Sollte auf Rheinbacher Fahrradstraßen auch Durchgangsverkehr für Kfz erlaubt sein? Das diskutierte der Ausschuss für Umwelt und Mobilität.
Antrag der FDPDiskussion um neue Rheinbacher Fahrradstraßen
Erst vor drei Wochen hatten etwa 200 Rheinbacher für die „Freigabe der Fahrradstraßen“ für den Kfz-Durchgangsverkehr demonstriert. Nun stand das Thema auf Antrag der Freien Demokraten erneut auf der Tagesordnung des Ausschusses für Umwelt und Mobilität. Nach eingehender Diskussion kamen die Lokalpolitiker zu dem Schluss, dem FDP-Antrag auf Freigabe der Fahrradstraßen für den Kfz-Durchgangsverkehr und Krafträder nicht stattzugeben. Es bleibt erst einmal alles so, wie es ist: Die neuen Rheinbacher Fahrradstraßen – das sind Turmstraße, Kriegerstraße, Kleine Heeg bis Eulenbach, Bachstraße und Stadtpark – sollen auch weiterhin nur für die Autos der Anlieger befahrbar sein dürfen.
Das Schild „Anlieger frei“ unter dem Verkehrszeichen „Fahrradstraße“ gilt für Menschen, die in dieser Straße wohnen und für den Besucherverkehr. Auch eine möglicherweise bei der Einführung der Fahrradstraßen veränderte Beschilderung, insbesondere abgeänderte Vorfahrtbestimmungen, werden nicht, wie von Marc Frings (Sachkundiger Bürger FDP) gefordert, wieder auf den alten Stand vor Einführung der Fahrradstraßen gebracht. Stattdessen folgte das Gros der Ausschussmitglieder dem Vorschlag der Verwaltung, im Rahmen der Verkehrsentwicklungsplanung und unter Einbindung aller Fraktionen weiter an den Fahrradstraßen zu arbeiten. Sie sollen „bevorzugt behandelt werden“, so Vorsitzender Heribert Schnieber, der den Antrag der Verwaltung formulierte. Über die weitere Entwicklung soll berichtet werden. Die einzige Gegenstimme für die Lösung kam von Marc Frings (FDP).
Rheinbachs Bürgermeister Holger Banken begrüßte diese auf Anregung der Verwaltung getroffene Entscheidung des Fachgremiums. Rheinbachs Technischer Beigeordnete Torsten Bölinger hatte in diesem Zusammenhang eine erneute Verkehrszählung vorgeschlagen: „Dann würden wir genau wissen, wie sich der Verkehr in Rheinbach durch Einführung der Fahrradstraßen geändert hat.“ Eine erste Zählung war kurz vor der Einführung der neuen Fahrradstraßen im Herbst durchgeführt worden. Bürgermeister Ludger Banken erklärte, dass es offensichtlich trotz einer Kommunikationskampagne der Verwaltung und einer langen Phase der Vorbereitung Probleme gebe: „Wir werden nicht alle lösen können.“ Fest stehe allerdings, dass die Stadt „mehr Leute aufs Fahrrad holen will“. Die Fahrradstraßen seien „ein guter Einstieg“ in das Radverkehrsnetz.
Bürgermeister Ludger Banken zeigte sich irritiert von der Reaktion
Über anderthalb Stunden tauschten sich Lokalpolitik und Verwaltung aus, es gab eine Sitzungsunterbrechung. Verwaltungschef Banken verlieh in dieser Zeit seiner Irritation über die Reaktion der Kommunalpolitik und auch der Bevölkerung Ausdruck: „Ich bin verwundert darüber, dass in der kurzen Zeit nach der Einführung der Fahrradstraßen bereits ein Antrag vorliegt“. Angesichts des Wirbels um die auch in sozialen Netzwerken viel diskutierte und kritisierte Verkehrsänderung hätte man fast meinen können, so Banken, „dass wir etwas ganz Böses getan hätten“. Dabei seien sich ursprünglich doch alle einig darüber gewesen, „dass wir den Radverkehr in Rheinbach stärken müssen, nachdem wir jahrelang bei Wettbewerben auf den hintersten Plätzen gelandet sind.“
Ziel sei es nach wie vor, „sichere Wege anzubieten, damit Fahrten im Kernbereich mit möglichst wenig Autos möglich sind“. Das Stadtoberhaupt riet dazu, den neuen Straßen eine Chance zu geben, sich zu etablieren und den Nutzern zu ermöglichen, sich daran zu gewöhnen. Nach einiger Zeit könnten „einige Probleme dann möglicherweise nicht mehr vorhanden sein“. Banken regte an, die Fachleute der Verkehrsplanung noch einmal „drüberschauen zu lassen“ und gab zu bedenken: „Wenn wir die Fahrradstraßen wieder abschaffen, sind die Vorteile weg.“ Gleichzeitig bestehe die Möglichkeit, Fördermittel zu verlieren oder bereits bewilligte Gelder bei Abschaffung sogar zurückzahlen zu müssen.
Drei Jahre Planungszeit für das Radverkehrskonzept
Die Erste Beigeordnete Daniela Hoffmann berichtete von einer langen Planungszeit von drei Jahren, zu der zahlreiche öffentliche Ausschusssitzungen und zwei Ratsbeschlüsse zählten. So war bereits im Juni 2021 im Ausschuss für Umwelt und Mobilität über das weiterentwickelte Radverkehrskonzept berichtet worden, ebenso über die modifizierten Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Rheinbach inklusive der Regeln und Beschilderungen für Fahrradstraßen. Zu den Vorgaben gehörten bereits damals die Einführung von Tempo 30 und eine Unterordnung der Autofahrer. Das Schild „Anlieger frei“ unter dem Verkehrszeichen „Fahrradstraße“ sollte Kraftfahrzeugen der Anwohner und deren Besucher das Befahren erlauben.
Die Öffentlichkeit sei direkt mit Briefwurfschreiben und an Schulen verteilten Handzetteln informiert worden, außerdem seien Banner und Plakate aufgehängt und Flyer und Postkarten an öffentlichen Stellen verteilt worden. Weitere Mittel der Kommunikation waren die sozialen Netzwerke und ein Newsletter, der auch digital abonniert werden kann. „Wir haben immer aktiv über den Stand informiert, alle Treffen der Arbeitsgruppen waren öffentlich“, betonte die Diplom-Verwaltungswirtin. Die Maßnahme habe das Ziel, die Sicherheit des Radverkehrs zu verbessern und den motorisierten Verkehr von dem Innenstadtbereich fernzuhalten. „Ja, das bedeutet für die Autofahrer manchmal Umwege an der einen oder anderen Stelle.“ Würde der KFZ-Verkehr allerdings komplett zugelassen, gefährde das die Sicherheit der Radfahrer, so laute auch eine Einschätzung von Fachleuten der Direktion Verkehr der Polizei Bonn.
Durch die Umlenkung mehr Verkehr in der Stadt?
SPD-Ratsfrau Ute Krupp forderte zu einem umsichtigen Handeln auf. Die Verwaltung sollte die Chance bekommen, „etwas zu entwickeln, das Sinn macht“. Krupp erinnerte daran, dass es für die Verbesserung der Fahrradstraßen in Rheinbach stets „einen breiten Konsens“ gegeben habe. Mitstreiterin Martina Koch (SPD) schloss sich dem Vorschlag einer erneuten Verkehrszählung von Torsten Bölinger an: „Ich denke, wir sollten das an die Verwaltung geben.“
CDU-Ratsherr Kurt Brozio und Mitstreiter Timo Wilhelm-Buchstab bekräftigten, sich nie gegen die Fahrradstraßen ausgesprochen zu haben. Das Thema sei zu wichtig, um noch in der Sitzung über den Antrag zu bescheiden. Beide hatten den Eindruck, dass durch die Umlenkung mehr Verkehr in der Stadt entstanden sei. Grünen-Ratsfrau Urte Seiffert-Schollmeyer zweifelte das an. Die Stadt sei nicht erst seit Einführung der Fahrradstraßen so voll. Sie schlug vor, dem Vorschlag der Verwaltung zu folgen und „diese Maßnahme im Rahmen der Verkehrsentwicklungsplanung weiter zu begleiten“. Außerdem mache es einen schlechten Eindruck, „wenn nun alles zurückgenommen wird“.
Der Aufregung in Social-Media-Kanäle gelte es, Besonnenheit entgegenzusetzen. Seiffert-Schollmeyer zeigte Vertrauen in die Anpassungsfähigkeit der Autofahrer. Auch sie selber, eigentlich „eine faule Socke“, fahre nun vom Höhenort Merzbach aus neue Wege: „Es geht, selbst mit über 60 Jahren.“ Dieter Huth (UWG) riet dazu, etwa fünf bis sechs Monate abzuwarten und keine vorschnelle Entscheidung zu treffen. Die Verkehrsplaner sollten die Chance bekommen herauszufinden, „wie die Situation für alle zufriedenstellender zu lösen ist“.
Fahrradstraßen in Rheinbach
Nach ausgiebiger Vorarbeit wurden im Oktober Fahrradstraßen in der Stadt Rheinbach eingerichtet, die Radfahrern mehr Sicherheit geben sollen. Umgewandelt wurden Turmstraße, Kriegerstraße, Kleine Heeg bis Eulenbach, Bachstraße und Stadtpark. In diesen Straßen wurden Bodenmarkierungen angebracht, Sicherheitstrennstreifen zu Parkplätzen markiert und Übergänge an Einmündungen rot eingefärbt. In den Fahrradstraßen dürfen Fahrräder in der Mitte der Straße nebeneinander fahren, es gilt Tempo 30 und Autofahrer müssen sich unterordnen.
Das Schild „Anlieger frei“ unter dem Verkehrszeichen „Fahrradstraße“ erlaubt es, die Fahrradstraße mit Kraftfahrzeugen zu befahren. Dies gilt für Anlieger und Besucherverkehr. Zu beachten ist, dass die gestrichelten Linien neben Parkplätzen keine Schutzstreifen für den Radverkehr sind, sondern Sicherheitsstreifen. Radfahrer sollen links davon fahren, um zu vermeiden, in plötzlich aufgehende Türen parkender Autos hineinzufahren.
Der Maßnahme liegen zwei Ratsbeschlüsse zugrunde, der erste erfolgte im August 2020 in Kooperation mit dem ADFC und engagierten Bürgern. Die Einrichtung von Fahrradstraßen zählt zu den festgelegten Maßnahmen, die im Rahmen des Projekts „Zukunftsorientiertes Radverkehrsnetz Rheinbach“ bis 2026 umgesetzt werden. Sie sind Teil des vorgesehenen Radroutenrings in Rheinbach, der in der Innenstadt hauptsächlich auf „Nebenstraßen“ zusammenhängend eingerichtet wird. Auf diese Weise sollen den Radfahrern sichere Wege abseits der Hauptverkehrsrouten des motorisierten Individualverkehrs angeboten werden.