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Beliebtes FotomotivZeit der Kirschblüte in Bonn hat begonnen

Lesezeit 4 Minuten
Kirschblüten in der Heerstraße

Kirschblüten in der Heerstraße

Viele Touristen machen sich derzeit auf den Weg in die Bonner Altstadt, denn da lockt eine rosafarbene Pracht. Begonnen hat eins alles mit einem Zufall.

Glaubt man einschlägigen Lexikaeinträgen, so steht die Kirschblüte für vielerlei: Schönheit, Aufbruch, Vergänglichkeit und damit auch für das Leiden. Das meiste davon nun begutachten viele Menschen, wenn die Zierkirschen in der Altstadt ihre Pracht zu entfalten beginnen.

Felicia Schöneich ist mit ihrer Freundin Patricia aus Langenfeld angereist. Beide fotografieren sich gegenseitig an dem kleinen Brunnen in der Breite Straße in freudvoller Pose. „Es hat immer so schön auf den Fotos im Internet ausgesehen, dass wir uns das selbst mal anschauen wollten“, erzählt Schöneich durchaus zufrieden mit dem Realitätsabgleich. Ein kleines Mädchen hingegen sträubt sich am Altstadttor sichtbar, die Hände auf die Hüften zu legen, wie es der Vater verlangt, um die Tochter ins rechte Licht zu rücken. Am Schluss tut sie es widerwillig doch, vermutlich um des lieben Familienfriedens willen.

Keinen Gedanken an Vergänglichkeit

Über die Vergänglichkeit mag hier allerdings keiner so recht nachdenken. Warum auch? „Die Blüte liegt doch noch vor uns“, sagt Lieselotte Hermes, die mit ihrer Tochter und den beiden Enkelinnen Pia und Florian aus dem heimischen Bad Godesberg einen Abstecher in die Bonner Altstadt gewagt hat. Wie wahr. Am Osterwochenende noch wagten weder die Stadt noch botanisch Versierte, die Blütezeit in den Straßen der Altstadt offiziell einzuläuten.

Die Kirschblüte in der Bonner Altstadt beginnt

Die Kirschblüte in der Bonner Altstadt beginnt

Nun ist Victoria Harlos schon am Vormittag mit ihrer Kamera unterwegs: „Jetzt hat sie begonnen“, sagt die Fotografin mit Büro in der Breite Straße, die in gewisser Weise ihren Anteil daran hat, dass die Altstadt-Kirschblüte zu einem solchen Tourismusmagneten geworden ist. War sie es doch, die einen Fotowettbewerb ins Leben gerufen hat. Eines der eingereichten Kirschblütenfotos ging „anschließend um die Welt“. Seit ein paar Jahren führt das Onlineportal für Individualreisende „Lonely Planet“ die Bonner Altstadt während der zweiwöchigen Blütezeit als „Place to see before you die“. Der Rest ist, um es mit Arnold Schwarzenegger zu sagen: „History“.

Viele Anwohner sind schon Experten

Vor seinem Friseurgeschäft in der Heerstraße steht an diesem Morgen Bernd Bracklow. Im Verlauf der Jahre hat er ein Näschen für den Zustand der Zierkirschen entwickelt. „Noch ein paar Tage dauert es, dann sind die Blüten richtig schön.“ Ein wenig werde der Allee-Charakter vor dem Salon im Vergleich zu den Vorjahren allerdings verloren gehen, prophezeit er. Hintergrund sind von der Stadt ausgeführte Beschnitte und Ersatzpflanzungen. Die besonders prächtig aussehenden japanischen Nelkenkirschen (Prunus serrulata „Kanzan“) sind schließlich Ende der 1980er Jahre im Zuge der Stadtteilsanierung gepflanzt worden. Einige haben mittlerweile das Ende ihres Baumlebens erreicht. So kommt die Vergänglichkeit auch noch ins Spiel.

In diesen Tagen stark nachgefragt ist die Expertise von Brigitte Denkel. Für die ehemalige Bonner Stadtplanerin, längst im Ruhestand, war die Neugestaltung der Altstadt von „einem grauen Handwerkerviertel mit Durchgangsverkehr zu einem lebenswerten Viertel“ eine der ersten großen Aufgaben im Dienste der Stadt. „Ich kam frisch von der Uni in Karlsruhe“, erinnert sich Denkel, die immer noch in der Altstadt lebt. Die Art und Beschaffenheit der Bäume war ausführlich Thema in der vorangegangenen Bürgerbeteiligung. „Sie sollten eine kleine Krone haben, weil die Bürger Sorge hatten, dass sonst nicht genug Licht durch die Fenster kommt.“

Begonnen hat alles mit einem Zufall

Zur Geschichte gehört auch, dass die Wahl auf die Zierkirsche vom Zufall geprägt war. „Eigentlich sollte es Weißdorn werden, die Baumschulen hatten in dieser Zeit aber mit einem Krankheitserreger zu kämpfen.“ So habe man sich die Kirschen auf der Professor-Neu-Allee in Beuel als Vorbild genommen, allerdings mit aufgepfropften Kronen, um das Ausmaß in Grenzen zu halten.

Die Stelen und Ausbuchtungen in der Altstadt gehen, so berichtet Denkel, ebenfalls auf die Umgestaltungspläne zurück, mit denen die Stadt eine Verkehrsberuhigung verfolgte. Sie sind heute, wie beispielsweise die Jupitersäule, begehrte Fotomotive in den Blütenwochen. Heerstraße und Breite Straße sind auf Beschluss der Bezirksvertretung Bonn übrigens an den kommenden beiden Wochenenden von 11 bis 20 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrt.

Zehn bis vierzehn Tage, prognostiziert die Stadt, wird das Blütenmeer die Altstadt tagsüber in rosafarbenes Licht tauchen und abends die Nachtschwärmer dazu verleiten, mit den Verschlusszeiten ihrer Fotoapparate zu experimentieren. Die Länge des Schauspiels ist stets von den äußeren Umständen abhängig. Je wärmer es ist, umso schneller verfliegt der Zauber.

Der Regen in den nächsten Tagen wird den Blüten nach Einschätzung von Cornelia Löhne, Kustodin des Botanischen Gartens der Universität Bonn, nicht allzu viel anhaben. „Gerade zu Beginn sind sie noch kräftig. Da müsste schon ein Hagel kommen, der für den nächste Zeit aber nicht angekündigt ist“, sagt Löhne.