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ProjektMeckenheimer Landwirte geben eine Antwort auf den Klimawandel

Lesezeit 4 Minuten
Meckenheim, Ersdorf, Guido Brünagel, Verbandsvorsteher
Wasser- und Bodenverband, steht am Rande eines der großen Wasserbecken

Verbandsvorsteher Guido Brünagel zeigt eins der beiden Wasserreservoris mit den enormen Ausmaßen.

Was tun, wenn Hitze und Trockenheit, aber auch Nachtfröste im Frühjahr den Obstplantagen zusetzen? Der Wasser- und Bodenverband Ersdorf hat in Meckenheim eine außergewöhnliche Lösung gefunden und baut riesige Wasserreservoirs.

Es mutet an wie ein riesiges Schwimmbad und ist fast so tief wie das Tauchbecken im „monte mare“. Aber die große Grube, die der Wasser- und Bodenverband Ersdorf da aus dem Boden stampfen lässt, dient mitnichten dem Vergnügen, sondern wird dringend gebraucht. Denn das Wasserreservoir soll dazu dienen, Obstplantagen in einem Radius von fünf Kilometern mit Wasser zu versorgen, wenn es wie jetzt gerade viel zu wenig regnet. Laut Verbandsvorsteher Guido Brünagel ist dieses Projekt das größte seiner Art im Bundesgebiet und der Versuch, dem Klimawandel zu trotzen.

Dass der sich im Obstbau seit einiger Zeit bemerkbar macht, stehe außer Frage. Apfelbäume blühen deutlich früher, aber die Nachtfröste im Frühjahr bleiben. Also beregnen die Landwirte die Blüten, um sie zu schützen. Dies war auch der eigentliche Grund für den Bau der beiden gigantischen Wasserbecken, von denen das eine zwischen dem Ersdorfer Sportplatz und der Autobahn so gut wie fertig ist. „Eigentlich war es für die Frostberegnung gedacht“, so Guido Brünagel. Er steht auf der brütend heißen, schwarzen Folie, mit der das gesamte Becken ausgekleidet ist, und erklärt, wie es zu dem Projekt gekommen ist.

Planung begann 2018

Schon 2018 hatten die Landwirte mit Frostschäden zu kämpfen und wollten sich so gut es geht dagegen wappnen. Bei einer Versammlung in Auweiler habe die Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser erwähnt, es gebe Möglichkeiten, Bewässerung zu fördern. Das habe der Vorstand des Wasser- und Bodenverbandes aufgegriffen und sei an die Mitglieder herangetreten. Noch im selben Jahr habe die Planung begonnen. Aber dann zog es sich.

Ein Projekt dieser Größenordnung musste ausgeschrieben werden und es sei gar nicht so einfach gewesen, einen Planer dafür zu finden. „Es gibt vielleicht ein Dutzend im Bundesgebiet“, sagt Brünagel. Naturschutz-Auflagen waren einzuhalten, „man musste zum Beispiel auf den Bläuling aufpassen“, und eine biologische Baubegleitung war Pflicht. 2020 hatten sich die beteiligten Landwirte darauf geeinigt, die Wasserversorgung auch auf den Sommerbedarf auszuweiten.

Meckenheim, Ersdorf, Wasserreservoir für die Landwirtschaft
Wasser- und Bodenverband, ein verdorrter junger Apfelbaum

Im Frühjahr gepflanzt, jetzt schon vertrocknet: ein junges Apfelbäumchen in einer Meckenheimer Obstplantage.

Wie nötig das ist, sieht man wenige hundert Meter vom Becken entfernt in einer Apfelbaumplantage: Die jungen Bäumchen, im Frühjahr gepflanzt, kämpfen gerade ums Überleben, viele sind bereits vertrocknet. Ein Schaden, der für den Landwirt in die Zigtausende geht. „In den vergangenen Jahren waren Betriebe dabei, die nur noch 20 Prozent ihrer üblichen Ernte hatten“, sagt Brünagel. Hitze und Trockenheit waren die Ursache. Viele Kollegen hätten aufgegeben , auch wegen der niedrigen Preise, die ihnen von den Lebensmittelkonzernen diktiert würden. Die seien tatsächlich jetzt noch niedriger als vor zwei Jahren.

Corona und der Ukraine-Krieg waren weitere Stolpersteine auf dem Weg zur Bewässerung. Denn es fehlte Material für den Beckenbau. Die Männer, die jetzt in der Hitze auf der Folie an Becken Nummer zwei arbeiten, sind wirklich nicht zu beneiden. Die Fachleute verlegen außerdem riesige Rohre in einem Umkreis von fünf Kilometern, durch die das Wasser zu den Feldern strömt. Dort angekommen, wird es tröpfchenweise an die Pflanzen abgegeben: „Wir wollen mit einem minimalen Wasserverbrauch das Maximum erreichen“, erklärt Guido Brünagel. Früher habe man rund 30 Kubikmeter Wasser pro Stunde verteilt, jetzt komme man mit der Hälfte aus. 24 000 Kubikmeter Wasser fasst ein Becken, das sind 24 000 000 Liter– zum Vergleich: eine Badewanne fasst 200 Liter.

Meckenheim Ersdorf
Wasserreservoir für die Landwirtschaft
Wasser- und Bodenverband Ersdorf-Meckenheim
Hagelnetz

Komplettausstattung: Hagelnetze, Bewässerung für die Frostberegnung (oben an den Bäumchen) und gegen Trockenheit (unten) sollen die Pflanzen schützen.

Zum Teil wird Regenwasser aufgefangen, zum Teil kommt das Wasser aus Quellen. 150 Hektar Anbaufläche sollen damit bewässert werden. Greifen alle zehn Beteiligten gleichzeitig zu, ist das Becken in fünf Tagen leer. Gesteuert wird die Anlage über Funk, jeder Landwirt kann selbst entscheiden, wie viel Tröpfchenberegnung oder Frostschutz er braucht. Sollte irgendwo ein Leck sein, schlägt der Überwachungscomputer Alarm. Ganz billig ist das alles sicher nicht. Brünagel verrät nur soviel: Becken und Infrastruktur zusammen kosten rund 1500 Euro pro Hektar. Eine Investition für seinen Hof, der in der dritten Generation im Obstbau tätig ist. Er ist auf Stein- und Kernobst spezialisiert, wie viele seiner Kollegen im Raum Meckenheim. Gerne hätten sie die Wasserreservoirs diesen Sommer schon in Betrieb genommen, aber der Starttermin ist noch fraglich.

Ein ähnliches Projekt gibt es auch in Wachtberg, nur nicht so groß. Dort bauen 21 Betriebe gemeinsam gerade das zweite Wasserreservoir. Ob das alles ausreicht, um der enormen Trockenheit zu trotzen? „Wir machen es, um regionales Ober produzieren zu können im viertgrößten Obstanbaugebiet Deutschlands“, so Brünagel. Ob es reicht, das wisse er nicht. „Aber wir haben es wenigstens versucht.“