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Swistal-HeimerzheimWie Heimerzheimer die dramatischen Tage erleben

Lesezeit 4 Minuten

An der Kölner Straße stehen Autos und ein Wohnwagen, die von den Wassermassen ineinander verkeilt wurden.

Swisttal – Beim Anblick der verheerenden Ausmaße der Flutkatastrophe in Heimerzheim schlagen viele Anwohner die Hände über dem Kopf zusammen. Einigen schießen die Tränen in die Augen. Autos und Wohnwagen liegen teilweise zertrümmert aufeinander, wo sonst reges Treiben zwischen Metzgerei und Apotheke auf der Kölner Straße herrscht.

Der Einsatz ist groß, das THW ist vor Ort, die Feuerwehr und Rettungskräfte, die DLRG und auch die Polizei, die unter anderem die Gullideckel am Straßenrand öffnet, und den Schutt heraus schippt, damit das Wasser wieder in die Kanalisation ablaufen kann. Vor den meisten Häusern versammeln sich einige Dorfbewohner und unterstützen sich gegenseitig bei den Aufräumarbeiten.

Noch keine Rückkehr

Überall stehen Notstromaggregate, aus jedem Haus kommen Schläuche, durch die Wasser abgepumpt wird. Die Keller stehen auch am Samstag noch voll. Eine offizielle Meldung, dass die Heimerzheimer wieder in ihre Häuser zurück können, hat es nicht gegeben, seit dem die meisten zwischen Mittwochnacht und Freitagmorgen evakuiert und in die Turnhalle der Georg-von-Boeselager-Schule oberhalb des Ortes gebracht wurden. Dennoch laufen die Aufräumarbeiten überall auf Hochtouren. Mittendrin ist Benedikt Fischenich. Mit seinem Bruder und Freunden aus Köln räumt er alles aus dem Erdgeschoss seines Elternhauses an der Bachstraße aus. Schubladen, Regalbretter, Kunst wie hölzerne Masken, alles ist verschlammt und wird am Rand des der Swist aufeinander gestapelt, die zurück gegangen ist. Ein besinnlicher Bach wie vor der Katastrophe ist sie noch nicht wieder, aber der Rückgang des Wassers ins Flussbett legte die Zerstörung frei.

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Anwohnerin Petra Schaaf vor ihrem Haus in Heimerzheim gegenüber der Kirche St. Kunibert.

Fischenich war fast durchgehend zu Hause und berichtet von anderthalb Tagen im Obergeschoss. Am Mittwoch kam das Wasser, „Donnerstag folgte dann noch eine Art Schlammwelle“, schildert er: „Ich hatte Panik, ich wusste nicht, wo meine Eltern sind, ich wusste nicht, was uns noch droht, da wir wie abgeschnitten waren und keine Kommunikation möglich war.“ Er erzählt, dass das Wasser rapide angestiegen ist und er schnell die Treppe rauf flüchtete. „Zwei Stufen konnte ich aus dem ersten Stock noch sehen, der Rest stand unter Wasser.“

Thomas Graf (r.) koordiniert Helfer und Hilfe vor der Bücherei an der Bachstraße.

Erst um kurz nacht 0 Uhr am Freitagmorgen war die Flut soweit zurückgegangen, dass er das Haus verlassen konnte. Anderthalb Tage hatte er ohne Strom, ohne Essen und ohne Verbindung nach Außen verbracht. „Mein Bruder kam bis zum Haus und wir sind dann durch das hüfthohe Wasser gewatet und hoch zur Sporthalle gelaufen.“

Ähnlich erging es auch Petra Schaaf, die praktisch um die Ecke der Familie Fischenich, gegenüber der Kirche in Heimerzheim wohnt. „Wenn man es als Albtraum beschreibt, ist das noch geschmeichelt“, sagt die Heimerzheimerin: „Als das Wasser aus dem Keller nach oben drang hat mein Mann nur noch geschrien: ,Lauf!‘ Ich habe mir noch Bilder und Papiere geschnappt und wir sind rauf in den ersten Stock. Fünf Stufen konnten wir noch sehen, da hörte das Wasser auf zu steigen. Dort waren wir den ganzen Donnerstag und beobachteten, wie um uns herum die Menschen mit Helikoptern evakuiert wurden.“ Auch die Familie Schaaf bahnte sich dann am Freitag einen Weg durch das noch hüfthohe Wasser zur Turnhalle. „Es gab allerdings keine Durchsagen, keine Informationen. Also sind mein Mann und sein Bruder wieder runter, als das Wasser weg war. Dann haben wir auf eigene Faust angefangen aufzuräumen.“ Vor der Tür stehen bereits die matschigen Waschmaschinen und Trockner, alles was nicht mehr brauchbar ist, wird vor der Tür gestapelt. „Wer den ganzen Müll abholen kommt, dass wissen wir noch nicht“, sagt sie.

Teile der unterspülten Fahrbahn der A 61 sind einfach weggebrochen.

Petra Schaaf spricht auch von gemischten Gefühlen. „Auf der einen Seite ist es einfach nur traurig, wir sind schockiert und verzweifelt, aber eine gewisse Aufbruchstimmung herrscht auch. Es ist schwer einzuordnen, da überall Chaos herrscht und wir auch zunächst gar nicht wussten, wo wir anfangen sollten. Und wie es jetzt weitergeht und ob wir das jemals wieder so hinbekommen wie vorher, das wissen wir gar nicht.“

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Nur einige Meter entfernt stehen Stefan Mayer und Thomas Graf vor der Bücherei St. Kunibert, deren Fenster zerstört sind. Mit Biertischen haben die zwei dort Freitagnacht eine Anlaufstelle eingerichtet. „Hilfe und Helfer“ steht auf selbst gemachten Plakaten. „Das Ganze ist aus einer Whatsappgruppe entstanden. Wir wollten die Hilfe koordinieren“, erklärt Mayer. Er berichtet von Helfern, die aus Bremen und Gummersbach nach Heimerzheim gekommen waren. Thomas Graf führt eine Liste mit kleinen gelben Klebezetteln. Jedes Hilfsangebot und jede Anfrage wird notiert und sobald möglich an die Helfer weitergegeben oder gleich per Handy organisiert. „Notstromaggregate, Pumpen, all das wird überall gebraucht. Aber ist der eine Keller ausgepumpt, werden die Sachen auch gleich an den Nachbarn weitergegeben. Und Essen und Trinken kam dann einfach dazu. Jeder hat was hingestellt, ob Getränke oder Brötchen. Im Dorf hält man zusammen.“

Wer helfen will, meldet sich an der Koordinationsstation von Stefan Mayer und Thomas Graf, die von der Bücherei St. Kunibert aus versuchen, zu organisieren.