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Mutig seinen Träumen folgenSwisttalerin schreibt Drehbuch zu Film über ein Transmädchen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann kniet neben einem Mädchen im Gras.

Vater und Tochter im Film „Einfach Nina“: Martin (Ulrich Brandhoff, re.) und Nina (Arian Wegener, li.).

Die Odendorferin Angela Gilges hat mit zwei Co-Autoren das Drehbuch zum Film „Einfach Nina“ geschrieben, in dem es um das Transmädchen Nina geht. Ausstrahlung ist am Freitag in der ARD.

„Wer ist denn diese Nina?“, fragt Mutter Simone. Nina schaut kurz auf, sie ist mit ihrem Müsli beschäftigt: „Hm?“ Ihre Mutter lässt nicht locker: „Na, wer sie ist?“ Und Nina antwortet lässig: „Na, ich!“ Mit diesem kurzen Dialog machen die Drehbuchautoren Angela Gilges, Karin Heberlein und Christopher von Delhaes deutlich, wie selbstverständlich für das achtjährige Transmädchen Nina ihre weibliche Identität ist. Sie problematisiert nicht, sie ist „einfach nur Nina“.

Schwierigkeiten mit der Verwandlung des Grundschülers Niklas in Nina entstehen hauptsächlich in der Wahrnehmung der Gesellschaft. „Nina selbst hat keine große Entwicklung zu machen, sie will einfach so sein dürfen, wie sie sich fühlt“, bringt es die Odendorfer Autorin Angela Gilges auf den Punkt. „Einfach Nina“ ist darum auch der Titel einer zeitaktuellen und berührenden Familiengeschichte um geschlechtliche Vielfalt, Akzeptanz und Zusammenhalt, die am kommenden Freitag, 6. Oktober, um 20.15 Uhr zum ersten Mal in der ARD ausgestrahlt wird. Bereits seit dem 4. Oktober ist der Film in der Mediathek der ARD zu sehen.

Einfühlsam verschiedene Widerstände thematisiert

Angela Gilges sitzt vor einem Laptop und lächelt in die Kamera.

Der Odendorfer Autorin und Ehrenamtlerin (LEADER - die Bäche der Swist) Angela Gilges bei ihrer Arbeit am Drehbuch 'Einfach Nina'.

Autorin Angela Gilges ist in der Region bisher vor allem durch ihr Engagement um das EU-Förderprogramm „LEADER“ für die „RegionVoreifel – Die Bäche der Swist“ bekannt. Mit ihrer kleinen „Schreibfamilie“, wie sie ihre Mitautoren nennt, hat die 41-Jährige nun ein Drehbuch geschrieben, das im vergangenen Jahr in Berlin verfilmt wurde. Der Film war bereits beim Hamburger Filmfest 2022 für den Produzentenpreis nominiert, bei den Filmtagen Oberschwaben erhielt er den Preis für den besten Fernsehfilm.

Einfühlsam und in mehreren Etappen beschreibt das Autorenteam, wie Nina ihre Selbstbestimmung gegen alle Widerstände auch im eigenen Zuhause durchsetzt. Mit der Geschichte habe sie kein Drama schreiben wollen, sagt Gilges: „Wir wollten ernst, aber hoffnungsvoll erzählen.“ Das bedeute jedoch nicht, dass der Weg nicht steinig gewesen sei: „Wir haben das Thema sehr ernst genommen.“ Ausgangspunkt für „Einfach Nina“ sei das Bedürfnis gewesen, ihren Erlebnissen in ihrem Umfeld eine Stimme zu geben. Nahezu alles, was im Film passiert, habe einen realen Hintergrund und sei durch weitere Recherche von den Autoren zu einer einzigen fiktiven Familiengeschichte verdichtet worden, beschreibt Gilges den Entstehungsprozess, der sich über mehrere Jahre hinzog.

„Für uns ist ‚Einfach Nina‘ eine sehr universelle Geschichte, in der es im Kern um die Frage geht, wie man es schaffen kann, die engsten Menschen in seinem Umfeld und insbesondere Kinder so anzunehmen, wie sie sind: frei von gesellschaftlichen Zwängen, Erwartungen des Umfelds und eigenem Erfolgsdruck.“ Zwar gehe es zunächst um das Thema der transgeschlechtlichen Menschen, die sich wie etwa Nina als Mädchen fühlen, obgleich bei ihrer Geburt ein männliches Geschlecht im Register eingetragen wurde, doch nicht nur. „Es geht darum, sich generell dafür zu öffnen, wer das Kind eigentlich ist - und das ist eine Herausforderung, die alle Eltern kennen.“

Frage nach der eigenen Identität

Ein Mädchen steht mit ausgebreiteten Armen.

Die achtjährige Nina wird im Film selbstbewusst und lebenslustig von dem zur Zeit des Drehs erst neunjährigen Arian Wegener gespielt (Foto).

Einfache Lösungen gebe es weder im Film noch im Leben: „Jeder muss sich selber auf den Weg machen und seine eigenen Antworten finden, im besten Fall so, dass es für alle stimmig ist.“ Angela Gilges ist davon überzeugt, dass Erwachsene dabei von Kindern vor allem in Puncto Einfachheit viel lernen können. So bringe Nina, gespielt von Arian Wegener, etwas Freiheit in die Frage nach dem eigenen Sein, der existenziellen Frage: „Wer bin ich?“.

Das sei wiederum eine Herausforderung für all die, die dich diese Frage schon lange nicht mehr gestellt hätten: „Es hat etwas Provokatives, wenn sich eine kleine Achtjährige hinstellt und weiß, wer sie ist und sagt: ‚Das bin ich!‘“ Nina wird im Film selbstbewusst und lebenslustig von dem zur Zeit des Drehs erst neunjährigen Arian Wegener gespielt. Deutlich wird, dass sie sich schon immer als Mädchen gefühlt, doch aus Angst vor Liebesentzug lange nichts gesagt hat. Als sie ihrer Familie endlich unmissverständlich klarmacht, dass sie als Mädchen leben möchte, sind die Reaktionen vielfältig.

Am hilfreichsten sind Opa Thilo (Michael Wittenborn) und Freundin Meret (Lia Stark), die ihrerseits schon lange weiß, dass Niklas eigentlich Nina ist und sich nun freut, dass die Nachricht endlich raus ist. Die Eltern Simone (Friederike Becht) und Martin (Ulrich Brandhoff) sowie Bruder Ben (Ludwig Samuel Ott) kommen mit Ninas Neuigkeit nicht so leicht klar. Und auch in Ninas Umfeld, in Schule und Nachbarschaft, tun sich nicht alle leicht. Angela Gilges und ihre Co-Autoren, Karin Heberlein und Christopher von Delhaes, begleiten mit ihrem Drehbuch die Entwicklung von Nina über einige Monate hinweg. Bei Schreiben wechselten sich die drei ab, zwischendurch trafen sie sich, um den „Plot“ weiterzuentwickeln und zu verdichten: „Bei drei Leuten ist der Blick sehr intensiv, jeder schaut auf andere Sachen.“

Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten

Das Autorenteam Angela Gilges (links), Karin Heberlein und Christopher von Delhaes hält das Plakat ihres Filmes „Einfach Nina“ hoch.

Starnberg beim Fünf Seen Festival 2023: Das Autorenteam Angela Gilges (links), Karin Heberlein und Christopher von Delhaes.

Bei den Zusammenkünften habe es auch Raum für wertschätzende Kritik gegeben, schließlich arbeiten sie schon lange, seit sie sich vor elf Jahren bei einer Drehbuchwerkstatt trafen, kreativ zusammen. Ihre zwei verfilmten Drehbücher verbindet eine gründliche Recherche und eine auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte: „Nichts schreibt so gute Geschichten, wie das Leben.“ Eine Rolle spielt auch eine gewisse persönliche Betroffenheit. So betreute die bisexuelle Angela Gilges schon als 18-Jährige in New York City eine Trans-Gender-Gruppe.

Sie ist mit den oft kontrovers diskutierten Aspekten der Transsexualität vertraut und kennt die Probleme, die sich aus einem offenen Umgang im Alltag ergeben können. Regie führte beim Dreh im Frühling vergangenen Jahres Karin Heberlein. Gilges und Christopher von Delhaes blieben drei Tage am Set in Berlin. Dabei konnten sie beobachten, mit wie viel Herzblut sämtliche Mitwirkende bei der Sache waren: „Alle haben sich gefreut mitzumachen, das merkt man dem Film auch an“, stellt Angela Gilges fest. Und was ist für Hauptdarsteller Arian Wegener, der die Nina Glasewald spielt, das Schöne am Film? „Man kann von Nina lernen, dass man einfach mal kämpfen und mutig sein muss: Und wenn man das macht, dann gehen die Träume in Erfüllung.“

Weitere Informationen zum Thema und dem Verein „Trakine“ unter www.trans-kinder-netz.de/was-ist-trans.html