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Bombardierung im Zweiten WeltkriegDer Schwarze Tag von Rheinbach jährt sich zum 80. Mal

Lesezeit 5 Minuten
Die Volksschule war zur Hälfte zerstört.

Die Volksschule war zur Hälfte zerstört. 

Bomben legten vor 80 Jahren Rheinbach in Schutt und Asche. Historiker ergründeten das Motiv. Wilhelm Schmitz mit seinen 91 Jahren hat noch Erinnerung an den „schwarzen Tag von Rheinbach“.

„Der schwarze Tag von Rheinbach“ ist jetzt 80 Jahre her. Er begann am 29. Januar 1945 um 13.16 Uhr. Wie Historiker erst Jahrzehnte später aus Logbüchern von Flugzeugen und der alliierten Aufklärung entnahmen, müssen innerhalb von 20 Minuten in mehr als 900 Metern Höhe über dem Voreifelstädtchen etwa 107 Tonnen Sprengstoff entladen worden sein. 59 amerikanische B-26 Marauder hatten die tödliche Fracht nach Rheinbach transportiert.

Die Folgen am Boden machten die Überlebenden über Jahre hinweg fassungslos. 106 Zivilisten starben in den Steinen, die mal ihre Stadt gewesen waren. Der Vikar mit seinem Onkel und seiner Schwester überlebte ebensowenig wie drei Ärzte, zwei Schwestern und 16 Verwundete aus dem Lazarett im Sankt Joseph-Lyzeum, das trotz des roten Kreuzes auf dem Dach voll getroffen wurde. Die Summe der Toten lag weit höher, zumal sich eine nicht mehr aufzuklärende Zahl ortsfremder Wehrmachtsangehöriger in der Stadt befand. Etwa 30 waren es gewiss.

Das zerstörte Pallotti.

Das zerstörte Pallotti.

Rheinbach: Hauptstraße im Zentrum der Bombardierung

Das Zentrum der Bombeneinschläge lag in der Hauptstraße - vom Wilhelmsplatz, wo sich damals das Postamt befand, bis hin zum Lindenplatz, in dessen Nähe sich die Gaststätte „Rheinbacher Hof“ befand. Dort gab es damals eine militärische Meldestelle. Auch in Pfarrgasse, Langgasse und Junkergasse, Bachstraße, Pütz- und Martinstraße veränderten die Bomben drastisch das Stadtbild. Zusammenhänge, Ereignisse und Folgen überlieferte Hans Orth, ehemals Kämmerer in Münstereifel, in seinem Aufsatz „Der Schwarze Tag von Rheinbach – Die Opfer mahnen zum Frieden“. Zudem gibt es im Stadtarchiv von Bernhard Grund und Dietmar Pertz ein Buch zum Schwarzen Tag von Rheinbach, in dem Augenzeugen zu Wort kommen, die allesamt inzwischen nicht mehr leben.

Das Postamt

Das Postamt

Die Menschen suchten schon früh nach Erklärungen und Gründen dafür, dass ausgerechnet Rheinbach so gezielt bombardiert wurde. Der Verkehrsknoten, sein großer Bahnhof, vor allem aber das Munitionsdepot oberhalb der Waldkapelle hatten Rheinbach offenbar als Ziel für die in Frankreich gestarteten Bomber attraktiv gemacht. Deutsche Truppen befanden sich auf dem Rückzug; viele wollten noch bei Remagen auf das vermeintlich sichere Rheinufer. Wie wichtig Rheinbach für Truppenverlagerungen war, hatte der Zug gen Westen schon zuvor gezeigt. Panzereinheiten, Panzerabwehr und sogar Gebirgsjäger mit Maultieren waren durch den Ort Richtung Front marschiert. 

Bahnlinie Bonn-Euskirchen für umfangreiche Truppenbewegungen ausgelegt

Die Gleisanlagen waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg nach strategischen Aspekten dimensioniert worden und nicht bloß auf die Versorgung der bäuerlichen Landbevölkerung ausgelegt. Ähnlich wie die „strategische Eisenbahn“ durch die Weinberge im Ahrtal, war die Bahnlinie Bonn-Euskirchen für umfangreiche Truppenbewegungen ausgelegt.

Wie Forscher nach dem Krieg herausfanden, war den Alliierten die Planungen der Militärstrategen nicht entgangen. Seit November 1944 kannten sie auch das Munitionsdepot oberhalb der Waldkapelle, wo die Landstraße zwischen dem Rheinbacher Forsthaus und Todenfeld aus militärischen Gründen gesperrt war. Die Alliierten kannten zwar auch den Feldflugplatz Peppenhoven. Anders als ähnliche Flugplätze in der Umgebung, schien er jedoch unbedeutender als die Stadt.

Wilhelmsplatz

Wilhelmsplatz

Dass mitten im Lyceum eine Bombe einschlug, obwohl sich dort ein Lazarett befand, hing vielleicht damit zusammen, dass das Oberkommando der Wehrmacht im selben Gebäude eine Dienststelle eingerichtet hatte. Hans Orth schrieb von einem Wehrmachts-Kriegsgericht sowie einem Stab der 1. SS-Panzerdivision. Einige Panzereinheiten hätten sich damals im Raum Rheinbach befunden, um sich mit Personal und Gerät gegen die bereits in die Ardennen eingerückten Alliierten zu werfen. 

Zweiter Weltkrieg: Auch Ahrweiler heftig bombardiert

Rheinbach ist mit seinen Kriegszerstörungen in trauriger Gesellschaft.  Ahrweiler ist nur eine Stunde vor Rheinbach heftig bombardiert und der südliche Teil der Altstadt komplett in Trümmer gelegt worden. Städte wie Bonn (18. Oktober 1944), Düren (16. November 1944) oder Köln (1000-Bomber-Angriff am 31. Mai 1942) erlebten ihren schwärzesten Tag bereits früher. 

80 Jahre nach dem Schwarzen Tag von Rheinbach: Wilhelm Schmitz 91a

80 Jahre nach dem Schwarzen Tag von Rheinbach: Wilhelm Schmitz 91a

Wilhelm Schmitz war damals gerade elf Jahre alt. Der heute 91-Jährige hielt sich damals bei der Verwandtschaft des Vaters in Todenfeld auf, wo er mit Willi Röttgen (dem Vater des Abgeordneten Norbert Röttgen) und einem Jungen namens Hörnig befreundet war. „Wir lebten dort wie Flüchtlinge.“ Auch seine Geschwister Anna und Martin waren dort, und an jenem Tag war der Vater in Rheinbach gewesen, das Pferd aus dem Hof zu holen. Ein Glück. Als er schon bis zu den Tannen zurückgekehrt war, sah er die Bomben fallen und alles in Schutt und Asche legen. Sein Hof an der Koblenzer Straße stand noch, bis zum Bombenangriff vom 1. März. „Als die Amerikaner da waren, ebneten sie die Koblenzer Straße mit Caterpillars ein und schoben quer durchs Haus die Kurve Richtung Wormersdorf. Vom Stall standen noch Ecken und die Kappendecke. Im Hof und im Haus hatten 20-Zentner-Bomben einen Trichter in den Boden gesprengt. Im Stall haben wir uns provisorisch mit Brettern eingerichtet, während die Mutter bei Schneiders in einem Zimmer unterkam. Weil noch eine Ecke vom Fundament da war, erreichte der Vater bei der britischen Besatzungsbehörde eine Genehmigung für den Wiederaufbau. Den Hof habe ich dann später übernommen.“

80 Jahre nach dem Schwarzen Tag von Rheinbach

80 Jahre nach dem Schwarzen Tag von Rheinbach

Die Munitionslager im Wald hat Willi Schmitz auch gesehen. „Der ganze Wald lag voll. Und in Todenfeld gab es Panzersperren. Eine am ersten Haus, eine oben am Spritzenhaus. Der Offizier kam abends zu meinem Vater und dessen Bruder Johannes, die beide im Ersten Weltkrieg gedient hatten. Die beiden überzeugten den Offizier, die Sperren nicht zuzumachen.“

In Rheinbach hatte Schmitz schon an Heiligabend 1944 die ersten Bomben erlebt. Sie fielen am Nachmittag. Wir haben uns dann in den Keller begeben. Der Großonkel, die Oma Giffels und auch der Kriegsgefangene, wie wir damals sagten, war dabei. Heute würde man Zwangsarbeiter sagen. Er war erst 18 Jahre alt, hieß Gaetano Siciliano und kam auch aus Sizilien. Als der Krieg aus war, seien die Italiener im Zuchthaus gesammelt und wohl nach Hause geschickt worden. Gaetano habe gesagt: „Ich nach Hause. Mamma gucken. Komme wieder und Hof wieder aufbauen.“ Das war aber das letzte Mal, dass Schmitz ihn sah.


Der Schwarze Tag von Rheinbach - Augenzeugen berichten über die Bombenangriffe auf die Stadt Rheinbach am 29. Januar 1945. Beiträge zur Geschichte der Stadt Rheinbach, Kleine Reihe Nr. 18, 8,50 Euro im Stadtarchiv Polligsstraße 1.