Baulich steht die Marienkapelle auf dem Pallotti-Gelände in Rheinbach gut da, aber ist zugewuchert und darum sicherheitshalber nun verschlossen. Erich Scharrenbroich setzt sich für eine Öffnung ein.
Pallotti-Projekt zieht sich hinRheinbacher Kapelle überwuchert
Erich Scharrenbroich macht sich Sorgen: Die im Mai 1950 eingeweihte und heute denkmalgeschützte Marienkapelle auf dem Areal des einstigen Vinzenz-Pallotti-Kollegs ist im Begriff, allmählich von Gestrüpp und Bäumen überwuchert, der Vergessenheit anheimzufallen. Der Treppenaufgang ist kaum mehr zu erkennen, so sehr ist er von jungen Stämmchen und Hecken verborgen. Und wenn ein ortskundiger Besucher sich dann durch dornige Ranken unbeirrt den Weg nach oben erkämpft hat, ist die Enttäuschung groß, denn die Kapelle ist abgeschlossen. Den märchenaffinen Bürger erinnert das Ganze an das Schloss, in dem Dornröschen seinen 100-jährigen Schlaf hält, doch so einfach ist es nicht.
Alteingesessenen Rheinbachern fehlt dieser einst so leicht begehbare Ort der Besinnung, des Gebets und der Ruhe mitten in der Stadt: „Früher bin ich während meines Spaziergangs immer reingegangen und das würde ich gerne wieder tun“, sagt Erich Scharrenbroich, der 1994 in der Kapelle heiratete.
2005 erst grundlegend saniert
Gemeinsam mit Werner Gerhards hatte sich der heute 71-Jährige vor rund 20 Jahren um die Sanierung des Kleinods gekümmert, an dem sein Herz hängt. Als ehemaliger CDU-Ratsherr hatte Scharrenbroich bei der Finanzierung Rheinbacher Unternehmer, Banken und Handwerker an der Seite. Auch mit Hilfe von Werner Gerhards und seinem Team von den „Neuen Pfaden“ war das im Volksmund auch „Schönstattkapelle“ genannte Gebäude nach der Jahrtausendwende von Grund auf restauriert worden. Sogar ein neues Dach erhielt das Gotteshaus, im Keller wurden neue Rigipswände gezogen und mit Bitumen wurde alles abgedichtet. 2005 erstrahlte die Kapelle wieder in neuem Glanz, bis heute ist der Innenraum trocken und wird von der katholischen Kirchengemeinde St. Martin in Ordnung gehalten, die auch einen Schlüssel besitzt, aber nicht Eigentümerin ist.
Günter Spittel, Baukoordinator für die katholischen Kirchengemeinden Rheinbach, Meckenheim und Swisttal, erläutert, dass die Kapelle und das Grundstück, auf dem sie steht, ursprünglich den Pallottinern gehörte. Als sich der Orden aus Rheinbach zurückzog wurde das denkmalgeschützte Bauwerk an die BPD Bouwfonds Immobilienentwicklung aus Köln verkauft, die zurzeit auf dem Areal Eigentumswohnungen errichtet. Die katholische Kirchengemeinde St. Martin betreibt die Kapelle, Hochzeiten und Taufen sind dort möglich: „Wir sorgen dafür, dass die Kapelle immer sauber und aufgeräumt ist.“
Für das Außengelände habe die Kirchengemeinde jedoch keinen Auftrag und auch keine Befugnis. Aus diesem Grunde könne sie auch keine Pflegemaßnahmen gestatten oder selber vornehmen, da sie nicht Eigentümerin des Geländes sei: „Was uns nicht gehört, darüber können wir nicht verfügen.“ Grundsätzlich bestehe selbstverständlich die Möglichkeit, die Marienkapelle ähnlich wie die Waldkapelle zum Gebet zu öffnen. Da die Verkehrssicherheit augenblicklich jedoch nicht gegeben sei, werde dort aus Sicherheitsgründen nicht aufgeschlossen, stellte Spittel klar: „Solange das Außengelände in diesem ungepflegten Zustand ist, werden wir die Kapelle nicht für den allgemeinen Betrieb öffnen.“ Auch der Kirchengemeinde tue der verwilderte Zustand der Umgebung leid, aber ihr seien die Hände gebunden.
Allgemein sei das Gebäude in gutem Zustand, es bestehe kein Sanierungsstau. Anfragen bezüglich der Pflege sollten an den Investor gerichtet werden, bittet Spittel, der als Baukoordinator auch in Sachen Denkmalschutz tätig ist. Darum weiß er, dass der Abriss der Kapelle mit Sicherheit nicht genehmigt werden würde. Die Kirchengemeinde sei daran interessiert, dass die Kapelle bald wieder genutzt werde: „Aber der Investor bestimmt, was dort passiert.“
Fester Teil der Neubauplanung
Und der hat die Kapelle in seine Planungen miteinbezogen, wie schon bei der Grundsteinlegung deutlich und auch klar kommuniziert wurde. So hatte der beauftragte Landschaftsarchitekt Markus Kalscheuer im November 2023 der Rundschau gegenüber erläutert, dass das Umfeld der Kapelle letztendlich geöffnet werden soll und in unmittelbarer Nachbarschaft ein Generationen-Spielplatz für alle Altersgruppen geplant sei. Hochzeiten und Taufen sollen dort weiterhin möglich sein. Jeder Wohnungskäufer erwerbe gleichzeitig ein kleines Stück des denkmalgeschützten Gebäudes. Knapp 60 Prozent der 43 Eigentumswohnungen am sogenannten Kapellchenweg waren vor einem Jahr bereits verkauft, das Alter der Interessenten lag zwischen 35 und 75 Jahren. Die künftigen Bewohner können voraussichtlich Ende 2025 einziehen.
Ein Vertreter des Investors stellte in dieser Woche in Aussicht, dass die Treppe im Herbst, spätestens im Winter, freigeschnitten werden soll. Das genaue Datum stehe noch nicht fest. Ein kleiner Lichtblick für den 83-jährigen Werner Gerhards, der sich eigentlich nur wünscht, dass er in Zukunft wieder ungehindert zur Kapelle kommen kann: „So wie das früher war.“ Zahlreiche ältere Menschen, die regelmäßig Blumen gebracht hätten, könnten das heute nicht mehr tun, „weil keiner mehr durchs Gebüsch kommt“.
Auf Trümmern erbaut
Die Rheinbacher Marienkapelle ist der Wallfahrtskapelle zur „Dreimal Wunderbaren Mutter“ in Schönstatt bei Vallendar, Koblenz, nachgebildet. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Schülern des damaligen Hermann-Josef- und späteren Vinzenz-Pallotti-Kollegs gebaut. Der erste Spatenstich erfolgte am 2. Juli 1949, am 18. Oktober 1949 wurde der Grundstein gelegt und am 18. Mai 1950 konnte Pater Provinzial Dr. Heinrich Schulte SAC die Kapelle feierlich einweihen.
Die Marienkapelle steht auf den Trümmern des gegen Ende des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigten Hermann-Josef-Kollegs. Sie wurde „zu Ehren des Dreifaltigen Gottes und zum Lob der Mutter des göttlichen Sohnes errichtet“, ist auf der Internetseite der katholischen Kirchengemeinde St. Martin zu lesen. Weiter heißt es: „Mögen alle Besucher, die hier beten, die Hilfe und Fürbitte der Gottesmutter erfahren. Durch Gebet, Opfer und Weihe der täglichen Arbeit an Gott mögen alle Gläubigen mithelfen, im Vertrauen auf die Fürbitte Mariens, dass die Kirche stets erneuert und die ganze Welt zu Christus hingeführt werde.“