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100-prozentige BehinderungBonnerin wartet seit März auf Parkausweis für ihren Mann

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Auf einem Boden aus Pflastersteinen ist ein Piktogramm von einer Person in einem Rollstuhl.

Seit März wartet Frau Lahn auf den Parkausweis für ihren Mann.

Eine solch lange Wartezeit ist laut Presseamt unüblich, und auch bei der Behindertengemeinschaft Bonn hat Geschäftsführerin Marion S. Frohn keine Beschwerdehäufung zu berichten.

Not macht erfinderisch, das gilt auch für Maria Lahn, wenn sie mit ihrem Mann zur Therapie fährt. „Seit mehreren Wochen parke ich vor dem Haus des Physiotherapeuten auf einem der drei Behindertenparkplätze, die meist alle frei sind, und lege einen Zettel ins Auto: Bin mit meinem gehbehinderten und dementen Ehemann in der Physiotherapeutischen Praxis mit Adresskärtchen.“ Denn einen eigenen Schwerbehindertenparkausweis hat ihr Mann nicht. Den hat sie im März beantragt, im Juni gab es ein Bestätigungsschreiben, seitdem wartet sie auf eine Antwort.

Radwege an oberster Stelle

„In Bonn stehen die Fahrradwege an oberster Stelle“, stellt Lahn (Name geändert) fest. „Wenn mein Ehemann nicht behindert wäre, würde ich unser Auto abschaffen.“ Aber er hat nun mal eine Behinderung und wurde Anfang des Jahres in die Pflegestufe 4 eingruppiert. „Mein Ehemann ist 81 Jahre alt und hat massive Rückenprobleme, Rückenschmerzen. Er kann nur einige Schritte mit Unterstützung oder Rollator gehen.“ Und das bringt es mit sich, dass die Frau ihn überall hinfahren muss.

2020 wurde ihrem Mann eine 100-prozentige Behinderung mit den Merkmalen G, B und H – sie stehen für Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die Erlaubnis zur Mitnahme einer Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln und die Notwendigkeit ständiger fremder Hilfe – attestiert. Im Behindertenausweis, der im gleichen Jahr ausgestellt wurde, sind aber nur G und H eingetragen. Außerdem fehlt das Kürzel aG, das für eine außergewöhnliche Gehbehinderung steht und für das Ausstellen eines Ausweises wichtig ist. Bei ihrem Antrag hatte Lahn aber erklärt, dass sich der Zustand ihres Mannes weiter verschlechtert habe.

Das alles, sagt sie, führt dazu, dass die Stadt weitere medizinische Unterlagen einfordern muss, was ihr das Amt für Soziales und Wohnen im Juni mitteilte. Das könne einige Monate dauern. Das Bonner Presseamt bestätigt auf Anfrage, dass bei fehlender aG-Marke bei der Stelle für Behindertenangelegenheiten ein Amtshilfeersuchen gestellt wird. Diese vergleicht die Behindertenakte nach letztem Stand mit der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung. „Eine längere Wartezeit kann nur dann vorkommen, wenn nicht klar ist, ob die Antragstellenden die Voraussetzungen für einen Parkausweis erfüllen“, so Sprecherin Andrea Schulte.

Das ist wohl bei Maria Lahn und ihrem Mann der Fall. Dass sie so lange auf Informationen warten musste und noch muss, das versteht sie nicht. Nachdem sie auf den ersten Antrag keine Antwort erhalten und telefonisch im Amt niemanden erreicht habe, habe sie nach knapp zwei Monaten einen zweiten persönlich eingeworfen, in knallgelbem Umschlag. Erst darauf folgte eine Rückmeldung. Mehrmals in der Woche muss sie mit ihm zu Neurologen, Orthopäden und anderen Ärzten oder zur Physiotherapie.

Noch kein Knöllchen

Dann lässt sie ihn entweder dort raus und sucht einen Parkplatz, was nach eigener Aussage bis zu 20 Minuten dauern kann. Oder sie legt besagten Zettel in die Windschutzscheibe. „Erstaunlicherweise habe ich bis jetzt kein Knöllchen bekommen“, sagt sie.

Das Paar wohnt in der Weststadt, in der ganze vier Behindertenparkplätze markiert sind. Dort seien viele Parkplätze weggefallen, teils für eine Carsharing-Station, teils für Außengastronomie. „Die Parkplatzsituation ist einfach ein Drama geworden.“

Eine solch lange Wartezeit ist laut Presseamt unüblich, und auch bei der Behindertengemeinschaft Bonn hat Geschäftsführerin Marion S. Frohn keine Beschwerdehäufung zu berichten, was Wartezeiten für den Schwerbehindertenparkausweis angeht. Antragsteller würden sich eher an die Behindertengemeinschaft wenden, um zu fragen, wie das funktioniert und was es zu beachten gilt. Sie empfiehlt, noch mal beim Amt nachzuhaken. Was die Behindertenparkplätze angeht, sagt Frohn: „Es müsste mehr geben. Wir sind immer im Dialog mit der Stadt Bonn, wenn es darum geht, Parkplätze abzubauen.“ Das dürfe nicht die für Gehbehinderte treffen, die oft keine andere Möglichkeit haben, irgendwo hinzukommen. Denn beim Öffentlichen Personennahverkehr gibt es oft Hindernisse. Die Stadt Bonn baue ja schon Haltestellen barrierefrei um. „Unsere Forderung ist, dass es mehr sein muss, dass der Ausbau schneller passieren muss.“ Und dass auch Ersatzhaltestellen etwa durch Baustellen oder Veranstaltungen barrierefrei nutzbar sein sollten. „Wir versuchen immer, den Finger in die Wunde zu legen.“