Beim Waldbegang in Rheinbach hat der Stadtförster den Stand der Kartierung von Habitatbäumen vorgestellt: Es gibt genügend Totholz, Brutbäume oder Altholz für eine europäische Förderung.
Rundgang mit dem StadtförsterDer Rheinbacher Stadtwald braucht Hilfe
5000 Habitatbäume gibt es im Rheinbacher Stadtwald mindestens. Beim Waldbegang von der Waldkapelle bis zur Ruine der Tomburg hat Stadtförster Sebastian Tölle am Freitagnachmittag knapp einem Dutzend Lokalpolitikern erste Ergebnisse aus dem Habitatbaumgutachten vorgestellt. Vor allem führte er vor Augen, wie schlecht der Wald ohne Hilfe auskommt, aber auch, wie gut er sich mit recht kleinen Eingriffen von größten Strapazen erholt. Ein Hintergrund: der Wille von Teilen der Politik, den Stadtwald weitgehend nicht mehr zu bewirtschaften.
Gatter für junge Bäume
Der gut zweistündige Ausflug startete an der Waldkapelle, am „repräsentativen Tor in den Wald“, wie Tölle erklärte. An solch einem stark frequentierten Wanderweg habe Verkehrssicherung höchste Priorität. Um die ging es sofort, als in Folge der extremen Trockenheit des Jahres 2018 auch im Rheinbacher Wald vor allem Fichten starben, tote Äste abwarfen oder komplett umstürzten: Zuerst waren Wurzeln im betonharten Boden eingegangen, dann fraß sich der Borkenkäfer in die Stämme, zerstörte die Lebensadern unter der Rinde und hinterließ unrettbar geschwächtes Holz. Mehrere Flächen mussten gerodet werden. Zum Glück für die Stadt gab es nur wenige reine Fichtenbestände.
Tölle zeigte den Effekt des Gatters, das damals aus dem Totholz angefertigt worden war: „Der Totholzwall, den Sie im Hintergrund sehen, hat nicht funktioniert. Er fiel zusammen, und das Wild hat ihn schnell überwunden.“ So sei das gesamte Areal eingezäunt worden, damit die ausgewählten Bäume für den Mischwald der Zukunft geschützt heranwachsen können: Roteiche, Winterlinde, Traubeneiche - etwa zehn Arten. Außerhalb des Gatters beweist die reine „Naturverjüngung“, wie wenig Chancen solche Bäume ansonsten hätten. Selbst die Eiche kommt kaum hoch. „Würde sie nicht abgefressen, würde die Buche sie letztlich in den Schatten drängen“, erklärte Tölle.
Neben dem Gatter schauen vorwiegend Eberesche und Birke aus dem niedrigen Laub hervor. Für Tölle ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass zu wenig Wild geschossen wird: „Was wir nicht zäunen, wird aufgefressen.“
Seit Jahrzehnten bewirtschaften Tölle und seine Vorgänger den Rheinbacher Stadtwald als naturnahen Mischwald, mit wenigen gezielten Eingriffen. Für Windkraftanlagen, die auf kahlen Waldflächen ein Vorrecht hätten, ist laut Tölle in Rheinbach kein Platz: „Aufforsten ist Pflicht, und hier gibt es keine Waldfläche, auf der kein Wald steht.“ Trotz der Trockenheit auch in den Jahren nach 2018 habe es stets „Wasser genug in der Wanne“ gegeben, denn auf der Tonschicht unter dem Wald habe sich im Winter seitdem immer genügend Wasser gesammelt, damit die Bäume über den Sommer kämen.
Wege und Wasser
Tölle berichtet von den etwa 200 Mammutbäumen, die entlang der Wege gepflanzt worden seien: „Sie sind alle mit einem Pin markiert, wollen aber einfach nicht wachsen.“ Entlang der Wege sind die Gräben weitgehend gesäubert. Starkregen habe zwar den Wald unter Wasser gesetzt und Split von den Wegen in die Rinnen gespült, doch die Schäden seien nicht groß gewesen und - anders als im Staatswald - rechtzeitig vor den Rückearbeiten behoben gewesen.
Der Förster bedauerte, dass er im Wald wegen des Naturschutzgebiets keine Wälle aufschütten oder Erdmassen bewegen dürfe, selbst wenn dies Ortschaften oder Gebäude wie den Waldkindergarten schützen könnte. Prompt begannen Politiker zu überlegen, wie solche Maßnahmen vielleicht doch vorbereitet werden könnten, auch wenn sie derzeit noch nicht zulässig seien.
Am Waldkindergarten haben sich selbst Edelkastanien nicht als resilient erwiesen. „Eigentlich ist das eine Baumart, die Trockenheit verträgt. Aber die Pflanzen waren von klein an Nässe gewohnt“, erklärte Tölle.
Die gute Nachricht: Waldbrandgefahr ist in Rheinbach kein Thema mehr. Tölle: „Die basiert auf der Fichte, und von der gibt es hier nur noch an vier Ecken ein paar.“
Aktueller Borkenkäferbefall
Acht Bäume hat Tölle aktuell fällen lassen, weil der Borkenkäfer darin aktiv ist: „Verglichen mit den Schäden, die wir hatten, ist das nichts. Aber, wenn das Sägewerk die Bäume nicht bald aus dem Wald holt, schwärmen die Käfer vielleicht wieder aus.“ Harzfluss hat die befallenen Bäume verraten, inzwischen ist das Bohrmehl gut zu sehen, dass der aktive Käfer aus dem Loch wirft. Aber die Baumstämme haben schon Totholzbewohner: Nadelholzbock, Holzwespe ... Tölle erkennt sie schon an der Form des Lochs im Holz: „Solche Bäume werden schon in der Natur zum Bienenhotel.“ Gefährlich sei aber bloß der Rindenbrüter, den den Anfang der Zerstörung mache.
Buche tut sich schwer
Den Politikern zeigte Tölle auch eine Buchenfläche mit wenig und vor allem braunem Laub. Ein Winterhieb habe die stark geschädigten Pflanzen entfernt und gebe den jungen Pflanzen nun Luft, groß zu werden. An dieser Stelle gebe es glücklicherweise wenig Wild: „Wir müssen keine Sorge haben, dass der Wald verschwindet; er verändert sich.“ Sogar einige Tannen hätten überlebten. Insgesamt gebe es im Stadtwald noch etwa 40 Tannen von etwa 140 Jahren.
An der Ruine der Tomburg führte Tölle vor, wie ein Wald aussieht, der seit Jahrzehnten sich selbst überlassen ist. „Nur die Linden verkraften das ein bisschen. Bis vor zwölf Jahren hatten wir hier einen zusammenhängenden Wald, also mit Kronenschluss. Doch fällt irgendwo der Käfer ein, ergibt sich ein Loch, und dann noch eins durch den Sturm und eine Kettenreaktion.“ Totholz bleibe liegen. An der Tomburg sei dies schon früh so gewollt gewesen, weil es auch einfach wegen der Topografie zu teuer gewesen wäre, stets jemanden mit der Säge dorthin zu schicken. Aber, so Tölle: „In einem stark frequentierten Wald wäre das zu gefährlich, außerdem ist es nicht mein Anspruch an einen Wald.“ Ein Wald habe eine Nutz-, Schutz- und Erholfunktion. Ohne Pflege sterbe er und gebe das gespeicherte CO2 ab.
Abseits der Wege ist Totholz jedoch wertvoll. Mehr als 400 Hektar des Rheinbacher Waldes seien inzwischen kartiert. Tölle: „Wir haben etwa 9,5 Biotopbäume je Hektar. 4353 sind gezählt. Das ist eine hohe Zahl.“ 1394 Höhlenbäume gebe es: „Der Specht ist bei uns eifrig.“ Zudem wurden 24 Horstbäume gezählt, wo vorwiegend Milan, Habicht oder Bussard zu Hause sind. 19 uralte Bäume mit einem Stammdurchmesser von mehr als einem Meter stehen auf der Karte. Mehr als 55 Prozent des Stadtwaldes seien nun kartiert. Von 98 Hektar Stadtwald seien 42 Hektar stillgelegt: „Und da ist das Naturschutzgebiet nicht mit drin.“
Koordinierungsstelle Wasserrückhalt
Der Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises hat in seiner aktuellen Sitzung am Donnerstag beschlossen, eine „Koordinierungsstelle Wasserrückhalt im Wald“ finanziell zu unterstützen. Dabei geht es um eine auf drei Jahre befristete Stelle, mit einem jährlichen Eigenanteil von rund 4500 Euro.
„Wasserrückhalt in unseren Wäldern dient zum einen unterliegenden Ortschaften als Schutz vor Hochwasser. Zum anderen kann sich unser Wald so erholen und unter den Bedingungen des Klimawandels weiterentwickeln“, betont Regina Rosenstock, Leiterin des Referats Wirtschaftsförderung und strategische Kreisentwicklung.
Dem Beschluss liegt ein Antrag der Stadt Rheinbach zu Grunde. Es ist ein Kooperationsprojekt der Städte Rheinbach, Meckenheim, Euskirchen, der Gemeinden Swisttal und Weilerswist sowie des Rhein-Sieg-Kreises. Mit dem Votum des Kreises kann nun bei der „LEADER-Region Voreifel – Die Bäche der Swist“ und bei der „LEADER-Region Zülpicher Börde“ ein entsprechender Antrag eingereicht werden.
Das Projekt hängt also noch von einer Förderzusage der beiden LEADER-Regionen Zusage ab sowie von einer Bewilligung der Bezirksregierung Köln.