Schon seit einigen Jahren sammelt die Meckenheimerin Pia Schüffelgen Weihnachtstüten für obdachlose Frauen.
SpendeMeckenheimerin sammelt Weihnachtstüten für obdachlose Frauen
Wer das Haus von Pia Schüffelgen in der Vorweihnachtszeit betritt, bemerkt auf den ersten Blick etwas Besonderes: Im Hausflur stapeln sich viele Tüten und Taschen, manche weihnachtlich dekoriert, andere ganz schlicht. An ihnen hängen Schilder mit der Aufschrift: für eine Frau. Schüffelgen engagiert sich seit acht Jahren ehrenamtlich und sammelt im Rahmen einer Aktion des Vereins für Gefährdetenhilfe Bonn (vfg) Weihnachtstaschen für obdachlose Frauen.
Mit dem Thema Obdachlosigkeit, im Speziellen mit obdachlosen Frauen, sei sie wegen ihres Sohnes vor einigen Jahren in Berührung gekommen: „Mein jüngster Sohn hat mit Anfang 20 erlebt, dass eine Freundin von ihm, gerade 18 Jahre alt, Zuhause rausgeworfen wurde. Das Mädchen hat ein gutes halbes Jahr mal hier, mal da gewohnt.“ Kein Mensch habe das gewusst. Sie habe immer erzählt, dass sie Stress hat mit ihren Eltern und gefragt, ob sie mal hier, mal da ein paar Nächte schlafen kann. „Irgendwann ging das nicht mehr und sie musste sich in irgendeiner Form outen, weil sie das nicht mehr auffangen konnten.“ Zurück zu ihrer Familie habe sie nicht mehr gekonnt. Irgendwann habe Schüffelgen ihren Sohn gefragt: „Ich war neugierig und habe gespürt, dass da etwas ist. Dann hat er ein kleines bisschen erzählt.“
„Obdachlose Frauen wahren den Schein“
In dem Zeitraum habe sie zudem eine Reportage über obdachlose Frauen gesehen. Die habe die Meckenheimerin und ihre Frau sehr berührt und zum Nachdenken gebracht: „Die Frauen, die wir als obdachlos wahrnehmen, sind oft Frauen, die wirklich ganz unten angekommen sind. Die sieht man und nimmt man wahr. Obdachlose Frauen wahren den Schein, so lange wie möglich“, erklärt Schüffelgen. Sie würden Tag für Tag durch die Stadt streifen, gehen in Kaufhäuser. Das sei ein Selbstschutz der Frauen, die oft Angst vor Übergriffen hätten. „Wenn wir über Obdachlosigkeit sprechen, sprechen wir in der Regel über Männer. Wenn man einmal den Blick dafür aufmacht, dann sieht man das auch.“
Zu der Zeit, als sie die Situation der Freundin mitbekommen und die Dokumentation gesehen hatten, wurden sie auch auf die Weihnachtsaktion des vfg aufmerksam. Der Verein sammelt in der Vorweihnachtszeit Geschenke und Sachspenden für Menschen in sozialen Schwierigkeiten. „Die machen das schon seit vielen Jahren. Spontan haben wir mitgemacht“, sagt Schüffelgen. Dabei hätten sie klar gesagt, dass ihre Geschenke an Frauen gehen sollen.
Die 59-Jährige ist Psychologische Beraterin, Entspannungspädagogin und gibt Kurse in Progressiver Muskelentspannung und Autogenem Training. „Mein Schwerpunkt ist die Arbeit mit Frauen“, erklärt sie. „Ich habe damals einen Entspannungskurs für Frauen in Witterschlick gegeben und habe ihnen erzählt, was ich mache.“ In der nächsten Kursstunde seien einige Teilnehmerinnen auf sie zugekommen und hätten gefragt, ob sie auch mitmachen könnten. „So kam die Idee, dass wir daraus echt was aufziehen können“. Im ersten Jahr hätten sie 14 Tüten gesammelt, im Jahr darauf seien es schon viel mehr gewesen. „2019 hatten wir über 100 Tüten.“
Pandemie und Flut erschwerten Engagement
Das erste Coronajahr sei „ganz schwierig“ gewesen. Im Jahr 2020 habe Schüffelgen sehr viel Zeit damit verbracht, in Sozialen Medien auf das Projekt aufmerksam zu machen. Am Ende seien es doch um die 60 Taschen gewesen, die bei ihr abgegeben wurden.
„2021 haben wir nicht sammeln können. Das war das Jahr, in dem die Flut war und wir nicht hier waren in unserem Haus“, schildert Schüffelgen: „Da haben wir ausgesetzt.“ Trotzdem hätten sie auch in dem Jahr selbst Tüten gepackt und gespendet. Nur Sammeln konnten sie nicht.
„Ich glaube, dass diese Kontinuität wichtig ist für Menschen.“ 2021, als sie aussetzen mussten, hätten sie einige Menschen auf die Aktion angesprochen. Schüffelgen habe dann vorgeschlagen, dass die Interessierte ihre Tüten selbst in Bonn beim vfg abgeben könnten: „Das haben auch einige gemacht“, freut sie sich.
Von Meckenheim werden die Weihnachtstaschen nach Bonn gebracht
Wenn sich die Taschen hoch im Hausflur gestapelt haben, ruft Schüffelgen beim vfg an und sagt, dass sie vorbeikommen und die Tüten abholen können. „Als wir angefangen haben, gab es eine Weihnachtsfeier vom vfg für obdachlose Menschen und bedürftige Bonner. Dabei wurden die Beutel verteilt und verschenkt.“ Seit Corona gebe es das nicht mehr, stattdessen habe der Verein sie im letzten Jahr einen kleinen Weihnachtsmarkt organisiert, bei dem die Taschen übergeben wurden.
Den vfg kannten sie schon vorher über Schüffelgens Frau, die Juristin ist: „Meine Frau hatte persönliche Beziehungen durch ihren Job mit dem Verein und hatte mit ihm zu tun. Wir haben auch mal ein Fahrrad bei denen reparieren lassen.“ Auch ihren Umzug hätten sie mit dem vfg organisiert.
Ehrenamtliches Engagement begleitet die Meckenheimerin schon lange, nicht erst seit der Weihnachtstaschen-Aktion. „In Meckenheim gibt es das Repair-Café, da war ich anfangs mit dabei. Das Reparaturcafé ist einfach genial. Da habe ich die Organisation gemacht, Kuchen gebacken und Kaffee gekocht.“ Außerdem habe sie viel beim Kinderschutzbund gemacht, vor allem Telefonseelsorge.
Schöne, kleine Dinge statt großer Taschen
„Am Anfang der Aktion ist es sehr zäh und dann habe ich das Gefühl, dass das gar nichts wird dieses Jahr.“ Im Moment seien es 32 Tüten, die bis dato abgegeben wurden. „Ich würde sagen, das könnte sich noch verdoppeln. Wir sammeln bis Freitag, 15. Dezember“, erklärt Schüffelgen zuversichtlich. Über die Jahre habe sie bestimmte Entwicklungen des Spendenverhaltens beobachten können: Zum Beispiel habe sie das Gefühl, dass die Beutel kleiner werden. Und es weniger darum gehe, möglichst viel zu packen, sondern alles etwas reduzierter ist.
„Meine Frau und ich haben dieses Jahr bewusst kleinere Packungen von Duschzeug und Creme eingepackt, weil wir über die Jahre gemerkt haben, dass die Mädchen und Frauen alles tragen müssen, was sie geschenkt bekommen.“ Bei ihnen gehe die Tendenz immer mehr dahin, dass sie wirklich schöne Sachen einpacken. So hätten sie dieses Jahr zum Beispiel kleine Notizbücher in ihre Tüten gelegt. „Was bräuchtest du eigentlich super dringend, wenn du in so einer Situation wärst?“, das frage sie sich immer.
Man besten packe man eine Tüte oder einen Rucksack, die gut weiterverwendet werden können, rät sie. In den Taschen, die sie spenden, seien unter anderem Handschule, ein Schal und von ihr selbst gehäkelte Armstulpen. „Mir ist wichtig, dass da auch Weihnachtssüßigkeiten drinnen sind“, sagt Schüffelgen.
Wer Tüten spenden möchte, kann sich bei Pia Schüffelgen via Mail melden: piamaria.schueffelgen@web.de