Kommentar Stichwahl in BonnQuittung für Stillstand – Erste Grüne OB vor Mammutarbeit
- Katja Dörner hat die Stichwahl für das Bonner Oberbürgermeisteramt gewonnen.
- Die 44-jährige Bundespolitikerin ist die erste Grüne, die in das Alte Rathaus in Bonn einzieht.
- Auf Dörner warten gleich eine ganze Reihe unerledigter Aufgaben und Projekte in Bonn. Ein Kommentar.
Was für ein Erfolg für die Grünen in Bonn und in NRW: mit Katja Dörner zieht erstmals eine Politikerin ihrer Partei in das ehrwürdige Alte Rathaus am Marktplatz der Stadt ein. Die 44-jährige Dörner profitierte dabei von vielen Faktoren.
Die Bevölkerungsstruktur der Bundesstadt hat sich in den vergangenen 20 Jahren gewandelt. Bonn ist eine im NRW-weiten Vergleich junge Stadt. Und jüngere Wähler machen ihr Kreuz häufiger bei den Grünen.
Bonn hat sich ebenfalls seit Ende der 1990er Jahre erfolgreich das Image einer Stadt erarbeitet, die für internationale Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung steht, nicht zuletzt auch dank der vielen in Bonn angesiedelten UN-Organisationen und nationaler wie internationaler Institutionen und Akteure in diesen Feldern. Dieser Ruf – und die beständige Präsenz von Umwelt- und Klimaschutzthemen in der öffentlichen Debatte – wirkt sich natürlich auch auf die politischen Einschätzungen der Bonnerinnen und Bonner aus.
Und die Grünen stehen nunmal überzeugender für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz als die CDU, die Partei des in der Stichwahl unterlegenden Noch-Oberbürgermeisters Ashok-Alexander Sridharan.
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Dörner, die kommunalpolitisch bisher nicht in Erscheinung getreten ist, spielte aber auch in die Hände, dass ihr Kontrahent Sridharan viele der bei seiner Wahl 2015 gegebenen Versprechen an die Bonner schlicht nicht eingelöst hat.
Städtebaulich: Die Entwicklung des Viktoria-Karrees, einem Areal vis a vis vom Alten Rathaus in bester Innenstadtlage, um das es erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Bürgern, Verwaltung und Politik gegeben hat, kam kaum vorwärts. Die alte Bebauung, Ladenlokale, ein nicht mehr sanierungsfähiges, seit zehn Jahren stillgelegtes Hallenbad und etwas Wohnraum, rottet vor sich hin. Anstatt das Thema zur Chefsache zu machen und mit Energie voranzutreiben, hat Sridharan es liegengelassen.
Bei den Freizeitangeboten: Im bereits jahrzehntealten Streit über die Entwicklung der Bonner Bäderlandschaft setzte Sridharan auf das falsche Pferd und warb für den Plan der Stadtverwaltung, zwischen den Bonner Stadtteilen Kessenich und Dottendorf – im städtebaulichen Niemandsland – ein neues Zentralbad errichten zu lassen und dafür große Teile der dringend sanierungsbedürftigen Hallen- und Freibäder in den vier Bonner Stadtbezirken zu schließen. Diesen Plan machte ein Bürgerentscheid mit knapper Mehrheit zunichte. Inzwischen gibt es ein Konzept für die Zukunft der Bäder. Was davon realisiert wird, ist weiter offen.
Sridharan wollte auch den Sanierungsstau an vielen öffentlichen Gebäuden lösen, die Verwaltung effizienter machen und die Ausgaben der Stadt senken. An den meisten dieser Vorhaben scheiterte der frühere Kämmerer von Königswinter auch nach Analyse des Bonner General-Anzeigers.
Bliebe da noch die derzeit wohl prominenteste Baustelle in Bonn, die Beethovenhalle. Sridharan hat dieses Thema von seinem Vorgänger Jürgen Nimptsch (SPD) geerbt und von einer Stadtverwaltung, die sich der Aufgabe, die 1957 eingeweihten Halle zu sanieren, nur in Teilen gewachsen zeigte. Aber das nützte ihm wenig: Die mehrfachen Hiobsbotschaften von drastischen Kostensteigerungen kamen im Wesentlichen in seiner Amtszeit. Von ursprünglich geschätzten 61,5 Millionen Euro werden sich die Arbeiten im ungünstigsten Fall auf 166 Millionen Euro verteuern.
Das alles zeigt, dass Katja Dörner in den kommenden fünf Jahren viel Fortune, einen fähigen Mitarbeiterstab und konstruktiv mit ihr im Bonner Stadtrat zusammenarbeitende Fraktionen brauchen wird, wenn sie Erfolg haben will. Für genügend Erdung könnte da sorgen, dass Dörner mit ihrer Familie im Bonner Arbeiterstadtteil Auerberg zu Hause ist.