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„Wichtig, Farbe zu bekennen“Rheinbacher gedenken der Opfer des Nationalsozialismus

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Rheinbachs Bürgermeister Ludger Banken und der Landtagsabgeordnete Oliver Krauß legen ein Gesteck im Innenhof des Rheinbacher Rathauses nieder, vor einer Gedenkstätte der Opfer des Nationalsozialismus.

Rheinbachs Bürgermeister Ludger Banken und der Landtagsabgeordnete Oliver Krauß legen ein Gesteck im Innenhof des Rheinbacher Rathauses nieder, vor einer Gedenkstätte der Opfer des Nationalsozialismus.

„Nie wieder ist jetzt!“ Mehrfach wurde diese Formel wiederholt bei der Gedenkveranstaltung im Rheinbacher Rathaus für die Opfer des Nationalsozialismus.

Erst vor zwei Wochen hatten die Schüler des Städtischen Gymnasiums während ihres Besuches der ehemaligen SS-Ordensburg Wewelsburg bei Paderborn, die heute zu einem historischen Museum mit Jugendherberge ausgebaut ist, übermütig Schneebälle auf ihre Schulkameraden und Schulkameradinnen geworfen. „Wie verlockend es doch war, seine Freunde mit einem Schneeball abzuwerfen“, schilderte es der Gymnasiast Damian Günther gestern im Rahmen der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Foyer des Rheinbacher Rathauses.

In Erinnerung an diesen harmlosen Spaß fühlten die Gymnasiasten darum besonders mit dem jungen deutschen Juden Günther Ransenberg, der wie sie aus reinem Übermut aus einer Gruppe gleichaltriger Arbeitskollegen mit Schneebällen auf vorübergehende Mädchen geworfen hatte und deswegen verhaftet worden war. Das war vor über 80 Jahren.

Der gelbe Davidstern an seiner Kleidung hatte ihn damals als Juden ausgewiesen. Der harmlose Schneeballwurf war in jenen Zeiten durch die rassistischen Gesetze zu einem Verbrechen geworden, Ransenberg wurde 1942 im Konzentrationslager Niederhagen am Ortsrand von Büren-Wewelsburg ermordet. Auch seine Familie habe viel Leid erfahren, berichtete der 18-jährige Schüler: „Seine Eltern und Geschwister wurden Opfer von Auschwitz, einem Ort des Grauens und des systematischen Völkermords.“

Kranz niedergelegt

Rund 50 Bürger waren gekommen, um in Rheinbach der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Bürgermeister Ludger Banken und Oliver Krauß (CDU-MdL) legten einen Kranz an der Gedenkstätte im Innenhof des Rathauses nieder, wo Glastafeln an die von den Nazis ermordeten Rheinbacher Juden erinnern. Wesentlich gestalteten die Schüler der Rheinbacher Gesamtschule und des Städtischen Gymnasiums die Veranstaltung mit, bei der sich die Menschen seit 2007 alljährlich an den Terror der NS-Diktatur erinnern, wusste Rheinbachs Stadtarchivar Dietmar Pertz.

Der Dank von Bürgermeister Banken galt den Lehrern und Schülern der Gesamtschule und des Städtischen Gymnasiums: „Jedes Jahr engagieren Sie sich und setzen sich mit der Geschichte auseinander, das ist gelebte Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz.“ Es sei wichtig, dass man sich an Günther Ransenberg und die vielen anderen erinnere, die durch willkürliche Vorurteile und Hass ihr Leben verloren hatten, waren sich die Schüler und Schülerinnen einig. „Lasst uns diese Erinnerung als Mahnung nutzen, gegen jegliche Form von Diskriminierung und Intoleranz einzustehen, damit solche schrecklichen Ereignisse nie wieder unsere Welt heimsuchen“, bekräftigte der 17-jährige Johannes.

Der ehemalige Gesamtschüler Malte Treder, der auch Akkordeon spielte, ging noch einen Schritt weiter. Allein Erinnerung rette nie die Welt, sagte der 20-jährige Student in seiner zündenden Ansprache. Vielmehr gelte es, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen besorgniserregenden politischen Lage, aus der Geschichte zu lernen „und dafür zu kämpfen, dass wir unsere freiheitliche demokratische Grundordnung nicht an die AfD verlieren“. Diese Partei zeichne sich vorwiegend durch Hetzpolitik aus, so Treder, liege aber nach aktuellen Umfragewerten auf bundesdeutscher Ebene mit 20 Prozent an zweiter Stelle. Darum gelte es, ein Zeichen zu setzen, „und ein eindeutiges „Nein zu, Faschismus, Nein zum Rechtsextremismus und Nein zum Rassismus hier herauszutragen“.

„Jedes Jahr engagieren Sie sich und setzen sich mit der Geschichte auseinander, das ist gelebte Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz.“
Ludger Banken, Bürgermeister von Rheinbach

Es sei in diesen Zeiten wichtig, Farbe zu bekennen und sich für Demokratie einzusetzen, bekräftigte Banken und lud dazu ein, an der „Demo gegen Rechtsextremismus“ am kommenden Sonntag teilzunehmen. „Es ist bitter nötig, dass wir alle für unsere Grundrechte eintreten“, so der erste Bürger Rheinbachs: „Ich möchte nicht irgendwann in einem Staat leben, in dem ich nicht mehr sagen darf, was ich denke.“

Mit Krauß erinnerte auch Banken daran, dass in Rheinbach am Gedenktag für die Opfer des deutschen Massenmordes dreier Ereignisse gedacht werde: An die Ermordung von drei ukrainischen Zwangsarbeitern , die am 26. Januar vor 79 Jahren im Stadtpark erhängt wurden. An das verheerende Bombardement am 29. Januar, der als „schwarzer Tag von Rheinbach“ bekannt ist. An die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945.

Rheinbachs Ehrenbürger Stefan Raetz und die ehemalige Landtagsabgeordnete Ilka von Boeselager haben diese Gedenkveranstaltung in Rheinbach ins Leben gerufen, so Krauß, der als Nachfolger von von Boeselager diese Tradition weiterführt. Der CDU-Politiker mahnte, dass sich auch heute, 85 Jahre nach den Novemberpogromen, Juden wieder um ihr Leben sorgen müssten. Ein musikalischen Zeichen der Hoffnung setzte Musiklehrer Thomas Preuth mit den Schülern Fiona Müdder (Gesang), Edgar Kriwankow (Gitarre) und Finnegan Thar (Violine) mit „Imagine“ von John Lennon.