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Mord in LohmarDie eigene Tochter sagte 1991 als einzige Zeugin gegen Mutter aus

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Die Aussage ihrer zwölfjährigen Tochter überführte 1991 eine Mörderin aus Lohmar.  (Symbolbild)

  1. Der Schwurgerichtssaal des Bonner Landgerichts, das in den 1850er Jahren errichtet worden ist, ist saniert worden; er steht unter Denkmalschutz.
  2. Aus diesem Anlass blickt Dieter Brockschnieder auf spektakuläre Verfahren zurück, die in dem Saal stattgefunden haben. Heute: der Prozess um einen Mord in Lohmar.
  3. Dies ist ein Archiv-Artikel vom 26.03.2022.

Bonn/Lohmar – Die Kugel traf ihn in die linke Schläfe. Das steht fest, und auch der Tattag; es war der 30. Juli 1988, ein Samstag. Aber ansonsten gibt es viele Fragen: Mit welcher Waffe wurde der Mann getötet? Zu welcher Uhrzeit? War er sofort tot, oder ist er erst später gestorben, nachdem er, aus der Schusswunde blutend, vom Wohnzimmer in die Garage seines Hauses geschleift worden war und dort auf dem Boden lag, die Arme ausgebreitet wie ein Gekreuzigter?

Seine Frau, die Schützin, hatte zwei Antworten parat: Drei Jahre nach der Tat sagte sie in ihrer Vernehmung vor der Bonner Mordkommission, ihr Mann, von dem sie sich habe trennen wollen, sei an diesem Samstag betrunken aus einer Dorfkneipe in Lohmar gekommen. Im Wohnzimmer habe es eine Auseinandersetzung gegeben, er habe sie zusammengeschlagen, eine Zigarette auf ihrem Arm ausgedrückt, dann habe er ihr eine kleinkalibrige Pistole in die Hand gedrückt und sie so an seinen Kopf geführt, dass der Lauf auf seine linke Schläfe gerichtet gewesen sei. Dabei soll er gesagt haben: „Du musst schon abdrücken, wenn du mich loswerden willst.“ Sie will nur wenige Sekunden gezögert haben, dann drückte sie ab.

Die zweite Antwort gab sie einem psychiatrischen Gutachter: Ihr Mann habe gedroht, sie, die beiden gemeinsamen Kinder und ihren Liebhaber zu töten. „Das wird richtig schön bluten“, soll er gesagt haben. War ihr Schuss also Notwehr?

Doch dann hörte das Schwurgericht unter den großen Kronleuchtern im Saal 113 des Bonner Landgerichts eine andere, die entscheidende Aussage einer Zeugin, die dem Verfahren die Wende brachte: Es war die zwölfjährige Tochter der Angeklagten.

Die Heirat

Die Ehe, die so grausam endete, begann voller Hoffnungen: Nicola B. und Martin B. (alle Namen geändert) lernten sich 1974 auf ihrer gemeinsamen Arbeitsstelle, einem Versicherungsunternehmen in Köln, kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie, damals 26 und frisch geschieden, kümmerte sich um den acht Jahre älteren Mann. Beide seien „ein Herz und eine Seele“ gewesen, erzählte die Betriebswirtin später.

1975 heiratete das Paar, 1979 und 1980 kamen die beiden Kinder zur Welt. Doch da kriselte es längst in der Ehe. Er hatte bald seine Junggesellenangewohnheiten wieder aufgenommen, saß abends in Gasthäusern und kam betrunken nach Hause; er soll auch gewalttätig gewesen sein.

Der Liebhaber

Die Ehefrau lernte 1976, schon ein Jahr nach der Hochzeit, den Beamten Hans R. kennen, der ihr Liebhaber wurde. Da sie sich aber nicht scheiden lassen wollte, ging diese Beziehung bereits nach wenigen Monaten zu Ende.

Das Ehepaar hatte damals in einem Lohmarer Dorf ein Haus gekauft und in Köln eine Beratungsfirma gegründet – beides finanziert mit Darlehen. Die Schulden von 700.000 bis 800.000 Mark konnten sie kaum stemmen. Martin B. war seiner Frau in dieser Situation keine große Hilfe, er soll Geld vertrunken und verspielt und sich nicht um den Betrieb gekümmert haben.

Die Unternehmerin, die immer die Beste sein wollte und ein ständiges Bedürfnis nach Anerkennung hatte, weigerte sich aufzugeben, das wäre ja eine persönliche Niederlage gewesen. So pumpte sie Freunde und Bekannte an.

In dieser Situation erinnerte sich Nicola B. ihres vor zehn Jahren abgelegten Liebhabers und rief ihn an. Hans R. freute sich tatsächlich, lieh ihr 20.000 Mark, und sie ließ ihn wieder in ihr Bett. Die Folge: Die Ehe geriet in eine heftige Krise, die Betriebswirtin wollte die Trennung, um künftig im gemeinsamen Haus mit den Kindern und dem Bundesbeamten zu leben. Der Ehemann dachte allerdings gar nicht daran, auszuziehen. Am 30. Juli 1988 folgte schließlich der tödliche Schuss.

Vier Jahre später klärte das Bonner Schwurgericht unter Vorsitz von Bernd Maurer-Wildermann mit Hilfe der Tochter auf, was an jenem Tag geschehen war. Denn das Kind hatte, von der Mutter unbemerkt, das Drama mitbekommen.

Der Mord

Martin B. kehrte am Nachmittag betrunken aus seinem Stammlokal heim und legte sich, müde vom Alkohol, im Wohnzimmer auf die Couch. Während er schlief, beschloss seine Frau, ihn zu töten.

Sie schickte Sohn und Tochter in das danebenliegende Kinderzimmer zum Spielen, holte aus dem Schlafzimmerschrank eine Pistole oder einen Revolver, schlich zum Sofa und schoss ihrem Mann aus nächster Entfernung in den Kopf. Das achtjährige Mädchen, das wohl die Aufregung der Mutter bemerkt hatte, spielte nicht, sondern saß äußerst angespannt auf seinem Bett und lauschte auf die Geräusche von nebenan. Da hörte es auf einmal einen Knall und dachte, ein Stuhl oder eine Vase sei umgefallen – es war der Schuss, der den Vater getötet hatte. Er starb, so das Gericht, „weil er nicht bereit war, rechtzeitig zu gehen“ und „Platz zu machen“ für Hans R.

Die Lüge

Die Mutter bedeckte den leblosen Körper schnell mit einer Decke, versteckte die Waffe im Schlafzimmerschrank, ging zu den Kindern und erzählte ihnen, der Papa sei verschwunden und komme nicht mehr wieder. Noch heute zöge ihr neuer Freund, „der Hans“, bei ihnen ein.

Gleichzeitig verbot sie den beiden, das Wohnzimmer zu betreten, dort sei es unordentlich. Wegen dieses Verbots wurden die Kinder erst recht neugierig und schlichen sich über die Terrasse in den Raum, wo sie auf der Couch, auf der zuvor ihr Vater geschlafen hatte, eine leicht gewölbte Decke gebreitet sahen, darunter möglicherweise ein Körper. In diesem Moment kam die Mutter zurück, scheuchte Sohn und Tochter nach draußen, wo sie auf Hans R. warten sollten.

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Der stand wenig später mit seinen Koffern und Begonienkästen im Kofferraum des Autos vor der Tür. Nicola B. forderte ihn gleich auf, mit den Kindern um einen Weiher spazieren zu gehen. Währenddessen schleppte sie den Toten in die Garage und säuberte im Wohnzimmer die blutbefleckten Polsterkissen mit Wasser. Doch die Kinder entdeckten nach der Rückkehr vom Spaziergang die rote Schleifspur: „Da ist mir Farbe ausgelaufen“, log die Mutter.

Als die Kleinen und der neue Hausgast schliefen, fuhr sie weit nach Mitternacht nach Mondorf und warf die Waffe in den Rhein. Aber das Versteckspiel sollte ihr nichts nützen, denn am nächsten Morgen wollte das neugierige Mädchen die Herkunft des Farbflecks erkunden und lief gegen 10 Uhr in die Garage, wo es den Leichnam des Vaters fand, ein Arm lugte unter der Decke hervor. Entsetzt rannte das Kind in sein Zimmer und zog sich zunächst aus lauter Angst die Bettdecke über den Kopf. Wenig später belauschte es die Mutter und „den Hans“, als diese ihm in der Dusche gestand, ihren Mann erschossen zu haben.

Die Vertuschung

Am Tag nach dem Mord hob der Liebhaber im Garten des Hauses eine hüfttiefe Grube aus, in die er und seine Freundin den nackten Leichnam, gewickelt in eine Plastikplane, betteten. Auf das Grab wurden Rasenplatten gelegt und zwei Rhododendronbüsche gesetzt.

Um die Spuren zu verwischen, erstattete die Ehefrau im November 1988 Vermisstenanzeige bei der Polizei, ihr Mann sei am 30.  Juli ausgezogen und habe vor seinem Verschwinden 200.000 bis 300.000 Mark vom Firmenkonto unterschlagen. Ein halbes Jahr später wurde die Ehe geschieden.

Nicola B. und Hans R. lebten fortan zusammen. Doch dem Paar war in dem Mordhaus kein Glück beschieden. Es gab Streit um Geld und Eifersuchtsszenen, so dass die beiden sich Ende 1989 trennten, das Haus wurde verkauft. Bevor die neuen Eigentümer einzogen, grub die Mörderin am 2. und 3. Januar 1990 die Leiche aus und verbrannte Teile des Skeletts im Kamin. Den fürchterlichen Gestank erklärte sie zufällig vorbeikommenden Besuchern damit, irgendwo auf dem Grundstück liege eine tote Katze.

Die Ermittlung

Inzwischen brodelte im Dorf die Gerüchteküche. Alle, die Martin B. kannten, glaubten nicht, dass er einfach so verschwunden sei, zumal ja bereits einen Tag später der neue Lebensgefährte eingezogen sei. Auf einen anonymen Hinweis hin schrieb ein im Ort wohnender Polizist eine Anzeige, und damit begannen 1991 die Ermittlungen. Bei Grabungsarbeiten im Garten fanden Polizisten nur noch ein paar Knochen des Toten.

Die Tochter hatte lange niemandem von seinen Beobachtungen und dem mit angehörten Geständnis erzählt. Erst nach der Verhaftung der Mutter im Jahr 1991 vertraute sie sich ihrer Großmutter an, bei der sie inzwischen lebte. Das Gericht hielt die Aussage der inzwischen Zwölfjährigen für absolut glaubwürdig. Es war, so erinnern sich Beobachter der Verhandlung, mucksmäuschenstill im Saal 113 gewesen, als die Kleine in kindlichen Worten von ihren Erlebnissen berichtete.

Das Urteil

Nicola B. wurde nach elf Verhandlungstagen am 12. März 1992 vom Schwurgericht wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, ihr ehemaliger Partner wegen Strafvereitelung zu einer Geldstrafe von 6300 Mark.