Einerseits sollen Verwaltungen immer mehr Aufgaben übernehmen, haben aber andererseits akuten Personalmangel. Das gilt auch für die Kommunen im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Die Rundschau gibt einen Überblick über die Situation in den Rathäusern.
Verwaltungen im Rhein-Sieg-KreisPersonalmangel in den Rathäusern und die Folgen
Bürgermeister Holger Jung hat die Situation in Meckenheim jüngst beispielhaft im Hauptausschuss dargestellt. Welche Kollegen in den anderen Rathäusern fehlen, darüber gibt eine Umfrage Auskunft. „Der Kampf um Köpfe ist voll entbrannt“, hatte es Jung auf den Punkt gebracht. Personalmangel einerseits und zusätzlicher Stellenbedarf andererseits kennzeichnen das Bild. Obgleich das Personal in den vergangenen sieben bis acht Jahren um rund 50 Stellen verstärkt wurde, bedürfe es weiterer 16 bis 20 Stellen, um zusätzliche Aufgaben qualitativ und quantitativ bewältigen zu können. Dem gegenüber stehen 32 unbesetzte Stellen, für die noch geeignete Leute gesucht werden.
Eine Krankenquote von mehr als zehn Prozent sei nicht schön, habe aber ihre Gründe, die Corona und einer allgemeinen Belastungssituation geschuldet sei. Rund 400 Mitarbeiter hat die Meckenheimer Stadtverwaltung insgesamt inklusive des Personals der Kindergärten. Das warf Fragen im Ausschuss auf: Warum ist es so schwierig, Personal zu akquirieren? Was kann die Lokalpolitik tun, um die Verwaltung zu unterstützen? Jung dazu: „In den größeren Kommunen wird mehr bezahlt, obwohl die gleiche Arbeit getan werden muss.“ In der Region gebe es zudem viele attraktive Stellen im öffentlichen Dienst, auf Landes- und Bundesebene und in den Ministerien. Mitarbeiter hätten „eine hohe Wechselbereitschaft“, zudem gebe es viele Renteneintritte.
Die Reaktion auf Stellenangebote sei unterschiedlich: Auf einige erhalte die Verwaltung viele Rückmeldungen auch von Quereinsteigern, auf andere nur spärliche Resonanz, so dass Stellen neu ausgeschrieben werden müssten: „Das macht sehr viel Mühe“. Im laufenden Jahr gebe es bis jetzt 42 Eigenkündigungen und Auflösungsverträge, hinzu kämen die Rentenaustritte. 2022 war das erste Jahr, in dem mehr Personal ging als dazukam.
Work-Live-Balance und mobiles Arbeiten
Zusätzliche Stellen werden benötigt in den Bereichen Bevölkerungs- und Klimaschutz, Grundsicherung und Wohngeld, Feuerwehr, Jugendhilfe und beim Gebäudemanagement. In ihrem Bemühen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, versuche die Stadt insgesamt zu punkten, indem sie die Aspekte Work-Live-Balance und mobiles Arbeiten sowie Teilzeitmodelle berücksichtige, führte der Verwaltungschef aus. Für immer mehr Menschen stehe die Karriere nicht mehr an erster Stelle, sie seien stattdessen um ein ausgewogenes Verhältnis von beruflichen Anforderungen und Privatleben bemüht.
Heimarbeitsplätze seien auf dem Vormarsch. Angeboten würden inzwischen mehr als 40 Teilzeitmodelle. Jung: „Wir sagen nicht nein, technisch ist alles möglich!“ Wenn es der Haushalt erlaube, werde im nächsten Jahr eine Arbeitgeberkampagne in Meckenheim starten, „um professionell am Markt zu bestehen“. Ziel sei auch, Meckenheimer für die Arbeit im Rathaus zu interessieren. „Wir wollen vor Ort fischen“, nannte es Jung. Nachwuchs könne außerdem über eine von der Stadt angebotene Ausbildung zum Bachelor im gehobenen Dienst gewonnen werden. Einsparmöglichkeiten sieht Jung im Bereich der Standards (Fristen, Bearbeitung von Anfragen außerhalb des politischen Raums) und den freiwilligen Leistungen. Wie ist die Lage in den anderen Kommunen?
Alfter
„Die Gemeinde Alfter konnte bisher alle ausgeschriebenen Stellen mit qualifiziertem und geeignetem Personal besetzen“, antwortet Maryla Günther, Leiterin des Bürgermeisterbüros. Den Personalengpass führt sie auf die „allgemein große Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften“ zurück. Personal zu gewinnen, werde zukünftig bei allen Behörden und Unternehmen eine große Rolle spielen. Punkten könne die Verwaltung, wenn sie ihr Arbeitgeberprofil schärfe und die Vorteile einer Mitarbeit in einer modernen, dienstleistungsorientierten Verwaltung aufzeige. „Ein grundsätzlicher Unterschied gegenüber Arbeitgebern aus der freien Wirtschaft ist sicher die Arbeitsplatzsicherheit“, so Günther. Weitere Merkmale wie Tarifgebundenheit, eine betriebliche Altersvorsorge und eine lebensphasenbezogene Arbeitszeitgestaltung gibt es auch. Die Gemeinde Alfter stellt außerdem jedes Jahr zwei Auszubildende ein.
Bornheim
„Die Personalsituation ist nicht unproblematisch“, heißt es aus der Bornheimer Pressestelle. „Aufgrund der vakanten Stellen und krankheitsbedingter Ausfälle – auch Langzeiterkrankter – ist eine ohnehin dünne Personaldecke belastend für die Kolleginnen und Kollegen. Die Fülle neuer und immer komplexerer Aufgaben und die Krisen der letzten Zeit haben die Situation verschärft.“ In Bornheim sind zurzeit 20 Stellen in der Verwaltung und 13 Stellen im Bereich der Kindertagesstätten vakant. In der Verwaltung fehlen die meisten Mitarbeitenden im Bereich Tiefbau- und Straßenverkehr, gefolgt von Bauaufsicht, Bauverwaltung und Denkmalschutz und im Bürger- und Ordnungsamt.
Was die Techniker und Ingenieure angehe, sei die Bewerberlage „allerdings besorgniserregend, da sich kaum oder gar keine Bewerber finden lassen“. Das hänge mit dem Fachkräftemangel und der erheblichen Konkurrenz der Arbeitgeber um die wenigen verfügbaren Fachkräfte zusammen. Darüber hinaus mache sich „die örtliche Nähe zu den großen Städten Köln, Bonn und Düsseldorf mit den Bundes- und Landesbehörden“ bemerkbar. Für sich werben möchte die Stadt Bornheim „mit modernen und recht flexiblen Arbeitszeitmodellen und Telearbeit. Außerdem bieten wir den Mitarbeitenden Jobticket und Bike-Leasing an.“
Im Bereich der technischen Berufe wird entsprechend den tariflichen Regelungen eine Fachkräftegewinnungszulage gezahlt. Um den technischen Bereich zu stärken und noch attraktiver zu machen, plant die Stadt zurzeit in Kardorf ein Technisches Rathaus, das den Anforderungen der modernen Arbeitswelt Rechnung trägt.
Swisttal
Zunächst das Positive: Die Gemeinde hat gerade erst drei Leitungspositionen neu besetzt, und zwar die Stabsstelle Wiederaufbau, das Schulamt und die Abteilung Katastrophenschutz und Feuerwehr. Ab 1. Januar kommen nochmal drei Kollegen neu hinzu. „Für 2023 stehen wieder zwei Ausbildungsstellen zur Verfügung“, erklärt Pressesprecher Bernd Kreuer. Dem gegenüber sind sechs Stellen ausgeschrieben: zwei im Sozialamt, eine im Fachbereich Gemeindeentwicklung, eine im Fachbereich Schulen, eine im Ordnungsamt und eine in der Gemeindeentwicklung. Für weitere drei Stellen wird zurzeit die Ausschreibung erarbeitet.
Kreuer: „Festzustellen ist, dass eine direkte Stellenbesetzung mangels geeigneter Bewerber in vielen Fällen nicht möglich ist, so dass erneute Ausschreibungen vorgenommen werden.“ Die Ausschreibungen erfolgen auf entsprechenden Plattformen sowie im Internet. Außerdem ist die Stabsstelle Personal auf Jobbörsen vertreten. Wie in allen Bereichen zeigt sich auch bei den Kommunen ein Fachkräftemangel. Hinzu kommen eine hohe Regelungsdichte sowie zusätzliche Aufgaben, die den Kommunen übertragen werden.“ Was zusätzlich schmerzt, ist, dass Mitarbeiter zurzeit in Containern arbeiten müssen, weil das Ludendorfer Rathaus stark von der Flut im Juli 2021 betroffen war. Es fehlen aktuell 800 Quadratmeter Bürofläche.
Wachtberg
Bei der Gemeinde Wachtberg fehlen derzeit 13 Mitarbeiter querbeet durch die Verwaltung: Ordnungsaußendienst, Elektrofachkraft, Erzieher, Bauhofmitarbeiter, Sachbearbeitung, Umwelt, Sachbearbeitung Soziales, Hausmeister, der Bauamtsleiter und ein Klimaschutzmanager fehlen. Miriam Teschner, die persönliche Referentin des Bürgermeisters, erklärt: „Weiterhin bleibt abzuwarten, ob sich der Stellenbedarf durch steigenden Aufgabenzuwachs vor allem im Bereich Asyl, Soziales und Kitabetreuung weiter erhöhen wird.“ Problematisch sei die „Konkurrenzsituation von uns als kleiner Gemeinde im Umfeld der größeren Städte, die zum Teil mehr bezahlen“. Auch die Stellen mit handwerklicher Ausrichtung würden derzeit in der freien Wirtschaft deutlich besser bezahlt. Teschner möchte mit anderen Vorzügen Interesse wecken: „Wir können nur mit wohnortnahem Arbeitsplatz punkten und bieten darüber hinaus Homeoffice, Jobticket und Jobrad an.“
„Wir lösen das Problem nicht im Gerichtssaal“
Ein Positionspapier zur Personalnot in den Kommunalverwaltungen hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund im Dezember herausgegeben. Darin heißt es. „Deutschland droht eine anhaltende Personalnot, die auch die Kommunen hart trifft, die immer mehr und bessere Leistungen für die Menschen erbringen sollen. Bis 2035 verliert Deutschland durch den demografischen Wandel sieben Millionen Arbeitskräfte und damit ein Siebtel des Arbeitsmarktes. In den nächsten zehn Jahren scheiden 573 890 Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen aus, das entspricht etwa 30 Prozent des Personals. (...) Wir müssen gegensteuern, mit einem attraktiven öffentlichen Dienst, einer Erhöhung der Erwerbsquote, konsequenter Qualifizierung von Erwerbslosen und der Zuwanderung von Fachkräften. Auch eine längere Arbeitszeit und eine größere Vielfalt bei Arbeitszeitmodellen können einen Beitrag leisten.
Im Ergebnis werden diese Anstrengungen das Problem etwas entschärfen, aber nicht lösen. Manche Regelungen und Leistungen sowie Rechtsansprüche müssen ausgesetzt oder gegebenenfalls aufgehoben werden. Das gilt zum Beispiel für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Er wird flächendeckend nicht umgesetzt werden können. Die über 100 000 erforderlichen Erzieherinnen und Erzieher gibt es nicht, und sie können auch nicht kurzfristig eingestellt werden. Ganz abgesehen von den finanziellen und räumlichen Herausforderungen. Das Ziel ist richtig, aber wir lösen das Problem nicht im Gerichtssaal.“ Und weiter: „Eine bisher noch zu wenig genutzte Chance für eine effektivere Verwaltung liegt in der Digitalisierung. Das setzt allerdings voraus, dass wir mehr Hilfe für die Kommunen beim digitalen Aufbau und der Sicherstellung der notwendigen Schnittstellen organisieren.“