In der Region könnten die Bedingungen für den Radverkehr nicht unterschiedlicher sein. Diese Bilanz zieht der ADFC nach der Präsentation des Rad-Klimatests für die Kommunen am Rhein und Sieg. Die großen Gewinner sind Meckenheim und - überraschend - Bad Honnef
Rad-KlimatestMeckenheim nochmal besser als 2020
Während Meckenheim im bundesweiten Fahrradklimatest 2022 mit der Note 2,6 einen Spitzenplatz erreicht hat, fuhr ausgerechnet das für den Radtourismus eine große Rolle spielende Königswinter mit der Note 4,5 eine der schlechtesten Bewertungen bundesweit ein. In Berlin zeichneten ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters und Bundesverkehrsminister Volker Wissing am Montag die besten Kommunen aus. Sie gratulierten den persönlich anwesenden Bürgermeistern von Meckenheim und Bad Honnef, Holger Jung und Otto Neuhoff, für ihre starken Ergebnisse.
Im Rhein-Sieg-Kreis bewerteten 2513 Bürger die Radverkehrsverhältnisse in allen 19 Städten und Gemeinden – und bei Weitem nicht nur ADFC-Mitglieder. Das mit Abstand beste Ergebnis erzielte unter 447 Kommunen zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern wie schon 2020 die Stadt Meckenheim. Die Note verbesserte sich noch einmal leicht von 2,7 auf 2,6. Damit liegt Meckenheim in NRW auf Platz 1, bundesweit auf Rang 2, knapp hinter Baunatal. In vielen Bereichen ist die Bewertung ausgezeichnet: Erreichbarkeit des Zentrums 1,6; zügiges Radfahren 1,7; Wegweisung für Radfahrer 1,8.
„Meckenheim ist so gut wie nie“
Und das Radfahren macht Spaß, dafür steht die Schulnote 1,8. Und die Radfahrer fühlen sich auf den zum Teil sogar autofreien Radrouten sehr sicher. Sie vergeben dafür die Note 2,3, die beste im Rhein-Sieg-Kreis und auch deutlich besser als in Bonn (4,1). ADFC vermisst Nachahmer bei Nachbarkommunen Großes Lob erntet Meckenheim von Dr. Georg Wilmers, dem verkehrspolitischen Sprecher des ADFC im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis.
„Meckenheim ist so gut wie nie. Die Stadt hat sich in allen Bereichen nochmals leicht verbessert.“ Dass davon jedoch die anderen Kommunen im Kreis augenscheinlich nicht lernen, trifft beim ADFC auf Unverständnis. „In Meckenheim kann man sich anschauen, wie man ein Radverkehrsnetz schafft, das sogar in Teilen autofrei ist, wie man den Radverkehr in Neubaugebieten gleich mitplant“, so Wilmers. Und doch seien die Ergebnisse der Nachbargemeinden enttäuschend.
In Rheinbach sei der Aufschwung von 2020 verflogen, das geplante Radverkehrsnetz der „Blauen Straßen von Rheinbach“ am Widerstand des Kreises gescheitert, das Nachfolgekonzept des „Zukunftsorientierten Radverkehrskonzepts“ noch nirgendwo erkenn- oder gar erfahrbar, so Wilmers. Der Technische Beigeordnete Torsten Bölinger, die städtische Mobilitätsmanagerin Nicole Rokicki und Vertreter des ADFC Rheinbach wollen in der nächsten Woche zu den Ergebnissen Stellung nehmen und Schlussfolgerungen für Rheinbach vorstellen. Das kündigte die Verwaltung gestern Nachmittag als Reaktion auf das wiederum vergleichsweise schlechte Abschneiden.
Schlechten Verbindungen zwischen den Dörfern im Rhein-Sieg-Kreis
Bornheim diskutiere zehn Jahre nach dem Grundsatzbeschluss immer noch über die Realisierung der Radpendlerroute nach Bonn. Auch Alfter trete auf der Stelle, der kürzlich dort erfolgte Ausbau eines großen Abschnitts der Radpendlerroute von Bornheim nach Bonn und die Realisierung kleinerer, gezielter Maßnahmen wie die Abflachung von Bordsteinen auf Radrouten konnten sich bei der Befragung im Herbst noch nicht niederschlagen. Wachtberg habe immerhin sein etwas besseres Niveau gehalten und schaffe Lückenschlüsse. Swisttal habe sich dagegen deutlich verschlechtert, es gebe keine Leuchtturmprojekte, das „Konzept zum Alltagsradverkehr“ von 2018 werde nicht umgesetzt, kritisiert der Club der Radfahrer.
Rechtsrheinisch tut sich zu wenig in den Berggemeinden wie Much, Eitorf, Windeck Ruppichteroth und Neunkirchen-Seelscheid, die alle mit 4 und schlechter abgeschnitten haben, so Lorscheid. Aber immerhin gebe es Lichtblicke, etwa in Siegburg, wo endlich die Fußgängerzone geöffnet wurde. Schwachpunkte im Rhein-Sieg-Kreis seien vor allem die fehlenden oder schlechten Verbindungen zwischen den Dörfern und Kommunen. Die Radpendlerrouten seien weiterhin Zukunftsmusik, aber unverzichtbar, wolle man Berufspendler aufs Rad bekommen.
„Dabei liegen viele Orte des Rhein-Sieg-Kreises in Fahrradnähe zu den Arbeitsplatzschwerpunkten im Kreis und in Bonn. Aber die Radrouten sind einfach zu schlecht und erlauben kein zügiges Pendeln zur Arbeit oder auch nur in den Nachbarort“, so Peter Lorscheid. Sehr gut abgeschnitten hat hingegen Lohmar: Die Stadt hat nach Meckenheim mit der Note 3,4 die beste Bewertung im Rhein-Sieg-Kreis, liegt im NRW-Ranking auf Platz 10, bundesweit auf 16. Besonders gut bewertet wurden die Erreichbarkeit des Zentrums, die Wegweisung und die Möglichkeit zügig zu fahren. Als negativ benannt wurden zu schmale Radwege, der Winterdienst und schlechte Fahrradmitnahme im ÖPNV.
Bad Honnef klettert über 300 Plätze
Aufsehenerregend ist dem Bericht des ADFC zufolge die Entwicklung in Bad Honnef. Die Stadt hatte 2020 mit der Schulnote 4,5 den vorletzten Platz im Rhein-Sieg-Kreis belegt und lag bundesweit von damals 415 Kommunen auf Rang 401. In nur zwei Jahren hat Bad Honnef ein Fahrradkonzept entwickelt und die ersten Maßnahmen umgesetzt. Umlaufsperren wurden durch Bodenwellen ersetzt, Poller entschärft, ein Marketingkonzept „Radmomente“ entwickelt, auf Hauptstraßen wurden in kurzer Zeit Radstreifen angelegt und erste Einbahnstraßen geöffnet. Die Belohnung: Bad Honnef hat sich in seiner Stadtklasse bundesweit am stärksten verbessert, von 4,5 auf 3,6 und liegt jetzt auf Platz 69 von 447 Städten.
Auf den weiteren Plätzen folgen im Bundesranking der 447 Städte zwischen 20 000 und 50 000 und der 474 Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern: Wachtberg (Note 3,8, Platz 129 von 447), Siegburg (3,9, 161/447), Alfter (3,9, 179/447), Niederkassel (3,9 188/447), Hennef (3,9, 201/447), Swisttal (4,0, 255 von 474), Ruppichteroth (4,0, 292/474), Neunkirchen-Seelscheid (4,0, 297/474), Windeck (4,3, 396/474), Rheinbach (4,3, 373/447), Bornheim (4,3, 377/447), Eitorf (4,4, 412/474), Much (4,4, 424/474) und Königswinter (4,5, 432/447).
Der letzte Platz im Rhein-Sieg-Kreis für Königswinter und die bundesweit schlechte Platzierung ist für den ADFC keine Überraschung. Dr. Peter Lorscheid, verkehrspolitischer Sprecher des ADFC rechtsrheinisch ist enttäuscht. „Der Radverkehr wird entlang des Rheins total ausgebremst und ist teilweise nicht möglich, während Autos weiterhin die Uferpromenade nutzen dürfen. Die Bergorte sind nicht mit Königswinter verbunden, die Situation auf dem Rheinradweg katastrophal.“ In acht Kategorien wird die Stadt mit 5 und schlechter bewertet. Dazu zählen die mangelnde Breite und schlechten Oberflächen der Radwege. „Der Rheinradweg Richtung Bad Honnef ist seit Jahren eine Buckelpiste“, kritisiert Lorscheid. Als mangelhaft bewertet wurden auch die Führung an Baustellen und die hinderlichen Ampelschaltungen. „Für die Radverkehrsförderung der vergangenen zwei Jahre bekommt Königswinter eine 5,2. Das sollte der Stadt zu denken geben“, so Lorscheid.
Sankt Augustin auf Rang 47
In der Kategorie der Städte bis 100 000 Einwohnern wurden zwei Kommunen aus dem Rhein-Sieg-Kreis bewertet. Troisdorf verbesserte sich von 4,0 auf die Note 3,8 und landet damit auf Rang 31 von 113 Städten. Allerdings ist Troisdorf weit entfernt von den guten Bewertungen früherer Zeiten, als die Stadt Vorreiter in Sachen Fahrradfreundlichkeit war. So erhält die Stadt für ihre Fahrradförderung der vergangenen zwei Jahre eine 4,5, die Führung an Baustellen ist mit 4,7 miserabel.
Hinter Troisdorf liegt Sankt Augustin, das sich von 3,9 auf 4,0 leicht verschlechterte und auf Rang 47 liegt. Gelobt wurden die Erreichbarkeit des Zentrums und das zügige Radfahren, kritisiert werden die Führung an Baustellen, die Oberflächen der Radwege, schlechte Ampelschaltungen und fehlende Falschparkerkontrolle.