Ein Lösungsansatz, wie Bauflächen nicht nur neu erschlossen, sondern der Bestand in Wert gesetzt werden kann, kommt von Regina Rosenstock. Sie ist Leiterin des Referats für Wirtschaftsförderung und strategische Kreisentwicklung des Rhein-Sieg-Kreises.
Neues Denken in Bonn/ Rhein-SiegWirtschaftsförderin Regina Rosenstock schlägt Flächenkreislaufwirtschaft vor

Wirtschaftsförderin Regina Rosenstock.
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Wer vom Michaelsberg in Siegburg auf die Kreisstadt schaut, sieht ein dicht besiedeltes Zentrum und hier und da einige Grünflächen. Wo soll da noch gebaut werden? Dabei wird Bauland dringend gebraucht. Der Druck auf die Ressource Land ist enorm: Handel, Handwerk und Industrie benötigen dringend Fachkräfte, und die wollen eine Wohnung haben, wenn sie sich für eine Stelle in der Region entscheiden.
Gewerbe und Industrie wollen expandieren – wohin, wenn kein Grundstück da ist? Land- und Forstwirtschaft brauchen Boden, die Landwirtschaft, um etwa die weltweiten Folgen der Weizenknappheit wegen des Krieges in der Ukraine auszugleichen, die Forstwirtschaft, um Bäume neu zu pflanzen, weil die alten zum Beispiel vom Borkenkäfer gefressen worden sind und Holz als Baustoff immer wichtiger wird. Damit weniger Autos auf den Straßen fahren, sind Radschnellwege nötig. Für die Energiegewinnung sollten Flächen für Windräder vorgehalten werden. Tourismusexperten rufen nach Wanderwegen für Erholungssuchende.
In Höhe und Breite verdichten
Das ist die komplexe Ausgangslage, die Regina Rosenstock mit Zahlen belegt. Im Regionalplan werden nach Berechnungen der Bezirksregierung Köln für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis folgende Flächenbedarfe und Potenziale formuliert: Bedarf Wohnen und Mischnutzung 2699 Hektar, Potenzial 1863 Hektar; Bedarf Gewerbe 761 Hektar, Potenzial 557 Hektar. Das heißt: Es besteht eine Unterdeckung, die benötigten Flächen können mit den vorhandenen nicht ausgeglichen werden, auch nicht mit den außerhalb des Siedlungsraums möglichen nutzbaren Grundstücken von insgesamt 264 Hektar.
Die Wirtschaftsförderin hat eine weitere Zahl parat: 92.000 Wohnungen werden in der Region benötigt; nimmt man dafür die Bestandsflächen in Anspruch, kann der Bedarf nur zu einem Drittel erfüllt werden. Daraus folgt Rosenstocks Lösungsvorschlag: Verdichten, und zwar in der Höhe und auch in der Breite. Also rein in die Lücke. Dann nämlich könnten bis zu 82.000 Wohneinheiten errichtet und damit der Bedarf zu 90 Prozent gedeckt werden. In der Bundesstadt, in der 752 Hektar Wohnraum fehlen, könnte in die Höhe gebaut werden, um mehr Wohnungen auf derselben Fläche zu erhalten. So macht es zurzeit ein Unternehmen, das in der Gotenstraße in Bad Godesberg auf mehrere Wohnblocks je ein neues Dachgeschoss setzt.
Ähnliches wäre in der Wirtschaft möglich, meint Rosenstock. Wer im Bestand baue, müsse „die bestehende Fläche neu denken“, sagt sie. „Warum nicht eine Industriehalle aufstocken, statt Boden für einen Erweiterungsbau zu versiegeln?“ Oder in einer Hülle Module vorsehen, die sich versetzen lassen. So könnten neue, architektonisch spannende und moderne Gebäude entstehen, etwa mit begrünten Fassaden oder Dachflächen, die es für Mitarbeiter reizvoll erscheinen lassen, darin zu arbeiten.
Beispiel Unternehmerpark Kottenforst in Meckenheim
Herkömmliche Bauten haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 50 Jahren, Industriehallen werden aber viel schneller abgerissen. Regina Rosenstock schlägt hier eine Kreislaufwirtschaft wie beim klassischen Recycling vor. Wenn die Baumaterialien von Anfang an katalogisiert werden, könnten sie nach dem Abriss anderswo wiederverwertet werden; das spare Ressourcen. Die Referatsleiterin verweist auf das Beispiel des Unternehmerparks Kottenforst in Meckenheim, in dem sich seit 2020 Firmen ansiedeln, die auf relativ kleinen Parzellen nachhaltige Produkte erzeugen, qualitative Arbeitsplätze schaffen, sich dem Klimaschutz verpflichten und die Synergien mit anderen Unternehmen und Partnern aus dem benachbarten „bio innovation park Rheinland“ schaffen wollen. Das ist ein zwischen Meckenheim und Rheinbach liegender interkommunaler Wissens- und Gewerbepark.
Die Flächenkreislaufwirtschaft funktioniert laut Rosenstock, wenn von Beginn an klar sei, dass nicht alles neu erschlossen, sondern der Bestand in Wert gesetzt werde. Es müsse ein Bewusstsein geschaffen werden, wie der Flächendruck ohne negative Auswirkungen auf das Klima behoben werden kann. Für solch „clevere Lösungen“ sei die Zusammenarbeit von Architekten, Verwaltungen und Bauunternehmen erforderlich, die klassische Netzwerkarbeit eben, um neue Wege gehen und Lebensraum schaffen zu können.