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„Sugar Daddy“-ProzessKronzeugin gibt in Bonn erschütternde Einblicke

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Landgericht Bonn DPA 070119

Symbolbild

Bonn – Nur zögernd verließ die Angeklagte gestern den zu ihrem Schutz im Saal S 0.15 des Bonner Landgerichts aufgebauten Glaskasten und nahm auf dem Zeugenstuhl Platz. Neben sie setzten sich ihre beiden Verteidiger, dahinter postierten sich zwei Beamte des Landeskriminalamts (LKA), die Waffen nur schlecht unter Hemd und Jacke verborgen. Weitere Polizisten und Justizwachtmeister hielten sich im Hintergrund auf.

Grund: Die 31-jährige Frau wurde zu ihrer Sicherheit ins Zeugenschutzprogramm des LKA aufgenommen, weil sie bereit ist, gegen ihre beiden Mitangeklagten auszusagen. Die drei sollen, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, von einem Geschäftsmann (50) aus dem Sauerland 1,6 Millionen erpresst haben.

2014, erzählte die Kronzeugin, die in der Aussage gelegentlich ausweichend und unkonkret war, habe sie den Unternehmer über eine sogenannte „Sugar Daddy“-Plattform kennengelernt, auf der ältere Herren („Sugar Daddy“) Kontakt zu jüngeren Frauen („Sugar Baby“) suchen, die sie in der Regel für Sex bezahlen. Die beiden schrieben sich anfangs, dabei soll er wohl, was sein Aussehen anging, „nicht die Wahrheit“ gesagt haben, wie sie beim ersten Treffen in einem Kölner Hotel feststellte: Er war offenbar kein Adonis.

Sugar-Daddy-Prozess: Mindestens ein Treffen im Bonner Luxusprozess

Er gab ihr für eine erste Dienstleistung 1200 Euro, dann wurde eine Vereinbarung geschlossen, nach der er ihr 200 bis 300 Euro pro Monat zukommen lassen sollte. „Für ihn war das wenig.“ Sie trafen sich mindestens einmal in der Woche, mal bei ihr, oft in Luxushotels in Köln oder Düsseldorf. „Er hatte sehr viele Wünsche“, und sie habe für Geld „Sachen machen müssen, die ich sonst nicht mache“.

Noch während die Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmer lief, traf die Gespielin im März 2015 auf dem Bertha-von-Suttner-Platz den mitangeklagten 27-Jährigen, der sie jetzt bei der Aussage von seinem Platz aus grinsend fixierte. „Ich war verliebt“, erinnerte sie sich, sie hätten „zwei bis drei intensive Wochen“ verbracht. Auf die Frage, was er mache, habe er geantwortet, „ein bisschen Türsteherei“ und von seiner Fußballkarriere erzählt. Später habe sie erfahren, dass er Zuhälter war.

Er und sein Kumpel, der dritte, 36 Jahre alte Angeklagte, fanden schließlich auf ihrem Handy den Chatverkehr mit „Sugar Daddy“, und ein Blick ins Internet zeigte ihnen, wer der Liebhaber war, ein solventer Unternehmer. Die Zeugin: „Ein Jackpot, was ich da für einen Mann am Start hatte“, soll der 27-Jährige gesagt haben. Dann soll die Idee entstanden sein, die Geldquelle abzuschöpfen. Dafür gaukelten sie ihm nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor, dass „Sugar Baby“ von einer Rockerbande festgehalten werde und sie drohten, ihr einen Finger abzuschneiden, wenn er nicht zahle.

Kronzeugin gibt in Bonn erschütternde Einblicke

Zuerst zahlte er 80 000, dann 150 000, dann 250 000 Euro. Sie nahm das Geld in Empfang und soll es an die beiden Männer übergeben haben. Die genaue Summe will sie nicht gekannt haben. Später überwies das Opfer monatlich 3000 bis 4000 Euro auf ihr Konto, die sie in Luxusartikel umgesetzt haben soll.

„Warum haben Sie mitgemacht?“, wollte die Richterin wissen. „Ich habe irgendwann nur noch funktioniert“, so die Zeugin. Sie habe vor allem Angst um ihre Familie gehabt, Angst auch davor, dass Vater und Mutter erführen, dass sie als Prostituierte unter anderem in Clubs in der Schweiz gearbeitet habe.

Nach fast vier Stunden Befragung hatte die Frau genug. Zunehmend hatte die Kronzeugin sich in Widersprüche verwickelt und fühlte sich durch konkrete Nachfragen der Richterin offenbar in die Enge getrieben. Später erklärte ihre Verteidigerin, ihre Mandantin werde weitere Fragen beantworten, aber nur von ihrem Anklageplatz aus: Geschützt hinter Panzerglas.