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KlimaneutralitätAuftaktworkshop in der Gemeinde Swisttal bringt eine Fülle von Anregungen

Lesezeit 6 Minuten
Auftaktworkshop der Gemeinde Swisttal zur Erstellung des Klimaneutralitätskonzepts: Arbeitsgruppe Klimabildung mit Alexandra Bohlen, Interkommunale Klimaschutzmanagerin für die Klimaregion Rhein-Voreifel (3.v.rechts).

Auftaktworkshop der Gemeinde Swisttal zur Erstellung des Klimaneutralitätskonzepts: Arbeitsgruppe Klimabildung mit Alexandra Bohlen, Interkommunale Klimaschutzmanagerin für die Klimaregion Rhein-Voreifel (3.v. rechts).

Bei dem Auftaktworkshop der Gemeinde Swisttal zum Klimaneutralitätskonzept standen unter anderem günstige Bus-Tickets auf dem Wunschzettel.

Viele Autos parkten am Ludendorfer Dorfhaus. Bürger aus ganz Swisttal waren zum Auftaktworkshop der Gemeinde gefahren – ausgerechnet zur Erarbeitung eines Klimaneutralitätskonzeptes. Der Individualverkehr wird ein Thema für das Konzept sein, an dem Kommunen der Klimaregion Rhein-Voreifel und Fachleuten vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) arbeiten. Das Ziel: Energie einsparen und Emissionen wie den CO₂-Ausstoß weiter verringern. Es geht auch darum, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen und Maßnahmen zu erarbeiten.

Bis Ende des Jahres soll das Konzept fertig sein und den Kurs im Klimaschutz in der Region vorgeben. Kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern werden festgelegt. Mit Blick vor die Tür stellte Swisttals Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner fest: „Da ist wieder eine beachtliche Anzahl mit dem Auto gekommen, das war bestimmt nicht klimaneutral.“ Das Wichtige sei jedoch: „Sie sind da und interessieren sich für das Thema, ein ganz zentrales Thema für uns, nicht nur, weil es ein Gesetz dazu gibt.“

Gemeinde Swisttal will Klimaneutralität bis 2045

Die Swisttaler Ratsfraktionen hatten 2022 schon festgelegt, dass die Gemeinde bis 2045 klimaneutral sein muss. „Wir wollen ein Zeichen für uns setzen und sagen: Wir wollen uns aktiv mit einem Beschluss binden und zur Klimaneutralität beitragen.“ Dazu sei in der Vergangenheit schon einiges getan worden, doch müssten nun erneut Anstrengungen unternommen werden, „weil uns die Zeit wegläuft“. Im aktuellen Haushaltsplan ist Klimaneutralität als „das herausragende Ziel“ kenntlich gemacht.

Neben dem Leitziel „Seid sparsam mit der Ressource Geld“ heiße es jetzt auch: „Geht sorgsam mit dem um, was Ihr auf Eurer Welt habt.“ Dank des neuen Fachgebietes „Klima und Umwelt“ sei schon in der Verwaltung spürbar, „dass dieses Thema wirklich an Position eins gerückt ist“. Förster, Ehrenamtler vom Projekt Klimaschutz in kleinen Kommunen und Stadtteilen (KlikKS), Vertreter der Ratsfraktionen und der Verwaltung sowie des fraktionsübergreifenden Arbeitskreises „Klima und Umwelt“ um seinen Leiter Bernd-O. Großmann machten mit. Kalkbrenner forderte „Ideen, Vorschläge und Perspektiven“ ein. Professor Hermann Schlagheck, Koordinator des „KlimaPatenNetzwerkes“, appellierte an die Runde, bei der Formulierung und Zusammenfassung der Ideen nicht die Realisierung zu vergessen: „Ich habe Sorge, dass es wieder so ausgehen könnte wie bei vielen Veranstaltungen vorher, bei denen nichts rausgekommen ist.“

Kalkbrenner stellte klar, dass es nicht bei Konzepten bleiben soll. Die Flutkatastrophe 2021 habe viele wachgerüttelt, und die Bereitschaft sei da, sich des Themas anzunehmen. Die Straßfelderin Angela Austermann von „Parents for Future Bornheim/Swisttal/Weilerswist“, die auch Klimaschutzpatin in der Gemeinde ist, hätte gerne „weniger Interessenvertreter“ bei der Veranstaltung gesehen und dafür „mehr normale Bürger“. Außerdem wünschte sie sich mehr Unterstützung für ihre Arbeit: „Ich kann als einzige Klimapatin nicht alles stemmen.“

Klimaneutralitätskonzept

Um an das gesetzlich vorgeschriebene Ziel zu gelangen, müssten Treibhausgasemissionen gesenkt werden, was eine Analyse des Ist-Zustandes in den Kommunen notwendig mache, erläuterten Diplom-Ingenieur Michael Müller und Eike Zender vom IfaS, das seinen Sitz am Umwelt-Campus Birkenfeld hat. Referenz sei das Jahr 2019 im administrativen Raum der Kommune. Das Klimaschutzgesetz des Bundes verlangt Klimaneutralität bis spätestens 2045, schon bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken.

Mit neuen Grenzwerten für die Luftreinhaltung sei also zu rechnen, ebenso mit einer Mitwirkungspflicht für kleine Unternehmen und die Bevölkerung. Müller: „Wir haben einen überwiegend fossil erzeugten Energieverbrauch, unsere Gebäude sind oft ineffizient und auch die negativen Auswirkungen von Flussbegradigungen sind bekannt.“ Vor der Kompensation der Emissionen stünden Reduzieren und Vermeiden. Dringenden Handlungsbedarf sah der Ingenieur bei privaten Haushalten und beim Verkehr, die Hauptverursacher umweltschädlicher Emissionen in Swisttal seien.

Energiebilanz und Treibhausgas

Von den 61.000 Megawattstunden (MWh) Strom, die 2019 in Swisttal verbraucht worden seien, entfielen 53,2 Prozent auf Gewerbe, Handel, Dienstleistung sowie Industrie, 45,5 Prozent auf private Haushalte und 1,3 Prozent auf Gemeinde-Liegenschaften. Der Anteil des Stroms an erneuerbaren Energien habe mit 27,6 Prozent weit unter dem Bundes- (41,9 Prozent) und dem Landesdurchschnitt (16,2 Prozent) gelegen. Am Gesamtwärmebedarf von 167.600 MWh hätten private Haushalte einen Anteil von 85,1 Prozent, Gewerbe, Handel, Dienstleistung sowie Industrie 12,5 Prozent, die Gemeinde 2,4 Prozent.

Die größten Verursacher von Treibhausgas (THG)-Emissionen sind in Swisttal Verkehr (56 Prozent) und private Haushalte (30 Prozent). 2019 seien in Swisttal rund 163.900 Tonnen Treibhausgas ausgestoßen worden, was bei einer Zahl von damals etwa 19.600 Einwohnern mehr als acht Tonnen pro Bürger entspreche. Bundesschnitt sind 9,7 Tonnen. Laut Experten sei weltweit ein Pro-Kopf-Ausstoß von maximal einer Tonne CO2-Äquivalenten zu erreichen, um die zunehmende Erwärmung der Erde aufzuhalten.

Aus den Arbeitsgruppen

Eike Zender vom Fachbüro IfaS stellt im Ludendorfer Dorfhaus die Workshop-Phasen vor.

Eike Zender vom Fachbüro IfaS stellt im Ludendorfer Dorfhaus die Workshop-Phasen vor.

Zu den Themenfeldern erneuerbare Energien/Energieeffizienz und nachhaltige Versorgungslösungen trug Michael Müller die Ideen der Teilnehmer zusammen. Energie einzusparen sei „das dickste Brett, das gebohrt werden muss“. Erneuerbare Energien und die Infrastruktur dafür sollte ausgebaut werden, zum Beispiel mit „Windkraft-Repowering“, indem alte Anlagen durch weniger, aber leistungsstärkere ausgetauscht würden. Bei Fotovoltaik solle der Fokus auf Freiflächenanlagen liegen, also nicht an einem Gebäude, sondern ebenerdig.

Nachhaltige Mobilität

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sei in den vergangenen Jahren gut ausgebaut worden, doch bereiteten Takt und Preis Probleme, brachte es Moderator Eike Zender auf den Punkt. Günstige Nahverkehrstickets sollten kommuniziert und Strecken für Radler ausgebaut werden, wünschten sich die Bürger. Angeregt wurden Halteverbote an Schulen und Fußverkehrskonzepte.

Wichtig sei die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung für zum Beispiel Fahrgemeinschaften oder kombinierte Lieferangebote, um den Individualverkehr zu reduzieren, so Zender. Bei der Erschließung von Gewerbegebieten könne der Pendlerverkehr durch Home-Office-Angebote der Unternehmen verringert werden. Im Bereich des Car-Sharings sollten Genossenschaften gebildet werden, um klimaschonende Mobilitätslösungen anzubieten.

Klimabildung

Wichtigster Punkt der Klimabildung sei die Kommunikation, waren sich die Teilnehmer um die Interkommunale Klimaschutzmanagerin Alexandra Bohlen einig: „Das, was wir brauchen, wissen wir schon. Es muss nur möglichst früh zu den Menschen gebracht werden.“ Vorhandene Angebote sollten verstärkt präsentiert werden, um auch diejenigen zu erreichen, die sich noch nicht so engagierten. Mit neuen Aktionen auch für Kinder solle in Zukunft Wissen mit Spaß vermittelt werden, zum Beispiel bei Waldspaziergängen, Exkursionen und Vor-Ort-Aktionen.

Natürlicher Klimaschutz/ Kompensation

Ziel ist der Schutz von Artenvielfalt sowie der Schutz vor Starkregen und Überschwemmung sowie vor Hitzebelastung, Trockenheit und Dürre. Die Mittel dazu seien CO₂-Bindung, Wasserrückhaltung und Bodenschutz. Auf Forst- und landwirtschaftlichen Flächen sollten Bäume und Hecken gepflanzt werden. Mit Informationen wie Handzetteln und Wettbewerben solle den Schottergärten Einhalt geboten werden. Kommunen, Verbände und Vereine sowie private Haushalte und die Wald- und Forstwirtschaft sollten eingebunden werden.

Weiteres Vorgehen

Anknüpfend an den Auftaktworkshop Klimaneutralität wird eine Online-Umfrage gestartet, bei der alle Interessierten ihre Gedanken, Ideen und Maßnahmen-Vorschläge zu den Themen Klimaschutz und Klimaneutralität für die Gemeinde Swisttal einbringen können.

Der nächste Termin: Die Akteure vom Projekt Klimaschutz in kleinen Kommunen und Stadtteilen, laden für Donnerstag, 16. Mai, 19 Uhr, zu einem Treffen in die Europaschule Bornheim ein, Goethestraße 1. Treffpunkt ist auf dem Parkplatz. Eine Anmeldung wird erbeten und zwar per Mail an info@klikks-rhein-voreifel.org.