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RheinbachZahlreiche Helfer bergen Akten und entrümpeln Schule

Lesezeit 6 Minuten
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Schulleiterin Maria Orth ist erstaunt, wie flott das Ausräumen klappte. 

Rheinbach – Während Eltern an der Katholischen Grundschule Sankt Martin das durchnässte Inventar auf die Bachstraße schleppen, tragen Helfer im Rheinbacher Rathaus Kartons mit alten Verwaltungsakten aus dem Keller nach oben. Überall in der Stadt wird gerettet, was geht – vor allem aber aussortiert und weggeworfen.

Sogar die Archivare gehen so vor. Sie entscheiden mit geschultem Blick in die aufgeweichten Archivkartons, was auf den Müll kann. „Das Grundwasser hat sich im Keller hochgedrückt und die unteren Reihen der Regale geflutet“, erklärt Stadtarchivar Dietmar Pertz. 24 Regalzeilen zu je sechs Metern sind betroffen, etwa 600 Kartons von denen jeder im Schnitt zwei Akten enthält. „Das Wasser ist zwar relativ sauber, aber trotzdem müssen die Akten, die wir aufbewahren wollen, zuerst getrocknet und gesäubert werden.“ Pertz war sich klar, dass er aus dem Rathaus keine Hilfe zu erwarten hatte: „Die sind alle mit anderen Dingen beschäftigt.“ Also setzte er einen Hilferuf im Internet ab und fand Gehör. Nicht nur die Archivare aus Bornheim und Siegburg sowie zwei Archivspezialisten des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) packten an diesem Mittwoch mit an, sondern auch ein knappes Dutzend Freiwilliger.

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Nasses Inventar der Grundschule St. Martin steht nach dem Hochwasser auf der Straße. 

„Das sind alles Akten, die mindestens aus den 1980er oder 90er Jahren stammen, also nicht in irgendeiner Form digitalisiert sind“, erklärt Pertz. Im Erdgeschoss des Rathauses breiteten die Helfer die gesichteten Akten aus: Die klatschnassen, wichtigen Papierbündel im rechten Lichthof, die nur feuchten Bündel zum Trocknen im linken. Im Gang dazwischen mehrte sich jedoch bereits die Zahl der Abfallsäcke – für die Akten, deren Inhalt für die Nachwelt eher nicht so interessant sein dürfte. Pertz: „Die werden auf jeden Fall nicht irgendwo auf den Müll geworfen, so dass jemand darin wühlen kann, sondern vernichtet.“ Wie genau, weiß er noch nicht, denn nasses Papier lässt sich nicht einfach schreddern.

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In Abfallsäcke wirft Archivar Dietmar Pertz die  nassen Verwaltungsakten. 

Die wertvollen Verwaltungsakten werden indes in eine Klarsichtfolie eingewickelt. „Das ist Spezialfolie, die nicht zusammenklebt“, erklärt Heike Bartel-Heuwinkel vom LVR-Archivberatungszentrum: „Man darf sie nur nicht zu eng packen, weil sie beim Gefrieren des Wassers sonst bersten könnte.“ Die Experten wollen in Troisdorf anfragen, wo bereits andere Akten nach Wasserschäden zum Gefriertrocknen unterkommen konnten. „Wir haben aber auch schon einmal Akten in die Gefrierkammer einer örtlichen Metzgerei gebracht“, erzählt Bartel-Heuwinkel. Pertz ist über die Helfer, die sich teils selbst, teils mit Hilfe der Feuerwehr verpflegten, enorm froh. „Eine wichtige Nachricht ist dabei: Die historischen Akten bei mir im Stadtarchiv sind völlig unbeschadet.“

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Wichtige Verwaltungsakten aus den 80er und 90er Jahren liegen durchnässt zum Vortrocknen in einem Innenhof des Rheinbacher Rathauses.

Dutzende standen für Effektive Mikroorganismen Schlange

Vor dem abgesperrten Rathaus standen Dutzende Menschen Schlange. Sie wollten allerdings nicht zur Verwaltung, sondern ihre Kanister, Eimer oder sonstigen Behälter von Nicole Rieger mit einer bräunlichen Flüssigkeit gefüllt bekommen. Für die Meckenheimer Firma Emiko schenkte sie auf dem Platz 1000 Liter eines Effektiven Mikroorganismen aus. Diese bauen Gerüche ab, beugen Schimmel vor und sorgen für ein gesundes Raumklima in den von Wasser und Schlamm beschädigten Räumen. Milchsäuren, Hefen und Fotosynthesebakterien wirken bei diesem Gemisch zusammen, sagt Rieger: „Morgen sind wir in Flerzheim an der Feuerwehr.“

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Am Rathaus stehen Dutzende Menschen schlangen, um etwas von dem biologischen Bakterienwandler einer Meckenheimer Firma zu erhalten. 

Mit solch einem Mittel gehen die Schäden in der Grundschule an der Bachstraße allerdings nicht mehr weg. Schulleiterin Maria Orth brach ihre Ferien an der Ostsee ab und war beim ersten Blick überzeugt: „Das kann ein Mensch allein nicht bewältigen.“ So hatte sich das aber wohl die zuständige Stelle im Rathaus vorgestellt, wie Orth berichtet: „Unser Hausmeister ist privat selbst abgesoffen, und so ist uns der Hausmeister der Gemeinschaftsgrundschule geschickt worden. Er sollte hier ganz allein alles ausräumen.“ Orth hat „denen im Rathaus“, dann gezeigt, wie es in ihrer Katholischen Grundschule St. Martin ausschaut und die Lehrer per SMS aufgefordert, im Internet um Hilfe zu bitten. Das hat gewirkt und nicht nur Eltern mobilisiert. Um 8 Uhr standen etwa 30 Helfer parat, um 11 Uhr musste sie schon Hilfswillige wegschicken. Die Arbeit war getan. Zu dieser Zeit hatten Eltern mit Anhängern auch bereits die Hälfte des Inventars zur Müllhalde vor der Stadt gekarrt. „Da kam sogar ein Mann aus Bonn in Arbeitsmontur an, der mich fragte, wo die Schule ist, von der seine Hilfsgruppe im Internet gelesen hatte“, sagte Orth.

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Die schnelle Hilfe tröstet aber nicht über die Verluste hinweg. Die beiden Klassenräume im Tiefparterre sind ruiniert, auch die komplette Mensa mitsamt der Küche, ebenso das Lager und der Musikraum. „Gitarren, Trommeln, Xylophone – selbst das Klavier von der Musikschule sind nass und unbrauchbar geworden“, zählt Orth auf.

Mehrere tausend Schuss Munition

Am Dienstagabend und in der Nacht zu Mittwoch waren über 250 Polizisten im Einsatz, um neben der Vermisstensuche weiterhin das Eigentum der von der Naturkatastrophe getroffenen Menschen in den Kreisen Rhein-Sieg und Euskirchen zu schützen.

Eine angeschwemmte Kiste mit scharfer Munition übergab ein Anwohner Bereitschaftspolizisten in Odendorf. Dabei handelt es sich um mehrere tausend Schuss, die die Beamten sicherstellten. Die Ermittlungen zum Besitzer laufen.

Ebenfalls in Odendorf stoppten Polizisten nachts zudem einen mit zwei Männern, 25 und 28 Jahre alt, besetzten Kleintransporter. Neben Schrott und Werkzeug fanden die Beamten in dem Fahrzeug auch eine Schachtel Schmuck. Dabei soll es sich nach ersten Ermittlungen um Plünderungsgut handeln, das sichergestellt wurde. Die Rumänen wurden zur erkennungsdienstlichen Behandlung in das Polizeigewahrsam nach Köln gebracht.

Kräfte der Feuerwehr alarmierten die Polizei wegen verdächtiger Personen in Oberdrees. Bereitschaftspolizisten fanden bei den Männern diverses Werkzeug, Handys und einen Laptop und zeigten sie wegen des Verdachts des Diebstahls an.

Eine Vielzahl der Vermisstenmeldungen aus der Region sind inzwischen geklärt. Einen Großteil der Menschen haben die Ermittler erreicht. Sie suchten gestern noch nach zwei Menschen aus dem Raum Bonn/Rhein-Sieg. Die Zahl der Toten in Rheinbach und Swisttal hat sich nicht weiter erhöht. In Rheinbach wurden in Zusammenhang mit dem Starkregen fünf Tote gezählt, in Swisttal vier. Das hat die Polizei Köln auf Nachfrage bestätigt. (Bir)

Ein wenig Hoffnung hatte sie, Teile der Edelstahlküche noch benutzen zu können, doch OGS-Leiter Martin Klug winkt ab: „Alle Geräte darin sind zerstört, und bei dem Fäkalwasser, das dort durchgeflossen ist...“ Also: Keine Chance. Und schon geht es weiter: „Die Feuerwehr hat ein Stromaggregat gebracht. Morgen soll der Schlamm raus, eine Reinigungsfirma kommt. Der Boden in der Mensa ist ein Totalschaden, die Wände sind nass“, sagt die Schulleiterin. Eine gute Nachricht: Das Archiv der Schule sowie ein zweites Archiv mit sakralen Dingen im hinteren Teil des Gebäudes haben nichts abbekommen, weil es dort ein paar Stufen hoch geht.

Für die OGS plant das Ehepaar Schneider vom Trägerverein, das auch beim Aufräumen half, bereits eine Zukunft. Eventuell muss es nach den Ferien eine externe Essensversorgung geben oder eine Betreuung gemeinsam mit St. Joseph – das wäre nicht das erste Mal. „Ich bin zuversichtlich, dass es nach den Ferien mit der Schule weitergehen kann“, sagt Orth: „Die Aula lässt sich zur Not in zwei Klassenräume teilen.“ Doch die übliche Ferienbetreuung wird wohl diesmal ausfallen.