Vom Landwirt zum Baustoffspediteur und über die Papierverwertung zum modernsten Entsorger Europas mit immer noch neuen Technischen Höchstansprüchen: Hündgen Entsorgung wird 75 Jahre alt.
Vor 75 Jahren gegründetRecycling-Spezialist Hündgen feiert Jubiläum in Swisttal
Als Peter und Anna Hündgen in Ollheim von der Landwirtschaft ins Transportgewerbe wechselten, ist trotz der Währungsreform oft noch in Naturalien statt in Mark gezahlt worden. 1949, also in dem Jahr, nachdem es das neue Geld gab, begannen die beiden damit, Lebensmittel von Ollheim aus mit dem Traktor auf Märkte im Kölner Umland zu bringen. Auf der Rücktour luden sie in Brühl Briketts auf, die Annas Vater in einem Werk in Köln als Lohn erhalten hatte, und so bestand auch ihr Lohn zum Teil aus dem schwarzen Heizmaterial.
Das Unternehmen rechnete sich. Das Paar vergrößerte den Fuhrpark und transportierte bald Baumaterial. Dann ergab sich ein Glücksfall: Der alte Besitzer der Kiesgrube bei Ollheim hatte seinen Besitz verspielt, und der neue Eigentümer überließ ihn Hündgen 1962, erst in Pacht, dann per Kauf. Anfangs ging es um den Kies für Bauvorhaben, doch als die 30 Meter tiefe Grube erschöpft war, bot sie sich für eine neue Unternehmung an: als Deponie.
Die Familie Hündgen hat einen Riecher für neue Chancen und entdeckte so das Thema Entsorgung für sich. In den 80er Jahren fiel zunächst die unglaubliche Menge an Kartonage auf, die in Kaufhäusern wie Herti und Kaufhof anfiel, aber auch beim Papierhersteller Procter&Gamble. Eine Sortieranlage für diese Abfallart ermöglichte den Handel mit Papieranteilen.
Und mit dieser Erfahrung war das vergleichsweise kleine Unternehmen bestens gerüstet, als in den 90er Jahren eine Rücknahmepflicht für Umverpackungen gesetzlich verankert wurde, die vorgab, Verpackungen aus Kunststoff zu sortieren und weiterzuverarbeiten, statt sie zu verbrennen oder zu deponieren. Aus der Erkenntnis, dass die Leichtverpackungen nicht im Geschäft zurückgenommen werden konnten, entstand das Duale System Deutschland mit seiner gelben Tonne, die heute eigentlich jeder Haushalt hat. Bei Hüdgen wurde der Inhalt der Tonnen aus weitem Umkreis zusammengetragen und sortiert - zunächst von Hand. Mit etwas Maschinenunterstützung und ausgeklügelten Arbeitsabläufen gelang dem Ollheimer Unternehmen eine Sortierung von 6,5 Tonnen Leichtverpackungen in der Stunde.
Die Deponie wurde gerade rechtzeitig voll, als der Bedarf nach weiteren Hallen akut wurde. Sie boten Raum für die Produktion eines Ersatzbrennstoffs (EBS) mit hohem Brennwert für die Zementindustrie. Die Basis dafür: die Reste der ausgeschlachteten Leichtverpackungen. Dieser EBS wird heute an Zementwerke im Umkreis von 300 Kilometern geliefert.
Als die Bundesregierung die zweite Stufe der Verpackungsverordnung ausrief, zog Hündgen wieder mit. So entstand in Ollheim 2018 die damals modernste Sortieranlage Europas. Ihre Kapazität genügte für die Verarbeitung des Mülls aus drei Millionen Haushalten, was etwa 100.000 Tonnen an Leichtverpackungen im Jahr bedeutet.
Die aktuell modernste Anlage erzeugt „Regranulat“, also Bröckchen aus zerkleinertem, gewaschenen, getrocknetem und zusammengeschmolzenem Kunststoff. Das ist der Baustoff für PP- und PE-Folien - Polypropylen und Polyethylen. In diesem Fall dient der aus Abfall gewonnene neue Werkstoff zur Herstellung von Fußbodenbelägen.
Die Pläne für den weiteren Ausbau der Entsorgungsfirma sind groß. Der Arbeitstitel „Grüne Mine“ steht für einen Gewerbepark, der mit 50 Hektar noch deutlich größer als der bebaute Teil von Ollheim sein soll. In Zusammenarbeit mit der Wissenschaft soll das Areal Raum für Firmen geben, die aus Abfall neue Produkte schaffen. Nachhaltigkeit für Rohstoffe und Energie auf engstem Raum, also ohne große Transportwege, ist die Vorgabe.
Firmensprecher Marc Schönn berichtete der Rundschau von einem guten Zuspruch aus der Politik für das Vorhaben. Sie sei hellauf begeistert. Allerdings lasse sich die zeitliche Perspektive für eine Verwirklichung noch nicht in Jahre fassen. Dies könne durchaus noch 25 Jahre dauern, oder auch sehr schnell gehen - je nachdem, wie sich politische Rahmenbedingungen veränderten. Mögliche Partner an Hochschulen seien gefunden.
Außerdem wird an neuer Technik für die Sortierung geforscht. Im Zusammenspiel mit dem niederländischen Unternehmen Bollegraaf geht es gerade um einen Sortierroboter namens Robb. Der muss aber noch viel lernen. Zwar läuft die Konfiguration einer Künstlichen Intelligenz (KI) laut Schönn schon gut, aber der Roboter tue sich schwer mit den Resten in Joghurtbechern. „Die Greifarme haben Saugnäpfe, und Joghurt verstopft die Düsen“, erklärte Schönn.
In jüngerer Zeit hat Hündgen mehrfach durch Brände in den Sortierhallen auf sich aufmerksam gemacht. Schönn hat die Erklärung dazu: „Das ist ein Branchen-Problem. Es kommt häufig vor, dass Menschen Batterien in Spielzeug vergessen, wenn sie es wegwerfen, oder bei Grußkarten nicht an eingebaute Batterien denken. Aber Alkalimetalle reagieren mit Wasser.“ So entstehe ganz leicht im vollautomatischen Sacköffner Feuer. Detektoren gebe es nicht, darum sei bei der Brandbekämpfung nachgerüstet worden. Schönn: „Aus Löschturbinen, die mal entwickelt wurden, um aus Wasser Skipisten zu erzeugen, sind effektive Löschkanonen für unsere Zwecke geworden.“ Eine automatische Flammenerkennung löst im Fall des Falles einen Löschnebel aus feinsten Tröpfchen aus, zudem hätten die Werfer Kameras und sonderten beim Erkennen bestimmter Merkmale sofort ein Wasserschaumgemisch ab. Parallel wird jedes Mal das Erkundungsteam der Swisttaler Feuerwehr verständigt.
Trotz solcher Gefahren ist die Zukunft des Unternehmens mit seinen derzeit 140 Mitarbeitern, von denen nur eine Hand voll nicht am Firmensitz in Ollheim arbeitet (es gibt eine Außenstelle in Bonn-Beuel), über viele Jahre vorausgeplant.
Offene Tür am 15. Juni 2024
Besucher sind zum Jubiläumsfest am Samstag, 15. Juni, auf dem Firmengelände von Hündgen Entsorgung in Ollheim willkommen. Das Motto: „Mülltrennung beginnt bei jedem und wir möchten Ihnen zeigen, warum – wieso – weshalb!“
Einlass ist ab 13 Uhr, von 14 bis 15.30 Uhr werden Reden gehalten. Das ist wegen der hochkarätigen Gästeliste so lang. Christian Hündgen und sein Vater Winfried W. Hündgen haben etwas über die Gründung der Firma durch ihren Vater und Großvater zu sagen. NRW-Umweltminister Oliver Krischer steht auf der Rednerliste, ebenfalls Landrat Sebatian Schuster, die Swistaler Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner sowie Eric Rehbock als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung.
Gleich im Anschluss beginnt die erste Werksführung. Und dann heißt es bis 18 Uhr immer wieder: „Erleben Sie aus nächster Nähe, wie aus Ihren Verpackungsabfällen neue Produkte werden!“
Damit es Kindern nicht langweilig wird, gibt es Hüpfburgen, und Schminkaktion. Zudem ist etwas Lehrreiches für die Kleinen vorgesehen, in Form von Herrn Stinknich, das ist ein Umweltpädagoge mit kabarettistischer Ader und einigem Wissen darüber, wie mit Abfall richtig verfahren wird.