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Systeme oder SteuernMehrweg statt Einweg: Wie kann in Rhein-Sieg Verpackungsmüll vermieden werden?

Lesezeit 5 Minuten
Eine Mehrwegschüssel steht mit Essen gefüllt auf einem Tisch.

Eine Mehrwegschüssel steht mit Essen gefüllt auf einem Tisch.

Um Verpackungsmüll zu reduzieren, ist in Meckenheim ein einheitliches Mehrwegsystem eingeführt worden. Wie wird es angenommen?

237 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf sind 2021 in Deutschland angefallen. Das teilte das Statistische Bundesamt Ende des vergangenen Jahres mit. Um Verpackungsmüll zu reduzieren, gibt es unterschiedliche Stellschrauben, an denen Bürger, Städte und Gemeinden sowie Länder drehen können. Um eine mögliche Stellschraube geht es Donnerstagabend im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Bornheim.

Der Verein Deutsche Umwelthilfe und eine Bürgerin aus Bornheim haben die Erhebung einer örtlichen Verbrauchssteuer auf Einweg-Takeaway-Verpackungen in Bornheim beantragt. Sowohl die Deutsche Umwelthilfe als auch die Bürgerin führen die Vermeidung von Verpackungsmüll sowie den Klima- und Ressourcenschutz als Begründung für ihren Antrag an. Ob und inwiefern eine solche örtliche Verpackungssteuer umsetzbar und zielführend ist, wird Donnerstagabend in Bornheim thematisiert.

Einführung eines möglichst einheitlichen Mehrwegsystems in Meckenheim

Bürgermeister Holger Jung (2.v.r.), und Vertreter aus Gewerbe, Gastronomie und der Dehoga bei der Vorstellung des Mehrwegkonzepts im Rathaus in Meckenheim.

Bürgermeister Holger Jung (2.v.r.), und Vertreter aus Gewerbe, Gastronomie und der Dehoga bei der Vorstellung des Mehrwegkonzepts im Rathaus in Meckenheim.

Einen anderen Weg, Verpackungsmüll zu vermeiden, geht die Stadt Meckenheim. Seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet das EU-Verpackungsgesetz Restaurants, Cafés, Imbisse und andere Gastronomiebetriebe ab einer bestimmten Größe dazu, ihren Kunden Mehrwegbehältnisse als Alternative zu Einwegverpackungen für Speisen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. So startete die Stadt Meckenheim im Zuge dessen eine Kampagne zur Einführung eines möglichst einheitlichen Mehrwegsystems.

Die Wirtschaftsförderung der Stadt Meckenheim begleitete dabei die Umsetzung der neuen Mehrwegangebotspflicht in Kooperation mit dem Meckenheimer Verbund und dem Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein (Dehoga). Das Ziel der Kampagne war es, die Gastronomiebetriebe frühzeitig zu informieren und in Meckenheim ein möglichst einheitliches Mehrweg-Angebot umzusetzen. Die Meckenheimer Firma Hygiene Express und Vertriebspartnerin der Firma Relevo GmbH bot dem Einzelhändlerverband Vergünstigungen für Gastronomiebetriebe an, die sich für den Einsatz der Mehrwegmaterialien von Relevo entscheiden.

„Mehrwegsystem nicht praktikabel“

Doch wie wird dieses einheitliche Mehrwegangebot von den Kunden angenommen? Jens Pfannkuch, Inhaber des Restaurants Stellwerk in Meckenheim, hat dazu eine klare Meinung: „Ich halte das Mehrwegsystem nicht für praktikabel.“ Seit einem Jahr biete er die Mehrwegalternativen von der Firma Hygiene Express an. „Zwei Leute haben mich jetzt gefragt, ob wir das haben. Nur eine Person hat das System benutzt“, erklärt Pfannkuch. Das Interesse gehe „gegen null“.

Den Vorstoß der Stadt, ein einheitliches Mehrwegsystem einzuführen, finde er gut. „Wir haben mit dem Hygiene Express einen Anbieter aus Meckenheim genommen, aber die Leute interessiert es nicht.“ Am Eingang des Stellwerks hänge ein Schild, das darauf hinweist, dass sie bei der Aktion mitmachen. „Es ist in den Köpfen noch nicht drinnen. Eigentlich ist das Ganze nicht so sinnvoll“, sagt Pfannkuch.

Er sieht einen „entscheidenden Denkfehler“ bei der Umsetzung: „Es ist das Wesen des Takeaways, das ist eine spontane Entscheidung.“ Wer nach der Arbeit Hunger habe, und sich dazu entscheide, etwas zum Mitnehmen zu besorgen, müsste seine Mehrwegverpackungen bereits dabei haben, um dieses eintauschen oder nutzen zu können. „Soll ich vor der Arbeit daran denken, dass ich danach noch die Verpackung brauche?“

Das Takeaway-Essen sei nicht mehr das Kerngeschäft von Jens Pfannkuch, anders als während der Pandemie: „So gut wie jeden Tag kommen ein, zwei Menschen, die sich etwas holen. Ich lebe nicht mehr vom Takeaway.“

Statt zum Mehrwegsystem zu greifen, würden seine Kunden eher die Einwegverpackungen wählen. „Die sind bei uns biologisch abbaubar, das haben wir schon von Anfang an so gemacht. Das ist ein Minimalbeitrag, den kann man leisten und das hilft wirklich“, führt Pfannkuch an.

Kompostierbare Verpackungen und Mehrweg im Eincafé Forum in Meckenheim

Bereits vor der Verpflichtung einer Mehrwegalternative hat sich Luca Carpené, Inhaber des Eiscafé Forum in Meckenheim, dazu entschieden, sein Takeaway-Angebot nachhaltiger zu gestalten. „Ich wollte Pappbecher mit unserem Logo machen und habe mich dafür mit einer Firma in Italien in Verbindung gesetzt, die kompostierbare Verpackungen machen.“

Das habe er schon vor der Pandemie, 2019/ 2020 in Angriff genommen. „Wenn sie bei mir einen Becher kaufen, können sie ihn in den Biomüll werfen“, erklärt Carpené. Er biete seitdem kompostierbare Becher und Strohhalme an. „Die kosten ein bisschen mehr als früher. Aber ich denke, man muss selber etwas beitragen. Ich bin nicht so groß, aber ich mache ein bisschen was.“

Dann kam das einheitliche Mehrwegsystem in Meckenheim auf: „Ich bin nicht so zufrieden, wie das angenommen wird.“ Viele wüssten nicht, wie das System funktioniert. Und bei Personalnot und hoher Nachfrage sei es nicht leicht, die Zeit zu finden, um die Kunden darüber aufzuklären. So hätten sich nur „ganz wenig“ Besucher seiner Gastronomie dafür entschieden.

„Es steht bei uns am Tresen und wir schlagen das vor, aber die Leute nehmen lieber ein Hörnchen“, so Carpené. Aber es gebe auch Gäste, die mit Bechern von Zuhause kommen. „Das ist auch keine schlechte Idee“, findet er. Auch die Idee des Mehrwegsystems finde Carpené gut. „Ich glaube, es wird irgendwann laufen, aber das dauert etwas.“

Problem der Akzeptanzstellen

„Es gibt noch Luft nach oben - vielleicht ist es auch viel Luft“, erläutert Mathias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein (Dehoga). „Das Problem ist, die Behältnisse, egal wie aussehen, sind unsexy. Und auch unpraktisch.“ Ein großes Problem seien die Akzeptanzstellen, also die Orte, an denen das Mehrweggeschirr zurückgegeben werden kann. „Uns als Dehoga schwebt vor, ein einheitliches Rückgabesystem zu schaffen. Die Akzeptanzstellen müssen mehr werden - und ‚unisex‘“, so Johnen. Bisher gebe es zu wenig solcher Orte und die, die es gibt, nehmen nicht alle Mehrwegsysteme an.

„Man darf es auch nicht verkomplizieren. Sonst findet man das Mehrwegplastik im nächsten Mülleimer. Es muss im System, im Kreislauf bleiben“, sagt Johnen. Er sieht auch die Kunden in der Verantwortung, die stärker nach Mehrweg fragen sollten und sich noch immer in Einweg, auch aus Bequemlichkeit, drängten.

„Die Lösung ist nicht die kommunale Verpackungssteuer“, findet Johnen. Es liege rechtlich dabei noch viel im Argen, daher sei es sinnvoller, zunächst abzuwarten. Zudem sehe er das Problem eines Flickenteppichs: „Wenn ich als Pendler unterwegs bin, müsste ich vielleicht in Bornheim etwas anderes zahlen als woanders.“ Die Menschen müssten von Mehrwegalternativen überzeugt werden: „Und wenn ich Steuer höre, ist das nicht unbedingt eine Kampagne für mehr Mehrweg.“

Die Kunden sollten auf dem Weg mitgenommen werden, aber nicht mit der Brechstange und Verboten. „Es bleibt ein Stück weit unbequem“, so Johnen.


Haupt- und Finanzausschuss in Bornheim

Am Donnerstag, 18. Januar, befasst sich der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Bornheim mit einer Steuer auf Einweg-Verpackungen für Takeaway. Die Verwaltung schlägt auch wegen rechtlicher Bedenken vor, darauf zu verzichten. Beginn ist um 18 Uhr im Ratssaal, Rathausstraße 2.