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Feldklau im Rhein-Sieg-Kreis„Kein Unrechtsbewusstsein“

Lesezeit 4 Minuten
Menschen pfücken Äpfel vom Baum.

Landwirte ärgern sich über die Selbstbedieungsmentalität der Leute, die große Mengen Obst aus den Plantagen stehlen.

Sie kommen mit Fahrradpacktaschen, Kinderwagen oder gar Lkw, um Obst aus Plantagen oder von Streuobstwiesen in Meckenheim und Bornheim zu stehlen. Der sogenannte Feldklau nimmt zu.

Über so viel Dreistigkeit staunte Michael Rönn in dieser Woche nicht schlecht. Ein Mann pflückte fleißig Äpfel in einer von Rönns Meckenheimer Obstplantagen. Als der Landwirt ihn ansprach und fragte, ob er das denn fair finde gegenüber dem Bauern, sagte der: „Ja. Ist doch genug da.“ Es gebe überhaupt kein Unrechtsbewusstsein bei Diebstählen vom Feld oder vom Baum, ärgert sich Rönn. Unter leergepflückten Obstbäumen musste jüngst der Bornheimer Arbeitskreis Stadtbild sein Streuobstwiesenfest in Sechtem feiern. Hier hatten Unbekannte im größeren Stil Äpfel abgefahren. Die „Selbstbedienung“ nimmt zu.

Zu Beginn der Apfelsaison waren Michael Rönn, der den Obsthof in Ersdorf seit 2002 gemeinsam mit seinem Vater führt, bereits Leute mit Kinderwagen in der Nähe seiner Felder aufgefallen. „Da war nur kein Kind drin“, so Rönn. Man wundere sich auch immer Anfang September über die vielen Radfahrer in der Nähe der Plantagen, die auf einmal Packtaschen am Rad mitführen. Allerdings müsse man „mittlerweile schon vorsichtig sein, wenn man die Leute anspricht“, die sich gerade am Obst bedienen. „Wir schauen immer, dass wir mindestens zu zweit sind und das Handy mitlaufen lassen, damit die Familie weiß, wo wir uns gerade befinden“, sagt der Landwirt.

Schon das Betreten der Anlagen sei laut Bundesnaturschutzgesetz für Fremde verboten, der Apfelklau ist Diebstahl, der angezeigt werden könnte. „Es gibt Durchfahrtsverbote, aber das ist den Leuten auch egal“, so Rönn. Weil Meckenheim über so viele Obstbauflächen verfüge, verteile sich der Schaden auf alle Obstbauern. Insgesamt beziffere sich der Verlust auf einen mittleren vierstelligen Betrag, plus kaputte Zäune.

Fest unter leeren Obstbäumen

„Wenn jemand mal ein Körbchen Äpfel mitnimmt, dann ist das nicht schlimm“, meint Dr. Gabi Jahn. Die Grünen-Politikerin ist Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Klima, Land- und Forstwirtschaft in Bornheim und Sprecherin des Arbeitskreises Stadtbild, der in Bornheim mehrere Streuobstwiesen pflegt. Als der Arbeitskreis jüngst in Sechtem feiern wollte, waren nicht mehr viele Äpfel da. Glücklicherweise war vorher schon geerntet worden, um Apfelsaft anbieten zu können. „2022 waren alle Bäume abgeerntet“, erinnert sich Jahn. Selbst vor der Rösberger Hochzeitswiese, auf der Eheleute Bäumchen pflanzen, machen Diebe nicht Halt. Jahn: „Es ist einfach auch denjenigen gegenüber, die die Wiesen pflegen, nicht fair.“

Insgesamt gesehen handele es sich um große Mengen von Obst, die in Bornheim von den städtischen Wiesen gestohlen werden, informiert Dr. Wolfgang Paulus, Leiter des Bornheimer Amtes für Umwelt, Klimaschutz und Stadtgrün, auf Anfrage. Selbst vor dem Abernten der Kinderwiese und dem Arboretum im Roisdorfer Gewerbegebiet hätten Diebe keine Scham. „In diesem Umfang kann das nur einen gewerblichen Hintergrund haben. Der klassische Mundraub aus Not ist das nicht“, ist sich Paulus sicher.

Vereinsmitglieder sammeln Äpfel von einer Streuobstwiese auf.

Apfelernte auf einer Streuobstwiese in Wachtberg.

Tonnenweise würden Äpfel, Birnen und Kirschen geklaut. Denkbar wäre, dass in größerem Stil Obstsaft verkauft werde. Aber sicher ist das nicht. Der Arbeitskreis Stadtbild habe bereits Zufahrten zu Streuobstwiesen mit Bauzaunelementen gesperrt und Schilder aufgehängt – vergeblich. Von Zäunen verspricht sich Paulus aber nicht viel: „Wer mindestens mit einem Lieferwagen anfährt, der macht auch vor einem kleinen Tor nicht Halt.“ Die Streuobstwiesen sind Ausgleichsflächen für Natur- und Landschaftsverbrauch, die Stadt wolle damit keinen Profit machen. „Aber wenn das Obst der Öffentlichkeit systematisch entzogen wird, dann ist das nicht in Ordnung“, ärgert sich Paulus.

Langfinger gibt's auch im Gemüsebau: Vorrangig Salate und Kohl würden gern vom Feld mitgenommen. Das habe schon dazu geführt, dass viele Landwirte die ersten drei Reihen auf einem Feld gar nicht mehr bepflanzen. „Wirtschaftliche Totalschäden für die Landwirte sind aber eher die Ausnahme“, weiß Malte Wichern, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer NRW. „Aber trotzdem ist es nicht in Ordnung, sich einfach im Feld zu bedienen, wenn Obst schön reif und knackig aussieht.“

„Mengen, die man bemerkt“

Überall dort, wo viele Leute an den Flächen vorbeikommen, würde auch viel mitgenommen, weiß Christian Lebrenz, Vorsitzender des Vereins zur Pflege und Förderung der Streuobstwiesen in Wachtberg. „Von unserer Fläche an der Hauptstraße war in der vergangenen Woche gut ein Drittel des Obstes weg“, sagt Lebrenz. Hier geht es zwar nicht um Tonnen wie in Bornheim, „aber das sind schon Mengen, die man bemerkt.“ Vor allem vor dem Hintergrund, dass der 120 Mitglieder starke Verein vom Verkaufserlös des selbst gepressten Apfelsaftes die Kosten für die Pflege der insgesamt fünf Hektar großen Flächen bestreitet. Aber es ist noch genug da, wenn der Wachtberger Streuobstwiesenverein am morgigen Samstag, 14. Oktober, sein Saftlager in Niederbachem an der Bondorfer Straße (neben dem Spielplatz) öffnet. Von 11 bis 13 Uhr gibt es naturbelassenen Apfelsaft.