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Zukunftsagenda vorgestelltBonner Kultur steht vor der Neuausrichtung

Lesezeit 4 Minuten
Die Bonner Beethovenhalle wird seit 2016 saniert (Archivfoto). Im Dezember soll sie wiedereröffnet werden.

Die Bonner Beethovenhalle wird seit 2016 saniert (Archivfoto). Im Dezember soll sie wiedereröffnet werden.

Die Sanierung der Beethovenhalle wird teurer, mögliche Betriebskosten belasten den Kulturhaushalt zusätzlich erheblich. Eine Zukunftsagenda soll die freie Szene mit einbeziehen.

Das Theater Bonn hat gerade einen guten Lauf: Viele Vorstellungen, besonders im Opernhaus, in dem erst kürzlich Donizettis Melodrama „Der Liebestrank“ eine gefeierte Premiere feierte, sind ausverkauft. Bei den Gastspielen internationaler Tanzensembles stürmen die Zuschauer dem Generalintendanten die Bude, und auch in den Kammerspielen muss man sich bei manchen Stücken frühzeitig um Karten bemühen. Den gleichen Run wie in der Oper gibt es auch auf die Konzerte des Beethoven Orchesters Bonn (BOB).

Prima Wochen also für die größten Akteure im Bonner Theater- und Musikleben, gleichzeitig macht das Kulturdezernat sich daran, es neu zu strukturieren. Die darstellende Kunst solle „vor dem Hintergrund grundlegender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen“ zukunftsfest gemacht und die Vielfalt gesichert werden, hat sich die Stadt in einem Strategiepapier vorgenommen. Darin ist die freie Szene miteinbezogen, ohne dass bisher allerdings definiert wird, wer dazu gehört.

Finanzielle Herausforderungen der Kultur

Geld spielt bei der Sicherung der Zukunft wichtigste Rolle. Bei der Zukunftssicherung spielt Geld die wichtigste Rolle. Das Theater hat in der vergangenen Saison einen städtischen Zuschuss von 33,7 Millionen Euro erhalten, davon 3,7 Millionen Euro als durchlaufender Posten für die Dienste des Orchesters bei Opernvorstellungen. Das BOB selbst erhielt zuletzt 9,2 Millionen Euro von der Stadt. Die Kommune aber muss sparen, wird die Kommunalaufsicht bei der Bezirksregierung nicht müde zu betonen. Deshalb hat Bonns Kämmerer Michael Fark mit Generalintendant Bernhard Helmich und Generalmusikdirektor Dirk Kaftan vereinbart, dass es fürs Theater und BOB ab 2028 pro Jahr rund 5 Millionen Euro weniger an Zuschüssen gibt.

Die dem Rat vorgeschlagenen Weichenstellungen, sagt Sport- und Kulturdezernentin Birgit Schneider-Bönninger, böten sich gerade jetzt an, da die Verträge mit Helmich zum 31. Juli 2028 und mit Kaftan zum 31. Juli 2027 auslaufen. Die Beigeordnete sieht daher „ein einmaliges Zeitfenster“ für einen Neuanfang und bezieht in dieses „Kultur-Ökosystem“ gleich das Beethovenfest mit ein. Alle Institutionen sollen ihre Eigenständigkeit behalten.

Opernhaus Bonn in der Kritik

Dafür sind aber funktionierende Theaterimmobilien nötig. Doch das 1965 eingeweihte und 1992 erweiterte Opernhaus am Rheinufer ist in der Bausubstanz marode. So mussten Netze gespannt werden, um Passanten vor herabfallenden Fassadenteilen zu schützen; in den Treppenhäusern zu den Toiletten laufen Besucher auf nacktem Beton, weil ein neuer Teppichboden zu teuer ist. Zwar hatte der Stadtrat am 2. Dezember 2021 ein Gutachten beschlossen, das prüfen soll, ob die Oper überhaupt sanierungsfähig ist – allein, es liegt bisher nicht vor.

Stephan Eisel, der Vorsitzende der Bürger für Beethoven, mit 1700 Mitgliedern einer der größten Kulturvereine der Region, wird deshalb nicht müde, einen Neubau als „Haus der Musik“ für Opernaufführungen, Konzerte und Musikschule zu fordern. Der sei billiger als die geschätzten 400 Millionen Euro Sanierungskosten. In der „Zukunftsagenda“ der Stadtverwaltung ist jedoch von einer Instandsetzung nicht die Rede. Vielmehr spricht Kulturdezernentin Schneider-Bönninger von „Optimierung von Binnenstrukturen“. Gemeint ist, dass die betroffenen Institutionen Doppelstrukturen in der Verwaltung abbauen und Synergieeffekte nutzen sollen, etwa bei der Vermittlung ihrer Angebote an Jugendliche. Die Theaterwerkstatt soll auch für die freie Szene arbeiten, so wie sie jetzt schon Kulissen baut für das Junge Theater Bonn (JTB), ein Privattheater, das jährlich von 140 000 Zuschauern besucht wird. Das städtische Theater unterstützt die Kollegen von der jungen Bühne seit der Spielzeit 2023/24 pro Jahr mit 450 000 Euro.

Beethovenhalle als neuer Kulturschauplatz

Neu in den Überlegungen aus dem Kulturdezernat ist die Einbeziehung der Beethovenhalle in die Bühnenlandschaft. Die unter Denkmalschutz stehende Mehrzweckhalle wird seit 2016 für rund 221 Millionen Euro saniert und ist damit fast viermal so teuer wie die anfangs veranschlagten 61,5 Millionen Euro. Wiedereröffnet werden soll sie am 16. Dezember 2025. Bis jetzt allerdings gibt es außer dem BOB, dessen Hauptspielstätte die Halle wird, keine externen Nutzer, weil die Entgelte nicht feststehen. Das liegt an einem Steuertrick, den die Stadt für die Renovierung des Baudenkmals mit dem Finanzamt vereinbart hat: Statt der üblichen 19 Prozent muss nur 1 Prozent Umsatzsteuer gezahlt werden. Das senkt die Baukosten zwar um gut 39 Millionen Euro, doch die künftigen Mieter müssen den normalen Umsatzsteuersatz entrichten, weil der Fiskus das Geld wieder reinholen will. Karnevalsvereine etwa, die bis 2015 Sitzungen in der Halle veranstalteten, zögern daher, sich dort einzumieten. Vor der Sanierung soll sie pro Tag 5000 Euro gekostet haben, jetzt könnte der Preis nach Schätzungen von Fachleuten mehr als doppelt so hoch werden. Plus Zusatzleistungen für Technik, Personal, Reinigung und Catering, die ebenfalls aufgebracht werden müssen.

Der Betrieb der Beethovenhalle wäre also defizitär. Wenn sie jedoch zu den Theater-Liegenschaften gezählt wird, würde das Defizit, das vor der Sanierung bei 1,5 bis 2 Millionen Euro im Jahr lag, den Kulturhaushalt belasten. Was unterm Strich eine weitere Kürzung bedeuten könnte.

Die betroffenen Intendanten halten sich offiziell mit Bewertungen des Strategiepapiers zurück. In einem Schreiben an ihre Mitarbeiter, das der Rundschau vorliegt, lassen Helmich und Kaftan jedoch Skepsis anklingen. Beide betonen, sie wollten den „Prozess konstruktiv begleiten“, erst dabei werde sich zeigen, „welche Einsparungen tatsächlich erzielt werden können“. Der Stadtrat wird sich im Mai mit der „Zukunftsagenda“ befassen.