Professor im InterviewCampus Klein-Altendorf forscht an klimaresistenten Pflanzen

Prof. Dr. Ralf Pude ist Geschäftsführer am Campus Klein-Altendorf.
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Rhein-Sieg-Kreis – Prof. Dr. Ralf Pude ist Geschäftsführer am Campus Klein-Altendorf der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn und leitet den Forschungsbereich Nachwachsende Rohstoffe. Ein Gespräch über die Erforschung klimaresistenterer Pflanzen.
Herr Professor Pude, Trockenheit und Hitze machen der Landwirtschaft in unserer Region sehr zu schaffen. Häufig müssen Kulturen aufwendig bewässert oder vor der Sonne geschützt werden, was früher so nicht nötig war. Der von Ihnen geleitete Campus Klein-Altendorf beschäftigt sich mit aktuellen und zukunftsorientierten Fragen rund um Nahrungsmittelpflanzen und Nachwachsende Rohstoffe. Erforschen Sie dort auch diese Problematik?
Es war in der Vergangenheit so, dass häufig nur auf Ertrag geschaut wurde. Dabei wurde der untere Teil der Pflanze oft vernachlässigt. Es hat gedauert, bis man erkannt hat, dass man sich wesentlich mehr auch mit dem Wurzelsystem von Pflanzen beschäftigen sollte. So sind auf dem Campus Klein-Altendorf schon seit einiger Zeit Projekte in dieser Richtung gestartet. Wenn man nur auf Ertrag züchtet, die Pflanze also viel oberirdische Biomasse macht, dann fehlt die Menge an Energie um ein kräftiges Wurzelsystem auszubilden. Seit gut sechs Jahren gibt es daher verstärkt Forschungen, die sich mit dem Wurzelwachstum beschäftigen. Es sind verschiedene Kollegen wie die Pflanzenbauer, Bodenkundler und Kollegen von der Landtechnik dabei, die schauen, wie man es schafft, dass Wurzeln tiefere Bodenschichten und damit mehr Wasser erreichen können.
Was kann denn der Landwirt aktuell tun?
Man kann sehr viel machen, zum Beispiel den Humusgehalt im Boden erhöhen, der das Wasser bindet. Er hat Einfluss über die Frucht- und Felderfolge, Pflanzenauswahl, die Sortenwahl. Aber irgendwann, wenn es nur noch trocken ist, nutzt das alles nichts mehr. Wasser ist und bleibt der begrenzende Ertragsfaktor.
Sie gehen also davon aus, dass die Trockenheit anhält?
Wir machen hier seit 1954 Wetteraufzeichnungen und es ist ganz eindeutig, dass sich die Niederschlagsverteilung verändert und die Temperatur steigt. Im Frühjahr ist die Problematik, dass es viel, viel früher warm wird, aber dann, wenn die Äpfel oder Aprikosen in der Blüte stehen, noch einmal Frost kommt. On top gibt es viel weniger Niederschläge. Deshalb hat man ein echtes Problem mit den Kulturen, die man hier üblicherweise anbaut. Wissenschaft sollte im Voraus sein, deshalb erforschen wir, was wir bei den bestehenden Kulturen machen kann. So haben wir bereits vor zehn Jahren einen Rainout-Shelter (Foto oben) gebaut, um Trockenstress zu simulieren. Aber wir forschen auch an ganz neuen, alternativen Kulturen. Die Landwirte versuchen bereits auch, wärmeliebende Pflanzen anzubauen wie die Sojabohne, was dieses Jahr auf vielen Feldern in der Region zu sehen ist.
Dafür braucht man aber auch einen Markt!
Genau. Das geht natürlich nur, wenn der Absatz stimmt. Zum Beispiel bei den Sojabohnen, da möchte man ja mehr regional angebaute Eiweißpflanzen haben. Es entwickelt sich gerade auch durch die Eiweißpflanzenstrategie des Bundes positiv, es ist aber immer noch ein Risiko für den Landwirt. Wir selber haben Forschungsprojekte mit mehrjährigen Pflanzen. Das ist vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, aber diese low-input-Pflanzen etabliert man einmal, erntet dann 20 Jahre lang und hat dazwischen kaum Aufwand. Dadurch bildet sich ein stabiles Wurzelsystem, deshalb kommen diese Pflanzen mit diesem Klima viel besser zurecht. Dazu gehört die Durchwachsene Silphie , eine gelb und sehr lange blühende Präriepflanze aus Nordamerika, die hier angebaut werden kann. Wir sind dabei, die Pflanze energetisch aber auch stofflich zu nutzen und sogar züchterisch zu optimieren, dass man z.B. auch die Samen verwenden und daraus ein Öl gewinnen könnte. Das ist Zukunftsforschung für die nächsten fünf bis zehn Jahre, die aber schon draußen auf dem Feld steht.
Das würde die Kulturlandschaft ringsherum verändern?
Ja, es wäre aber auch als Bereicherung für die Insekten interessant, sogenannte ökosystemare Dienstleistungen, weil es sich um spät im Jahr blühende Pflanzen handelt. Die Idee, die da hinter steht ist, neu zu denken, intelligenter an die Sache heranzugehen, das versuchen wir hier als Vorzeigecampus. Es kommt dann die Phase, dass wir an die Landwirte herangehen können, die das entsprechend ausprobieren können.
Stehen Sie im Austausch mit der Landwirtschaft? Können Leute auch kommen und nach Lösungen für ihre Probleme fragen?
Wir haben üblicherweise jedes Jahr den Apfeltag im August, der diesmal nur in ganz kleinem Rahmen stattfinden kann. Dann kommen zum Beispiel alle Apfelbauern der Region. Auch im Ackerbau haben wir regelmäßig Führungen, aber wir machen keine Beratung. Das ist Aufgabe der Landwirtschaftskammer NRW, deren Vertreter oft am Standort sind. Das Dreieck Forschung, Beratung und Praxis ist das, was wir hier leben. Wir wollen hier auf gar keinen Fall Schubladenforschung betreiben, sondern angewandte Forschung, die anschließend in die Praxis umgesetzt wird.
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Wie lange dauert es denn, bis sie sagen können, dass eine Pflanze hier wachsen kann und bestimmte Vorteile hat?
Das kann locker 10 bis 15 Jahre dauern. Das erscheint als langer Zeitraum, aber das Schlimmste ist, etwas zu früh in die Praxis zu bringen. Das schilfartige Miscanthus zum Beispiel, über die ich meine Doktorarbeit geschrieben habe, war um 1990 zu früh in die Öffentlichkeit geraten. Problem war, dass die Pflanzen den ersten Winter nicht überlebt hatten. Das hatte ein Negativ-Image für die Pflanze, sie wurde nicht mehr angebaut, und es hat Jahre gedauert, die Landwirte von dieser absoluten low-input Pflanze mit enormer CO2-Bindung zu überzeugen, es geht. Jetzt gibt es zahlreiche Beispiele hier in der Region in Rheinbach, Heimerzheim oder in der Grafschaft, wo Landwirte diese Ideen umsetzen. Meist wird Miscanthus hier als Tiereinstreu für Pferdeställe vermarktet, oder als Heizmaterial genutzt, es ist daher eine Einkommensalternative. Wir forschen aber auch intensiv an der Nutzung für die Baustoff- und Verpackungsindustrie, sowie als Substrat für den Gartenbau.
Denken Sie, dass zum Beispiel die Obstbaumkulturen Bestand haben? Oder muss sich die Apfelstadt Meckenheim auf längere Sicht ein neues Logo ausdenken?
Am Campus Klein-Altendorf machen wir alles, von A wie Apfel bis Z wie Zuckerrübe, und wir bilden auch landwirtschaftlichen Nachwuchs (Azubis, Meisterschüler und Studenten) aus. Es gibt tatsächlich viele Obstbauer, die sich fragen, ob es den Hofnachfolgern zuzumuten sei, den Betrieb weiterzuführen. Der Vorteil ist, mit einer Bewässerung geht das. Viel schlimmer ist das, was aber vermutlich wieder in den nächsten Wochen passieren wird, und zwar aggressives Wetter mit Sonnenbrand auf den Äpfeln. Also braucht man auch hier Netze, um die Folgeschäden zu vermeiden. Das alles kostet. Andererseits kann man mit Äpfeln mehr verdienen als mit Getreide, aber das Risiko ist auch höher.
Wie steht es um den „bio innovation park Rheinland“ ?
Mit dem „bio innovation park Rheinland“ um Meckenheim und Rheinbach soll ein Kompetenz- und Präsentationsraum rund um die Grünen Technologien der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie des Obst- und Gartenbaus entstehen. Beteiligt ist daran auch der Campus Klein-Altendorf. Ziel ist es, durch engen Kontakt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft Innovationen zu fördern und den „bio innovation park Rheinland“ regional und international zu profilieren.
Herr Professor Pude, für viele Leute ist nicht wirklich sichtbar, was da geschieht. Wie ist der aktuelle Stand des Projektes?
Wir werden einen neuen Vorstand wählen und richtig loslegen. Wir haben jetzt schon mit Dirk Vianden, dem ehemaligen Kanzler der Alanus Hochschule, einen neuen Geschäftsführer. Bei der kommenden Mitgliederversammlung in September wählen wir eine neue Vorsitzende oder einen neuen Vorsitzenden. Wir wollen Schwung in die Sache bringen, unterstützt vom Kreis, den beiden Kommunen Rheinbach und Meckenheim und den drei Hochschulen. Wir sind dabei, Gelder einzuwerben, um uns professionell aufzustellen.
Richtig loslegen heißt?
Wir brauchen Personal, um nach außen darzustellen, was wir machen und um Drittmittel einzuwerben. Wir wollen sogar mittelfristig aus dem Verein eine GmbH zu machen, um Dienstleistung anbieten zu können.
In welcher Form?
Zum Beispiel zur Unterstützung von Firmen, z.B. in Form der Erstellung von Nachhaltigkeitszertifikaten und vielem mehr.
Wird das Projekt dann auch nach außen sichtbarer?
Ja, es schlummert etwas, auch weil bisher alle ehrenamtlich gearbeitet haben. Aber das wollen wir jetzt deutlich ändern. Nach der Vorsitzendenwahl soll es richtig losgehen.
Haben Sie engen Kontakt mit den Städten Meckenheim und Rheinbach?
Wir stehen in ganz eng Kontakt mit beiden Städten, Rheinbach und Meckenheim. Von Beginn an sind immer beide Bürgermeister zu den Besprechungen gekommen. Ich wohne auch selbst in der BioIP-Region, auch das ist von Vorteil. Man kann sich gut austauschen, sich gegenseitig helfen. Es ist anders als in Bonn, wo die Instanzen weiter entfernt sind. Hier nimmt das der Bürgermeister unter Umständen selber in die Hand.
Wie viele Leute sind am Campus tätig?
Um die 60 Mitarbeiter vom Azubi bis zum Wissenschaftler, davon ist die Hälfte fest angestellt. Alle übrigen Mitarbeiter sind über Drittmittel befristet finanziert.
Bekommen Sie Landesmittel für die Forschung?
Wir müssen die Gelder einwerben, wir müssen uns um Förderprogramme bemühen.
Das Musterhäuschen aus nachwachsenden Rohstoffen im Industriepark Kottenforst, das jüngst eröffnet wurde, dient also auch der Außenwirkung?
Ja, das ist eine prototypische Anwendung, um zu zeigen, soweit sind wir gekommen. Wir suchen nun nach Forschungsgeldern für eine Implementierung der Idee in die Region.