In Rheinbach trafen sich Sammler auf der Vereinsbörse der Briefmarkenfreunde. Darunter der 100-jährige Hans Kraus. Briefmarkensammeln ist nicht nur Leidenschaft, sondern hält geistig fit.
Rheinbacher BriefmarkenfreundeDas älteste Mitglied fand Schnäppchen auf der Vereinsbörse
„Ich werde im Februar 101 Jahre alt“, sagt Hans Kraus im Gespräch mit der Rundschau und hält stolz ein Briefmarkenalbum in den Händen, dass er gerade für drei Euro erstanden hat. Darin: Etliche Briefmarken der Serie „Germania“, die zwischen 1900 und 1922 im Deutschen Reich verwendet wurden. Das Album hat er beim jährlich am ersten Advent stattfindenden Rheinbacher Briefmarkentag der Rheinbacher Briefmarkenfreunde erstanden.
Kraus berichtet, dass er seit dem 8. Lebensjahr sammle. Abgelöste Briefmarken habe er damals auf dem Kachelofen getrocknet, „und wenn die dann runtergeflogen sind, habe ich sie ins Album gesteckt“, sagt er lachend. „Einen ziemlich großen Haufen Alben“ habe er zu Hause, was damit wird, wenn er stirbt, „was ja nun nicht mehr so lange dauern wird“, wie er selbstverständlich und gelassen einfügt, wisse er nicht. Sein Sohn und seine beiden Enkel hätten jedenfalls kein Interesse.
„Acht Jahre ist das typische Alter gewesen, mit dem man mit dem Sammeln anfing; man konnte lesen und verstand auch, was auf Briefmarken gezeigt wird“, sagt Udo Lucas, Vorsitzender des Vereins, der den Tag in der Aula der Schule am Dederichsgraben organisiert hat.
Rund 80 Menschen kamen zum Sammlertreff, kramten in Kisten und blätterten in Alben der etwa 15 hinter Tischen sitzenden Sammler. Lucas pausierte sein Hobby während der Pubertät, fing aber etwas später wieder damit an. „Und das ist eben vielfach nicht passiert. Gesammelt haben früher die meisten Kinder, es aber dann später gelassen. Die Alben verstaubten im Regal oder verschwanden. Uns fehlt schlicht der Nachwuchs. 30 Mitglieder habe der Verein, das jüngste ist der 35-jährige Tobias Schaetzer; deshalb ist er auch Jugendwart. „Wir haben heute eine Jugendecke eingerichtet und auch angekündigt, an junge Besucher Marken zu verschenken“, sagt Lucas, aber niemand sei gekommen.
Und dass niemand kommt, allerdings weil er zu alt oder verstorben ist, sei das Schicksal etlicher Briefmarkenvereine. Mehrfach seien schon „Restmitglieder“ anderer Vereine aufgenommen worden, um ihnen eine Vereinsheimat zu geben. Dabei halte Briefmarkensammeln auch geistig fit, wie man ja an Hans Kraus sehe.
Die „Aktie des kleinen Mannes“, eine Wertanlage, sei die Briefmarke in der Regel nicht mehr. Obwohl: Udo Lucas, der Marken aus China sammelt, hatte erst am Morgen eine chinesische Marke an einen aus Peking stammenden Mann, der in Düsseldorf arbeitet, verkauft. „Für 50 Euro, weil sie flutgeschädigt war. Der Mann wird sie restaurieren und dann vermutlich in China verkaufen.“ Eigentumswohnung, Auto und Briefmarkensammlung seien für Chinesen wichtig, so Lucas . Wäre seine Marke unbeschädigt gewesen, hätte sie 500 Euro gebracht.
„Noch etwa 500 000 Sammler gibt es in Deutschland, um die 100 000 davon sind in Vereinen organisiert“, sagt Karl-Heinz Richartz, stellvertretender Vorsitzende des Bundes Deutscher Philatelisten, Landesverband West, und jährlich fielen 500 Sammler weg.
Das Sammeln kann sich lohnen
„Sammeln aus Leidenschaft macht Spaß und lohnt sich allein deshalb, nicht des Wertes wegen“, sagt Volker Holstein, der Marken und Sammlungen bewertet und, wenn es sich lohnt, einem Aachener Auktionshaus zuführt. „Ende September wurde ein 175 Jahre alter Ersttagsbrief mit dem Schwarzen Einser, der ersten Deutschen Briefmarke, in Wiesbaden für 440 000 Euro versteigert“, sagt Udo Lucas, aber das sei natürlich eine Ausnahme.
Lohnen könne sich das Briefmarkensammeln aber immer noch: „Alte Deutsche Marken vor 1945 und dann rückwärts sammeln, also immer ältere und nicht jüngere. Am besten postfrisch, also nicht gelaufen oder gestempelt und von guter Qualität“, das empfiehlt Holstein. Mit guter Qualität meint er Marken in sauberen, unbeschädigtem Zustand, ohne fehlende Zacken, besser: Zähne. Denn die Zacken an den Briefmarken werden von den Sammlern Zähnung genannt.
Die Zeit, mit dem Sammeln zu beginnen, scheint günstig: Wenn die Zahl der Sammler weiter abnimmt und immer mehr Sammlungen auf den Markt kommen. Da könnten sich günstige Möglichkeiten ergeben, findet Udo Lucas und verspricht gegenüber der Rundschau: „Die Rheinbacher Briefmarkenfreunde treffen sich jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Glasmuseum Rheinbach, wenn Kinder oder Jugendliche kommen, werden wir ihnen auch dann Briefmarken als Sammlungsstart schenken“. Und vielleicht lohnt es sich ja sogar, Opas Briefmarkenalben mitzubringen.