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Erdbeerernte in Rhein-SiegViele Tonnen Erdbeeren bleiben ungeerntet

Lesezeit 4 Minuten
In den Stellagen der Familie Hensen in Swisttal ist die Erdbeerernte noch lange nicht abgeschlossen.

27.07.2023 In den Stellagen der Familie Hensen in Swisttal ist die Erdbeerernte noch lange nicht abgeschlossen.

Das Wetter hat frühe wie späte Erdbeersorten zur gleichen Zeit reifen lassen. Geschützte Kulturen müssen nun die Bilanz retten.

Die Erdbeersaison 2023 werden die Erdbeerbauern Irmgard und Ralf Hensen vom Fruchthof Hensen in Swisttal so schnell nicht vergessen. „Nach einem langen, kalten Frühjahr sind die Freilandkulturen im Juni in nur wenigen Wochen alle auf einmal reif geworden, die frühen Sorten genauso wie die normalen und die späten Sorten“, berichtet Ralf Hensen. Die eigentlich für zwei Monate eingeplanten Mitarbeiter hätten schon nach einem Monat wieder nach Hause fahren können.

„Wegen der großen Hitze im Juni und weil es einfach zu viel auf einmal war, konnten wir etwa 150 Tonnen Erdbeeren nicht abernten“, erklärt er. Während dieser heißen Wochen seien bis zu sieben Lastwagen voller Erdbeeren täglich vom Hof gefahren: „Da sind wir hier alle wirklich an unsere Grenzen geraten.“

Trotzdem ist das Ehepaar mit der Saison „bisher ganz zufrieden“, wie Irmgard Hensen sagt. Die Nachfrage sei wirklich gut gewesen. Im Vergleich zum Vorjahr hätten die Preise gehalten werden können. „Uns ist es wichtig, dass sich die Verbraucher die Erdbeeren auch weiterhin noch leisten können“, erklärt die Landwirtin. Erdbeeren sollen ihrer Meinung nach nicht zu einem Luxusgut werden, das am Ende so wertvoll ist, dass es sich kein Mensch mehr leisten kann. Umgekehrt bedeute dies für das Unternehmen kleinere Gewinne. „Aber das nehmen wir hin“, erklärt Irmgard Hensen.

Am liebsten isst Irmgard Hensen die roten Früchte direkt vom Busch.

Am liebsten isst Irmgard Hensen die roten Früchte direkt vom Busch.

Erdbeeren sind auf dem Fruchthof Hensen von April bis Ende November zu haben. Der Erdbeeranbau in geschützten Anlagen fange die reduzierten Erträge der Freilandernte ein wenig auf, sagt Hensen. Auf etwa 150 Kilometern Länge reifen die letztlich roten Früchte auf den Stellagen des Hof Hensen heran, und zu einem beachtlichen Teil bereits unter Dach.

Es gibt das klassische Gewächshaus, aber auch eine Kombination aus Freiland und Hagelschutz. Hensen nennt diesen Anbau in geschützten Stellagen die „hängenden Gärten“. Bei diesen Stellagen sind die Beete in idealer Pflückhöhe angebracht.

Erst im vorigen Jahr hatte der Betrieb seinen Freilandanbau von 160 Hektar auf etwa 50 Hektar reduziert und dafür eine weitere, etwa acht Hektar große Stellagen-Anlage errichtet. Dort läuft die Ernte derzeit richtig gut. Parallel werden in den Gewächshäusern neue Erdbeerpflanzen gesetzt. Sie sollen bis Ende November erntereif sein.

Von bis acht Prozent weniger Ernte in Bornheim-Waldorf

Der Landwirt Karl-Heinz Steiger vom Gemüsehof Steiger aus Bornheim-Waldorf beschreibt die Erdbeersaison als „normal bis gut“. „Auch die Nachfrage war gut“, sagt Steiger. Selbst in der heißen Phase des Jahres, im Juni, hätten alle Erdbeeren gepflückt werden können. Insgesamt sei die Ernte jedoch um fünf bis acht Prozent kleiner als im vergangenen Jahr ausgefallen: „Das könnte an der neuen Sorte gelegen haben, oder aber auch am kalten Frühjahr, sodass einfach weniger Blüten an den Büschen waren.“ Mitunter kämen in solchen Fällen oft mehrere Faktoren zusammen. Grund zur Sorge bereite ihm das jedoch nicht.

Also bleibt unter dem Strich trotz diverser Einbußen landauf, landab eine breite Zufriedenheit. Dies bestätigt auch der Diplom-Agraringenieur Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer des Provinzialverbands rheinischer Obst- und Gemüsebauern. Wörtlich klingt das kurz und knapp so: „Die Erdbeerbauern im Rheinland sind zufrieden“. Die Saison 2023 sei bisher auf jeden Fall besser als im Jahr 2022 und somit auch besser als befürchtet gewesen, fasst Muß zusammen. Es sei sogar gelungen, die Preise wegen der erheblich gestiegenen Kosten der Landwirte anzuheben. Seit dem 1. Oktober vorigen Jahres liege der Mindestlohn ja bei zwölf Euro; Kosten für Energie und anderes seien erheblich gestiegen. „Das alles kam jetzt bei der Erdbeerernte so richtig zum Tragen“, erklärt Muß.

Sollte die Politik den Mindestlohn jetzt noch weiter anheben, dann wird es in Deutschland bald keinen Beerenanbau mehr geben
Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer des Provinzialverbands rheinischer Obst- und Gemüsebauern

Die Lage beschreibt er allerdings als ernst. „Sollte die Politik den Mindestlohn jetzt noch weiter anheben, dann wird es in Deutschland bald keinen Beerenanbau mehr geben“, befürchtet Muß. Denn wenn die Beeren nicht mehr kostendeckend geerntet werden können, bliebe das Obst hängen. Aufgrund der von vielen Landwirten reduzierten Anbauflächen sei auch ein deutlicher Rückgang der Erntemenge zu beobachten. „Einige Landwirte haben ihre Erdbeerfelder sogar ganz stillgelegt“, weiß Muß.

Gleichwohl möchte er das Ende der Saison erst einmal abwarten, bevor er Zahlen zum Ernterückgang nennt. Das Statistische Landesamt NRW ist diesbezüglich schon weiter. Erst vor ein paar Tagen hat es Zahlen veröffentlicht, wonach alleine im Jahr 2023 ein Ernterückgang von Erdbeeren von 8,6 Prozent im Vergleich zu 2022 zu beobachten sei, gegenüber zum Jahr 2020 sei die Erdbeerernte sogar um 26,6 Prozent niedriger ausgefallen.