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MysterienspieleAuf Burg Lüftelberg geht es um Liebe, Leben und den Tod als Hexe

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Lüfthildis Mysterienspiele auf Burg Lüftelberg: Im Hintergrund der "Hexenrath" um den Amtmann Heinrich Degenhard Schall von Bell, gespielt von Willi Wild (Mitte, im gestreiften Kostüm), rechtsdas Liebespaar Anna (Natalie Wiehlpütz) und Philipp Uhlner (Markus Schmitz).

Lüfthildis Mysterienspiele auf Burg Lüftelberg: Im Hintergrund der 'Hexenrath' um den Amtmann Heinrich Degenhard Schall von Bell, gespielt von Willi Wild (Mitte, im gestreiften Kostüm), rechts das Liebespaar Anna (Natalie Wiehlpütz) und Philipp Uhlner (Markus Schmitz).

Ein gieriger Burgherr und ein Liebespaar sind die herausragenden Figuren in einem Theaterspiel zur Hexenverfolgung.

Amtmann Heinrich Degenhardt Schall von Bell zu Lüftelberg, verkörpert von Willi-Josef Wild, war zu seinen Lebzeiten ein rechter Ränkeschmied. Der frühere Hausherr der Burg Lüftelberg und Bruder des bekannten Astronomen und China-Reisenden Adam Schall von Bell klagte vor knapp 400 Jahren um des eigenen Vorteils willen viele Menschen der Hexerei an. Darum geht es im Stück „Hexenrath auf Lüftelberg“, das der Theaterverein „Lüfthildis Mysterienspiele“ in seiner Festspielwoche auf die Bühne bringt, die am vierten Maiwochenende beginnt.

In seinem Wohnort Lüftelberg hingegen sorgte der Amtmann in seiner Funktion als weltlicher Richter erster Instanz dafür, dass die Menschen von den Intrigen des Hexenrats verschont blieben: „Geht in die Kirche hier am Sonntag! Seht die Lüfthildiswallfahrt an! Zählt, wieviel Leute geh'n zum Tisch des Herrn! Lasst Euch die Stiftungen des letzten Jahres zeigen, die Seelenämter im Register. Ich denke: Nein. Hier gibt es keine Hexen.“

Diesen Satz lässt Regisseur Wild den Amtmann energisch sprechen, so dass die mit ihm am Tisch sitzenden Schöffen von den Lüftelbergern ablassen und vielmehr fragen: „Also nicht in Lüftelberg. Und wo?“ Wild schlägt vor: „In Flerzheim, meinetwegen. Damit mir keiner sagt, ich wollte meine Untertanen schützen. Auch in Rheinbach, nichts dagegen.“

Mit seinem Theaterstück thematisierte der inzwischen verstorbene Lüftelberger Autor Kurt Faßbender ein dunkles Kapitel der Geschichte Meckenheims und Rheinbachs: die Hexenverfolgung, die Mitten im 30-jährigen Krieg im Rheinland ihren blutigen Höhepunkt erreichte. Zwischen 1631 und 1636 verbrannten die durchs Land ziehenden Hexenrichter im Raum Meckenheim und Rheinbach 130 Menschen wegen Hexerei. Dabei fanden sie bereitwillige Unterstützung im Rheinbacher Amtmann Heinrich Degenhardt Schall, der sich an dem Besitz der Verurteilten bereicherte.

In Lüftelberg sei niemand verbrannt worden, „zumindest niemand, von dem wir wissen“, erläuterte Theologe Nils Winker. Der 34-Jährige hat seine Bachelorarbeit über das Thema Hexenverfolgung in Rheinbach und Umgebung geschrieben und spielt seit 2007 bei den Mysterienspielen mit. In diesem Jahr besetzt er die Rolle des Schultheiß Augustin, der ein Auge auf die junge Anna (Natalie Wiehlpütz) geworfen hat. Diese ist jedoch mit dem Töpfer Philipp Uhlner (Markus Schmitz) liiert und will nichts von ihm wissen.

Arglistig nimmt der Schultheiß den Töpfer in Gewahrsam, um die junge Lüftelbergerin für sich zu gewinnen. Ob ihm das gelingt, können die Zuschauer selbst an fünf Terminen im Gartensaal der Burg herausfinden, stellen Wiehlpütz und Schmitz in Aussicht. Die beiden sind schon lange befreundet, darum mache es Spaß, ein Liebespaar zu spielen, sagen sie: „Es wird sogar geflirtet!“

Zu der Zeit, in welcher die Erzählung spielt, gehörte Lüftelberg zum Amt Bonn, Lehensherr war der Amtmann Schall, der in der dortigen Wasserburg wohnte, in deren Gartensaal nun Theater gespielt wird. Damals allerdings wurden hier wohlhabende Bürger gefoltert und Geständnisse erpresst. Faßbender verarbeitete als Autor die Schilderungen des Rheinbacher Stadtrates Herrmann Löher, der damals zunächst die Ankläger unterstützt hatte, dann aber selbst angeklagt wurde. Er floh nach Amsterdam und schrieb seine Erlebnisse nieder.

Gespielt wird der Schöffe und Kaufmann aus Rheinbach von Roland Götzke. Die Mitwirkenden haben das Stück überarbeitet und Löhers Rolle mit einem eingefügten Prolog gewürdigt, in dem er „tief betrübt und voller Schmerz“ diejenigen anklagt, „die sich voller Neid und Habgier gegen ihre eigenen Nachbarn wandten“. Als Schöffe habe er die Pflicht gehabt, zu sprechen: „Doch was ist Recht wert, wenn es so lange gebogen wird, bis auch der Unschuldigste schuldig ist.“

Der Verfolgungswahn richtete sich nicht nur gegen Frauen; angeklagt wurden auch angebliche Zauberer, Dämonen und sogar ein Werwolf, der sein Unwesen in Meckenheim getrieben haben soll. Der Bürger Jacob die Faust soll als solcher „durch den Zauberrichter Dr. Johann Moeden“, im Stück verkörpert von Lothar Kleipaß, festgesetzt und dann zusammen mit anderen hingerichtet worden sein.

Über Leben und Tod verhandeln die Männer beim „Hexenrath“ mit Amtmann Heinrich Degenhardt Schall von Bell zu Lüftelberg, verkörpert durch Willi-Josef Wild (rechts).

Über Leben und Tod verhandeln die Männer beim "Hexenrath" mit Amtmann Heinrich Degenhardt Schall von Bell zu Lüftelberg, verkörpert durch Willi-Josef Wild (rechts).

Die Botschaft des Stückes ist für Regisseur Willi-Josef Wild klar: „Nie wieder darf das passieren, was damals geschehen ist, nicht in der Kirche und nicht in der Welt.“ Das große Thema des Stückes sei die Vermeidung von Machtmissbrauch, wie er heute erneut zu beobachten sei: „Wir brauchen uns nur umzuschauen, dann sehen wir, was wieder los ist.“

Der „Hexenrath auf Lüftelberg“ wurde zum ersten Mal während der Festspielwoche 1983 aufgeführt. Nach dem Stück „Lüfthildis“ und „Adam Schall von Bell“ ist es das dritte große Werk von Kurt Faßbender. Im Rahmen der Festwoche 1999 wurde das Stück zum zweiten Mal gespielt. Dieses Mal sind auf und hinter der Bühne rund 30 der 130 Vereinsmitglieder beteiligt.

Für die Musik zeichnen Beatrix Bartholomey und Raphael Zollmarsch verantwortlich, Josef Keusgen kümmert sich um den Ton, Rafael Buttlies um die Beleuchtung. Souffleuse ist Sabine Dahlhausen. Einige der Mimen, wie Markus Schmitz, sind schon seit mehr als 20 Jahren dabei. Der gebürtige Gelsdorfer fährt von seinem Wohnort Hennef regelmäßig zu den Proben, die in wechselnder Besetzung seit November jede Woche stattfinden. Vorsitzender Uwe Kolbitz ist seit 1990 im Verein, seit acht Jahren Vorsitzender. Auch an seinem 74. Geburtstag war Probe. Mit einem Ständchen wurde er begrüßt.

Kolbitz spielt den zum Tod durch Verbrennen verurteilten Bürger „Blankartshalfe“, der auf dem Weg zum Scheiterhaufen seine Kläger anklagt: „Ihr habt mit Eurer Folter mich gezwungen, falsches Zeugnis abzulegen.“ Unterstützt wird er von Pastor Hubertus (Raphael Zollmarsch), der als Beichtvater der Verurteilten öffentlich bekennt: „Sie waren überhaupt nicht schuldig, die Beklagenswerten!“ An den Schöffen werde sich „Gott der Herr rächen, dass 70 Menschen in den letzten Wochen hier zu Tode kamen, um Euren Geiz und Reichtum zu vermehren“, lässt Zollmarsch den Meckenheimer Pfarrer sprechen.

Die Zuhörer bewundern den Mut des Geistlichen, doch der Töpfer fürchtet, dass die beherzt geäußerten Worte negativ auf den Pfarrer zurückfallen werden und prophezeit: „Der Mächtige, der öffentlich beschuldigt wird, der schlägt zurück. Solange ihm die Macht geblieben, wird alles, was danach geschieht, beklagenswerter.“

„Der Hexenrath“ wird aufgeführt im Gartensaal der Burg Lüftelberg, Schlossstraße 7, in Meckenheim-Lüftelberg. Fünf Aufführungen sind geplant: Am Samstag, 25. Mai, um 18 Uhr, am Sonntag, 26. Mai, um 17 Uhr, am Donnerstag (Fronleichnam), 30. Mai, um 17 Uhr, am Samstag, 1. Juni, um 18 Uhr und am Sonntag, 2. Juni, um 17 Uhr. Karten gibt es für 15 Euro und für zehn Euro für Schüler und Studierende über die Internetseite des Vereins.


Mysterienspiel

Das Mysterienspiel ist eine Form des Theaters aus dem Mittelalter. Es brachte dem einfachen Volk, das in jener Zeit nicht lesen konnte, biblische Geschichte und unbegreifliche Ereignisse (Mysterien) näher. Um die alte Tradition der Mysterienspiele wieder aufleben zu lassen und die Wallfahrt zur Heiligen Lüfthildis zu beleben, gründete Kurt Faßbender den Theaterverein „Lüfthildis Mysterienspiele“. 1981 begannen die Spiele mit etwa 20 Aktiven, heute hat der Verein rund 130 Mitglieder.

Jedes Jahr werden von Faßbender geschriebene Stücke religiösen und weltlichen Inhalts aufgeführt, die Bezug zur Heiligen Lüfthildis und Lüftelberg haben. Die Laienschauspieler treten inzwischen in ganz Deutschland und in Frankreich auf und besitzen eine treue Zuschauergemeinde weit über die Grenzen Lüftelbergs hinaus. Die meisten Darsteller sind in Lüftelberg ansässig.