Bonn/ Königswinter – Bis vor ein paar Jahren tauchte der vermeintliche „Römerhafen“, gelegen unterhalb des Drachenfels, an der sogenannten Untiefe „Reih“ nie auf. Dass es den Hafen nie gegeben habe, hatte der Heimatverein Siebengebirge schon 2005 festgestellt und gefordert, den als Bodendenkmal eingetragenen Römerhafen (seit 1985) aus der Denkmalliste zu streichen. Bis heute vergeblich.
Seine Idee, auf einem 1,50 Meter großen Schild an der Rheinpromenade über die wahre Entstehung der geologischen Formation zu informieren, scheitert bislang am Widerstand der Stadt. Sie stört sich an der Größe und einigen Formulierungen auf dem geplanten Info-Schild. Aber: „Wir werden noch zu einer Lösung kommen“, verspricht Stadtsprecher Ulrich Berres. Peter Krämer, Vorsitzender des Heimatvereins, räumt ein, das Schild sei vielleicht „ein bisschen groß dimensioniert“. Aber inhaltlich lässt er nicht dran rütteln: „Seit Jahrzehnten“ habe der Verein die Meinung vertreten, dass es nie einen Römerhafen am Drachenfels gegeben habe.
Profunde wissenschaftliche Unterstützung bekamen die Römerhafen-Skeptiker im November vorigen Jahres durch ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam der Uni Bonn. Das hatte sich mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft dem Thema „Häfen von der römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter – Der Rhein als europäische Verkehrsachse“ gewidmet. Eines der Ergebnisse: Mit ziemlicher Sicherheit habe es den Römerhafen am Drachenfels nicht gegeben (die Rundschau berichtete).
Modelle vom Geländerelief unter Wasser, die aufgrund von reflexionsseismischen Messungen und Flachwassersonarmessungen erstellt wurden, zeigten, dass es bei den Untiefen keine Hinweise auf einen römischen Hafen, sondern auf natürliche geologische Strukturen gebe. „Es handelt sich um die Endhalde eines Blockstroms, der sich nach der Saale-Kaltzeit über den Hang in Richtung Westen ergoss“, so die Wissenschaftlerin Heike Kennecke damals. Hydrologische Untersuchungen zeigten zudem, dass der Mittelwasserstand des Rheins zur Römerzeit rund 1,5 Meter tiefer gelegen habe als heute. Die natürlichen Wälle unter Wasser stellten deshalb eher ein Hindernis als eine Hilfe für die Schifffahrt dar. „Ein Hafen war zum Verladen der Steine gar nicht nötig“, erläuterte Kennecke. „Mit Flachbodenschiffen konnte man problemlos am natürlichen Ufer anlanden.“
„Das Natur- und Bodendenkmal Untiefe ,Reih’ und ihr Ende als ,Römerhafen’ am Drachenfels“ hat Winfried Leischner ein Heft betitelt, das er für den Heimatverein Siebengebirge verfasste. Es erschien Anfang dieses Jahres. Tektonische Veränderungen und die starken Temperaturschwankungen zwischen Eis- und Warmzeiten sorgten demnach dafür, dass sich vom Drachenfels aus die in Tuffton eingebundenen Trachytblöcke über Jahrtausende bis zum Rhein hin bewegten. „Am flachen Rheinufer staute sich langfristig der Blockstrom zu einer gewaltigen Hanghalde“, schreibt Leischner. Zurück blieben am Ende – der Ton wurde durch Erosion ausgewaschen – „hausgroße Trachytblöcke“. Zur Römerzeit hat es demnach also an dieser Stelle des Rheins einen Berg Felsen, aber „kein nutzbares Hafenbecken“ gegeben
„Natursteinlagerstätte" wurde 1800 entdeckt
Diese Steinhalde sei bei Niedrigwasser vom Land her zugänglich gewesen, schreibt Leischner weiter. Ab 1800 sei sie „als regionale Natursteinlagerstätte entdeckt“ worden. Damals sei die Bezeichnung „Stein-Ort“ auf einer Rheinstromkarte verzeichnet worden. Die unbehauenen Steine wurden laut Leischner unter anderem für die Grundgeschosse von Wohnhäusern genutzt.
Weiter schreibt der Experte: „Nachdem die Steinbrüche am Drachenfels ab 1836 geschlossen waren, konnte ersatzweise der Trachytstein von der Untiefe ,Reih’ in der Zeit von 1864 bis 1872 für den Fertigbau des Kölner Doms verwendet werden.“ Bei steigendem Pegel lagen die Steine unter Wasser. Dann seien sie von Flachbodenbooten geräumt worden. So habe der Schiffer H. Hermanns ab 1860 15 bis 20 Holzboote besessen und Steintransporte für Firmen durchgeführt, die wiederum einen Steinliefervertrag mit der Dombauhütte gehabt hätten.
Steinräumung erst im 19. Jahrhundert
Winfried Leischners Fazit: Die Steinräumung aus der Untiefe „Reih“ sei nicht zu Römerzeiten, sondern erst im 19. Jahrhundert erfolgt. Der Autor schreibt auf dem vom Heimatverein geplanten Schild von einer „archäologischen Fehleinschätzung“. Das ist eine der Formulierungen, die der Stadt Königswinter nicht wirklich gefallen. „Das ist seinerzeit so eingeschätzt worden“, wirbt Ulrich Berres um Verständnis für die bisherige Zurückhaltung der Stadt.
Dass die „ehemalige römische Hafenanlage“ noch immer als Denkmal eingetragen ist, was der Heimatverein und der Autor scharf kritisieren, liegt nach Angaben von Ulrich Berres am Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege. Die Stadt habe dort vor etwa zwei Jahren angesichts neuer Veröffentlichungen zum Römerhafen wegen einer Löschung aus der Denkmalliste angefragt. Die Antwort sei ein klares Nein gewesen. Im Übrigen, betont Berres, sei nur der Eigentümer antragsberechtigt – und das sei in diesem Fall die Bundesregierung, vertreten durch das Wasser- und Schifffahrtsamt.