das Feedback „nicht so toll“.
Erster Spielversuch löste etwas in ihr aus
Seit fünf Jahren lebt die Familie in Wachtberg. Über eine anderthalb Jahre ältere Freundin kam Sophia Thomas mit 14 Jahren zum Cello. „Sie spielte bereits seit fünf Jahren, war unfassbar gut und wurde auch krass gefördert“, schwärmt die junge Musikerin und weiß noch ganz genau, mit welcher Ehrfurcht sie damals das Instrument der Freundin ausprobierte. „Es war sehr wertvoll. Das war mitten in der Corona-Zeit.“ Und der Spielversuch löste etwas in ihr aus. „Das Verlangen, Cello zu spielen, kam völlig von mir heraus. Ich hatte die Zeit und vor allem den Anspruch, ein Instrument richtig gut zu können.“
Die Vorerfahrung mit der Bratsche kam ihr sehr zupass. „Das Greifen ist bei beiden Instrumenten ähnlich“, fand Sophia Thomas und nahm Cello-Unterricht bei Karin Hinze, die wöchentlich zu ihren Schülern im Raum Wachtberg kam und bei André Rieu im Orchester spielt. „Da würde ich nie mitmachen wollen, weil mir seine Inhalte nicht liegen, aber er kann das Publikum wirklich für Klassik begeistern.“ Von dieser Begeisterung selbst erfasst, arbeitete sie jeden zweiten Tag an ihrer Technik. „Ich habe nie zuvor so viel geübt.“ Ein sehr gutes Instrument erhielt sie gebraucht aus dem Schülerkreis, zunächst mit Carbonbogen, seit kurzem mit einem perlmuttverzierten Holzbogen.
Sogar während der viereinhalb Monate, die sie während der zehnten Klasse im Austausch in Reading, auf halber Strecke zwischen London und Oxford verbrachte, setzte sie die Proben fort: per Internetkonferenz mit der Lehrerin. Zwei Wochen vor der Abfahrt hatte sie sich im Wachtberger Jugendorchester angemeldet. „Mit dem Cello wollte ich nicht ins Schulorchester, aber in einen Chor. Vom Jugendorchester hatte ich von meiner Lehrerin und aus dem Internet erfahren.“
Jeden Dienstag probt das Jugendorchester
Alle drei Cellos im Jugendorchester werden von Mädchen gespielt. „Das ist jetzt aber kein Mädcheninstrument, auch wenn ich die Form und den eher menschlichen Klang recht weiblich finde. Ich kenne aber auch Jungs, die Cello spielen.“ Und so ist ihr Sheku Kanneh-Mason, ein virtuoser Brite, ein großes Vorbild. Wie er würde sie gerne das „Lied ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy spielen, oder die Konzerte von Camille Saint-Saëns.
Ein weiter Weg noch. „Ich lerne gerade die Daumenlagen, das ist schon fortgeschritten, aber noch fern von professionell“, beschriebt die junge Frau ihren Ausbildungsstand: „Die Fingerstellung wechseln, abstützen, dann gehen die Schwierigkeiten los.“ An der linken Hand sind die Fingernägel viel kürzer, damit die Griffe sicher landen. Seitlich am Daumen sowie an den Kuppen von Zeige-, Mittel- und Ringfinger bildet sich Hornhaut. „Bis zum Konzert muss es klappen. Es sind schon unheimlich viele Stücke.“
Das schwerste Stück, findet Sophia Thomas, ist „Frau Luna“, aus der Operette: Von der Technik her sei das schaffbar, so seien ja auch alle Stücke ausgewählt, aber das Stück sehr schön zu spielen, dazu gehöre schon einiges. „Wir haben auf der Orchesterfahrt sehr lange an der Intonation geübt, um die Dynamiken reinzubringen, damit es toll klingt.“ Und so schwärmt sie von der Organisation der Fahrt, von Simon Wangen, dem Chef der Streicher, der Cello studiert habe und trotzdem locker zu Klavier oder Kontrabass wechseln könne, wenn das nötig sei, und vor allem von Orchesterleiter Leonard Zimmer. „Die Art, wie Leo es gestaltet, so familiär, darum bin ich dabei. Seinen Sarkasmus finde ich herzerfrischend.“
Jeden Dienstag probt das Jugendorchester von 17.45 bis 20 Uhr in der Cafeteria der Hans Dietrich Genscher-Schule in Berkum. Manchmal wünscht sich Sophia Thomas, dass es bei den großen Konzerten so zugehen würde, wie bei den Kinderkonzerten. „Wir sind doch alle Kinder. Warum muss die Moderation für Erwachsene langweiliger sein als bei den Kindern, immer alles so ernst?“ Jetzt, so kurz vor dem Konzert, werden noch zusätzliche Probentage eingeschoben, auch am Wochenende. Da müssen wir uns die Wochenenden frei halten. Wir haben auch schon von 10 bis 17 Uhr geprobt und waren dann in der Pause beim Italiener nebenan.
Mit dem Plakat für das Anton-Raaff-Konzert hadert Sophia Thomas. „Was haben die Koffer mit Romantik oder Nostalgie zu tun?“, sagt die begeisterte Kunstschülerin, und auch mit der Musikauswahl ist sie unzufrieden: „Warum ist der Wunsch von uns Jugendlichen abgelehnt und stattdessen der völlig unromantische Harry Potter ausgewählt worden? Wir wollten Herr der Ringe spielen.“
Trotz aller Begeisterung für die Musik kann sich Sophia Thomas nicht vorstellen, Instrumente beruflich einzusetzen. „Die Warnung meiner Eltern war eindeutig. Ich möchte aber etwas mit und für Menschen machen, für eine bessere Zukunft.“ Das Schild mit der Aufschrift „Wir brauchen eine lebenswerte Zukunft“, das sie als Schülerin stolz bei Freitagsdemonstrationen trug, hat sie aufgehoben. Doch Politik kommt nicht infrage.
Im Jugendrat engagiert
In Wachtberg hat sie sich im Jugendrat engagiert, war sogar stellvertretende Vorsitzende, doch enttäuscht beendete sie das Kapitel: „Ich hätte mich gerne für mehr Straßenbäume in Niederbachem eingesetzt, aber da wurden uns die Zuständigkeiten aufgezeigt und es ging plötzlich um Mini-Angebote für Jugendliche wie eine Graffiti-Wand. Das war alles total trocken, und die Politik ist zu weit von der Umsetzung weg. Ich rege mich schon auf, wenn Vernunft - die vermeintliche - angemahnt wird. Es geht doch darum, wonach man strebt. Und im Jugendrat hat mir das Mensch-zu-Mensch-Ding gefehlt.“
Darum will sich die junge Musikerin für ihr Berufsleben eine diplomatische und möglichst auch kreative Aufgabe suchen. Kunst und Englisch sind ihre Leistungskurse. Auch Spanisch hat sie gelernt, und so liebäugelt sie derzeit mit International Communication Management in Den Haag. Und wenn dann noch Zeit bleibt, würde sie gerne zum Ballett, oder einfach tanzen. „Aber Hobbys habe ich eigentlich genug, und mit dem Führerschein bin ich auch noch nicht allzu weit gekommen.“
24. Anton-Raaff-Konzert
Beim 24. Anton-Raaff-Konzert am 10. November treten ab 15 Uhr in der Aula des Berkumer Schulzentrums das Wachtberger Jugendorchester (unter Leitung von Leonhard Zimmer) sowie das Wachtberger Kammerorchester (unter Leitung von Markus Cella) gemeinsam mit der Sopranistin Maximiliane Schweda auf. „Nostalgie“ ist das Thema einer musikalischen Reise durch Oper, Operette und Musical.
Es erklingen Werke aus Musical und Film (Evita und Harry Potter), aus Operette (von Franz Lehár, Eduard Künneke und Paul Lincke) sowie aus Oper (Mozart und Verdi). Zuhörer wandeln an diesem Nachmittag durch „Schlösser, die im Monde liegen“, sie erleben mitten im November einen „Frühling in Sorrent“ und sind zu Gast bei der „Hochzeit des Figaro“, heißt es in der Ankündigung.
Eintrittskarten sind online und an der Tageskasse erhältlich. Sie kosten 15 Euro. Schüler, Auszubildende und Studierende zahlen zehn Euro. Kinder unter zehn Jahren haben freien Eintritt.