„Wo stehen wir?“ Die Frage wollte der Meckenheimer Bürgermeister Holger Jung (CDU) nach zweieinhalb Jahren im Amt gerne selbst beantworten. Sein Fazit: Er sei „krisenerprobt und gestaltungsstark.“
„Wo stehen wir?“Meckenheims Bürgermeister zieht Halbzeitbilanz
Als Bürgermeister habe er noch keine krisenlose Zeit erlebt, erst kam die Flut, dann Corona. „Dabei geht fast unter, dass wir trotzdem in der Zeit eine ganze Menge bewegt haben.“ Es sei zwar nicht alles vergnügungssteuerpflichtig, aber „sachorientierte Kommunalpolitik macht Spaß im Dreieck Bürger, Rat und Verwaltung“. Dennoch bestimmten die Krisen von außen auch die Halbzeitbilanz: „Prioritäten haben sich verschoben.“ Zwar habe Meckenheim nach der Flut jetzt eine sanierte Evangelische Grundschule, andererseits konnten Objekte wie das Gebäude der ehemaligen Arbeitsagentur am Neuen Markt nicht vermarktet werden, weil sie Unterkunft für Schutzsuchende sind.
Insgesamt elf Millionen Euro hat Meckenheim aus dem Wiederaufbauplan bekommen, „die muss man auch erstmal verbauen“, so Jung. „Wir sind schon extrem stolz darauf, was trotz der Krisen alles auf den Weg gebracht wurde.“ Zwölf Ziele habe er sich zu Beginn seiner Amtszeit gesetzt und die auch nicht aus den Augen verloren, sagt Jung. Dazu gehören:
Wohnraum: Meckenheim wolle nicht nur eine Zuzugskommune sein, sondern auch Raum für die Bedürfnisse der eigenen Bürger schaffen. Und zwar mit Baugebieten wie den Weinberger Gärten; hier laufe die Vermarktung, das Angebot sei für jeden Geldbeutel gedacht. Der Anteil an bezahlbarem Wohnraum beläuft sich auf 20 Prozent. Am Viethenkreuz in Altendorf-Ersdorf sind noch acht Grundstücke zu erschließen, für das „MarktplatzQuartier“ in der Meckenheimer Altstadt sei der Bebauungsplan in Arbeit. „Das war ein jahrelanger Prozess“, sagt Jung, hier biete sich im Wohn- und Pflegeheim besonderer Wohnraum. Was den „Merler Keil III“ angehe, müsse man jetzt nach der Flut anders denken und auch Erfahrungen aus der Starkregenkarte einbauen. Ärgerlich seien die Verhandlungen mit der Bahn beim Rahmenplan Nördliche Stadterweiterung: Schon seit Jahren ist vorgesehen, die beiden Bahnübergänge Kalkofenstraße und Baumschulenweg zu schließen und stattdessen eine Querspange in die Baugebiete jenseits der Bahn zu führen. Aber es gehe nicht voran.
Digitalisierung: „Wir haben ein Umsetzungsdefizit beim digitalen Unterricht“, gibt Jung zu. „Das freut mich natürlich auch nicht, wir haben verschiedene Engpässe. Die Kollegien sind bestens ausgestattet, aber für den digitalen Unterricht sind wir nicht so ausgestattet wie es sein sollte. Es gibt Engpässe, Personalprobleme in der Verwaltung und auch bei den Dienstleistern, bei der Hardware fehlen einfach viele Produkte. Ich kann aus Sicht der Schulen verstehen, dass es nicht schnell genug geht. Ich wäre da auch gerne weiter, aber wir arbeiten an Lösungen“, sagt Jung. Was die Infrastruktur angehe, seien die Merler Schulen auf dem besten Stand.
Der geplante Neubau von Gymnasium und Realschule am Schulcampus sei vorbildlich in dem, „was Medien und Lernorte der Zukunft auch benötigen.“ Kinder und Jugend: „Der Schulneubau mit einem Volumen von rund 140 Millionen Euro am Schulcampus ist das Projekt dieser Legislaturperiode und darüber hinaus“, stellt Jung voran. „Es gab keine Alternative dazu.“ Er sei dankbar, dass alle 46 Ratsmitglieder diesem Beschluss zugestimmt haben.
„Ich glaube, wir schlagen hier zwei Fliegen mit einer Klappe“, so der Bürgermeister, „eine Sanierung hätte viel länger gedauert, wir hätten 1200 Schüler ausquartieren müssen und hätten es in der Sanierung nie so hinbekommen, dass wir den Ansprüchen der Digitalisierung genügen.“ Was die Kita-Plätze angeht, galt seit 2020, die bestehenden zu erhalten und Bedarfe anzupassen. Allerdings: „Viele Familien ziehen nach Meckenheim, nicht nur in neue Baugebiete, sondern weil auch im Bestand einiges frei wird. Entsprechend gibt es extremen Bedarf bei Kita-Plätzen.“
Zurzeit läuft ein Interessenbekundungsverfahren für eine sechsgruppige Einrichtung am Rathaus, er sei optimistisch, einen Bauherren zu finden. Bedarf gibt es in Altendorf-Ersdorf, die Kita ist am Rande der Auslastung angekommen, das Gebäude ist in die Jahre gekommen. Vor dem Hintergrund des neuen Baugebietes Viethenkreuz müssten zusätzliche Plätze geschaffen werden. Mit der Wald-Kita gibt es ab 1. August ein ergänzendes pädagogisches Angebot in der Stadt. Außerdem gibt es ein neues Großtagespflege-Angebot. Der OGS-Rechtsanspruch 2026 werfe seine Schatten voraus: Die Stadt wolle aber jetzt schon für 683 Kinder Plätze vorgesehen, die Mittel sind im Haushalt vorgesehen. Jung: „Das spricht für eine Familienfreundlichkeit.“
Was sich die Stadt auch leiste und leisten wolle, sei die Kinder- und Jugendbetreuung. Ferienangebote seien alle immer ausgebucht. Die katholische Bücherei wird zum Jahreswechsel städtische Bücherei und müsse allein schon deshalb erhalten werden, um Lesekompetenz zu vermitteln. Jung: „Es ist mit eine Herzensangelegenheit, dass wir eine Lösung finden.“ Was die Besetzung der Leiterstelle angeht, werde sich die Kirche vermutlich schwertun, bis zum Auslaufen des Vertrages am 31. Dezember eine Übergangslösung zu finden.
Klimaschutz und Mobilität: „Das Thema entwickelt sich extrem rasant“, so Jung. Mit großer Bürgerbeteiligung hat die Stadt ein Klimafolgenanpassungskonzept beschlossen, die Starkregengefahrenkarte liegt vor. Am 12. August ist in der Jungholzhalle ein Hochwasser-Aktionstag geplant. Jung: „Es geht aber immer nur so gut, wie die Unternehmen und Privatleute mitmachen. Eigenschutz ist ganz wichtig!“ Es sei Aufgabe der Stadt, dafür zu werben.
Als Nächstes folge das Klimaneutralitätskonzept: „Wir haben die Klimaneutralität bis 2045 beschlossen. Es gibt einen Auftrag der sechs linksrheinischen Kommunen, dass wir mit einer individuellen Betrachtung der Städte und Gemeinden eine Road-Map aufsetzen, was dazu getan werden muss. Es gibt eine CO2 -Analyse, wir wissen, wo wir stehen und wo wir ansetzen müssen.“ Neuer Bestandteil sei die kommunale Wärmeplanung, sie erhöhe den Druck. Die sechs linksrheinischen Kommunen hätten bereits vor sechs Monaten Förderanträge gestellt.
Auch bei der Mobilität sei die Stadt partizipativ unterwegs: Die neue Mobilitätsmanagerin bietet Rundgänge durch die Stadt und Workshops an. An Lösungen für E-Ladesäulen werde gearbeitet, dasselbe gelte für E-Bike-Stationen, die schwerpunktmäßig in den Ortschaften gebaut werden sollen. Jung: „Wir sind eine fahrradfreundliche Stadt und sollten Leute auf andere Mobilitätsideen bringen.“
Ehrenamt: „Hier haben wir die vorgegebenen Ziele schon schnell erreicht“, so Jung. Die Stelle eines Ehrenamtskoordinators wurde geschaffen und soll zum dritten Quartal besetzt werden. Er soll Ansprechpartner für die Ehrenamtler in der Verwaltung sein. „Im Dezember 2020 haben wir die Ehrenamtskarte eingeführt und haben bereits 150 dieser Karten plus Jubiläumsehrenamtskarten ausgegeben. Das hat einen Nerv getroffen. Die Menschen sehen das als Zeichen der Wertschätzung.“
Insgesamt funktioniere die Stadtgesellschaft ohne Ehrenamt nicht. Das gelte insbesondere für die Feuerwehr, die eine gesetzliche Aufgabe der Stadt wahrnehme. Sicherheit und Sauberkeit: „Wir haben den Ordnungsaußendienst wieder personell ausstatten können und die Kooperation mit der Polizei nach Corona reaktiviert“, informiert Jung. Der Bestand der Polizeiwache sei langfristig gesichert und erfreulich sei, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche extrem zurückgehe.
Stadtmarketing: Das Stadtmarketing sei neu aufgestellt worden, die Kooperation mit dem Meckenheimer Verbund vollzogen, eine Citymanagerin ist eingestellt. Jung: „In einer Größenordnung, wie sie die Stadt Meckenheim hat, sollten Stadt und Unternehmer zusammenarbeiten.“ Es habe sich gezeigt, dass dies die richtige Entscheidung war. Problem seien die Leerstände in der Altstadt: „Irgendwann müssen wir uns anderen Konzepten zuwenden, weil wir uns den klassischen Einzelhändler nicht mehr finden.“ Eine Idee sei Coworking-Space.
Unternehmerpark: „Klar ist, dass ich nach zweieinhalb Jahren nicht damit zufrieden bin, was die Bebauung anbelangt. Wir sehen noch nicht so viel, wie ich mir das vorstellen würde.“ Es sei nicht so, dass die Anforderungen zu hoch sind, die an dieses Gebiet als nachhaltigem Gewerbepark gesetzt würden. Die Unternehmen, die sich dafür interessieren, stehen momentan wirtschaftlich auf wackeligen Beinen, Baukosten steigen, Zinsen steigen. Sie haben Sorge zu investieren.“ Dennoch seien Grundstücke verkauft worden.
Inklusion: „Unterm Strich bin ich sehr zufrieden, wo wir stehen“, zieht Jung Bilanz. Die Stadt habe eine hauptamtliche Integrationshelferin, zwei Förderschulen als wichtigen Teil der Schullandschaft und das inklusive „cafe sofa“ sei sehr gut eingeschlagen.
Ob er bei der Kommunalwahl 2025 wieder antreten möchte? Diese Frage hat Jung nicht beantwortet.