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Mehrweg in der GastronomieGesetz mit begrenzter Wirkung

Lesezeit 4 Minuten
Eine Hand hält an einem Imbiss einen Mehrwegteller mit Pommes und einem Burger. 

Mehrwegteller sind bei Imbissen noch die Ausnahme.

Seit mehr als einem Jahr gibt es gesetzliche Vorschriften für Mehrwegverpackungen in der Gastronomie. Wie sieht die Bilanz im Rhein-Sieg-Kreis aus?

Einwegverpackungen sind ein Thema, das die Gastronomie immer wieder beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2023 müssen Gastwirte ihren Kunden neben Einweg-Verpackungen eine wiederverwendbare Alternative anbieten – für Speisen und für Getränke. Dabei darf es preislich keinen Unterschied zwischen Mehr- und Einwegverpackung geben.

Die Kunden müssen explizit auf die Möglichkeit der Mehrwegalternative hingewiesen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um den Becher für den Coffee-to-go oder um das Lunchpaket geht, das Gesetz muss von allen Anbietern umgesetzt werden. Ausnahmen bestehen nur für kleinere Unternehmen wie Kioske, Tankstellen oder Imbisse, die nicht mehr als fünf Mitarbeitet oder eine maximale Verkaufsfläche von 80 Quadratmetern haben. Diese Unternehmen können alternativ Behältnisse befüllen, die ihre Kunden mitbringen.

Deutsche Umwelthilfe klagt

Nach mehr als einem Jahr scheinen längst nicht alle Unternehmen und Franchisenehmer die Mehrwegangebotspflicht umzusetzen. Deshalb kommt es immer wieder zu Klagen, in denen die betreffenden Unternehmen dazu verpflichtet werden, der gesetzlichen Mehrwegangebotspflicht Folge zu leisten. Bei weiterer Zuwiderhandlung drohen Ordnungsgelder von bis zu 250 000 Euro pro Fall.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte als Klägerin bereits an, weiterhin Testbesuche durchzuführen und rechtlich gegen Verstöße vorzugehen. Die DUH kritisiert das fehlende Angebot und mangelnde Kundeninformation. Der gemeinnützige Verein fordert daher mehr Kontrollen durch die Landesbehörden und finanzielle Anreize, damit Mehrweg zum Standard wird. Bundesumweltministerin Steffi Lemke, so die DUH, solle sich für eine bundesweite Einweg-Abgabe von 20 Cent einsetzen.

Ähnlich schätzt die Firma Vytal die gegenwärtige Situation ein. Das Kölner Unternehmen bietet ein digitales, pfandfreies Mehrwegsystem für die Gastronomie und den Einzelhandel an. Zu den hiesigen Partnern im Rhein-Sieg-Kreis zählen unter anderem der Biohof Bursch oder das Weinlokal „Cher's“ in Rösberg, für die sich die Zusammenarbeit mit Vytal längst etabliert hat. Viele Bonner Gastronomiebetriebe wie zum Beispiel das „Pie Me“, „Makiman“ oder „Mr. und Mrs Humus“, die für ihren hohen Prozentsatz an Speisen-to-Go bekannt sind, arbeiten ebenfalls mit den Produkten von Vytal.

Insgesamt war ein Großteil der Partner-Betriebe schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes an Bord. Von der Ankündigung bis zum Inkrafttreten 2023 stieg die Resonanz auf das Angebot von Vytal spürbar. Anschließend verflachte das Interesse jedoch wieder. Die Gründe liegen für die Verantwortlichen des Unternehmens auf der Hand. „Viele Gastronomiebetriebe wissen, dass es kaum Prüfungen gibt und ignorieren das Gesetz, weil sie keine Konsequenzen zu befürchten haben“, vermutet Frederike Hartmann, die für das Partnermanagement zuständig ist.

Einwegplastik ist nach wie vor zu günstig
Frederike Hartmann

„Einwegplastik ist nach wie vor zu günstig. Müll muss insgesamt teurer werden, um eine Änderung des Verhaltens zu fördern“, so Hartmann. Für sie wäre eine Steuer auf Einwegverpackungen ein Anreiz, um das Aufkommen von Verpackungsmüll deutlich zu senken. In Meckenheim initiierte der Verbund des Einzelhandels im vergangenen Jahr eine Kampagne zur Einführung eines möglichst einheitlichen Mehrwegsystems. Die städtische Wirtschaftsförderung organisierte mit. Beide unterstützen Gastronomiebetriebe vor Ort bei der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht. Kunden können sich Speisen und Getränke zum Mitnehmen bei den teilnehmenden Betrieben in Mehrweggeschirr füllen lassen. In Rheinbach schlossen sich die Wirtschaftsförderung und Gewerbeverein dem Modell an. Das Interesse, so ergab eine Nachfrage im Januar, ging in Meckenheim aber „gegen Null“.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) bewertet die Wirksamkeit des Gesetzes als „überschaubar“. „Natürlich sehen auch wir die Notwendigkeit, dass weniger Verpackungsmüll entsteht, aber halten die momentane gesetzliche Lösung für wenig geeignet. Vor allen Dingen wäre eine andere Logistik- und Rückgabeinfrastruktur Voraussetzung“, sagt Thorsten Hellwig, Pressesprecher bei DEHOGA Nordrhein-Westfalen. „Für die Gäste wie für die Gastronomen ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Kriterium, aber der Komfort eben auch.“ Daran mangele es noch erheblich.

Um dem Gesetz mehr Bedeutung zu verschaffen und die Pflicht umzusetzen, hat die Stadt Tübingen schon Anfang 2022 eine Verpackungssteuer für Einwegverpackungen durchgesetzt. Bislang ist der Vorstoß der Stadt allerdings ein Alleingang. So hat sich erst jüngst die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg gegen die Einführung einer Verpackungssteuer in Bonn ausgesprochen. Das hat die Vollversammlung jüngst in ihrer Frühjahrssitzung beschlossen.

Ziel: Müllvermeidung

„Müllvermeidung ist ein Ziel, hinter dem wir auch als IHK stehen“, sagt der Bonner IHK-Präsident Stefan Hagen. „Wir sind aber nicht der Auffassung, dass eine Verpackungssteuer uns auf diesem Weg weiterbringt.“ Vielmehr befürchte die IHK durch eine Steuer zusätzlichen Bürokratieaufwand für die Unternehmen und in der Verwaltung. „Die Erfahrungen aus Tübingen haben uns nicht davon überzeugt, dass eine solche Abgabe tatsächlich dabei hilft, den Müll im öffentlichen Raum zurückzudrängen“, sagt Hagen. Aufwand und Erfolg stünden in keinem guten Verhältnis.

Der IHK-Präsident erinnerte auch daran, dass deutschlandweit bereits eine sogenannte Einwegkunststoffabgabe eingeführt werden soll. Zudem gebe es auf EU-Ebene ebenfalls Pläne für neue Verpackungsregeln. Aktuell scheint der Tübinger Vorstoß, der in der schwäbischen Kleinstadt nach zwei Jahren sowohl von der Stadt als positiv bewertet als auch von den Kunden und den Gastronomen angenommen wurde, ein Einzelfall zu bleiben. Die Deutsche Umwelthilfe hofft, dass weitere Kommunen folgen.