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Ei für Ei HandarbeitKonditorei von Familie Reichwein in Meckenheim bereitet sich auf Ostern von

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30.03.2023 Ostervorbereitung in der Konditorei Reichwein in Meckenheim. Bianca Reichwein zeigt das teuerste Angebot: Eier gefüllt mit Prallinen für knapp 80 Euro

Ostervorbereitung in der Konditorei Reichwein in Meckenheim. Bianca Reichwein zeigt das teuerste Angebot: Eier gefüllt mit Pralinen für knapp 80 Euro.

In der Konditorei Reichwein in Meckenheim beginnt Ostern jedes Jahr schon an Aschermittwoch. „Fastenzeit“ heißt für die Reichweins und ihre Belegschaft „fast keine Zeit“, denn ab dann starten die Vorbereitungen für das Osterfest.

Mit tief kuvertüreschwarzen Pupillen schaut der Osterhase aus seiner durchsichtigen Verpackungsfolie. Neben ihm stehen auf der Ladentheke der Konditorei Reichwein an der Meckenheimer Hauptstraße noch einige andere lustige Ostergesellen, die unterschiedlich lange Hasenzähnchen niedlich blitzen lassen und jeden Kunden anzublinzeln scheinen, damit er sich beim Einkauf vor dem Fest doch bitteschön für sie entscheidet. Wie viel Arbeit hinter den süßen Kunstwerken steckt, weiß kaum jemand besser als Bianca Reichwein und ihre Belegschaft. Denn kaum sind die letzten Konfetti weggekehrt, holen die Bäcker und der Konditor die Formen für Osterhasen und Lämmer aus dem Lager. Auch für jede Schokoladeneigröße gibt es eine eigene Form. Das fertige Ergebnis, von dem derzeit zig Variationen im Laden angeordnet sind, lässt kaum den Aufwand erahnen.

„Für jedes Ei werden zunächst einmal glatte Halbschalen gegossen. Wenn die trocken sind, werden sie mit flüssiger Schokolade zusammengeklebt. Die Naht ist sogar jetzt noch unter dem erst im nächsten Arbeitsschritt aufgetragenen Guss mit Mandelstücken sichtbar“, erklärt Unternehmenschefin Bianca Reichwein. Die 43-jährige gelernte Konditorin und Betriebswirtin im Handwerk hat längst von den Eltern übernommen. Trotzdem wirken Wilma (67) und Hans-Peter Reichwein (72) immer noch ab und an mit. Treue Kunden kennen freilich die Handschrift der Seniorin, die an vielen Stellen in der Auslage auf den Warenbezeichnungen und Preistafeln sichtbar ist, aber kaum jemand weiß, dass Wilma Reichwein auch die Osterhasen für die Plakate stets selbst malt, freilich auch das Nest mit bunten Ostereiern, das auf einem Ständer vor der Eingangstür des Ladenlokals zu sehen ist.

Saisonale Zusatzarbeiten in der Vor-Osterzeit

30.03.2023 Meckenheim Konditorei Reichwein Plakat gemalt von der Seniorchefin

In der Meckenheimer Konditorei Reichwein hat die Seniochefin das Plakat selbst gemalt.

Hans-Peter Reichwein steht – vor allem sonntags und montags, wenn die Konditorei geschlossen ist – noch in der Backstube und erledigt eine gehörige Portion der saisonalen Zusatzarbeiten. Ansonsten wäre die Arbeitszeit der Beschäftigten nicht nur um eine halbe Stunde am Tag aufgebläht. „Die Bäcker fangen um 4 Uhr an, der Konditor um 6 Uhr“, erklärt die Chefin. „Die zusätzliche Arbeitszeit können wir dann im Sommer wieder reinholen, wenn wegen der Hitze keiner mehr aus dem Haus geht und wir anderthalb Stunden früher schließen.“ Zwei Wochen dauert es in der Regel von Aschermittwoch an gerechnet, bis das gewohnte Ostersortiment komplett vorrätig ist – fast komplett, denn die Osterkränze in zwei verschiedenen Größen, die eine Neuauflage von Neujahrskränzen mit oder ohne Hagelzucker sind, gibt es erst zum Fest.

Aber jetzt ist erst einmal das Vor-Ostergeschäft an der Reihe – das letzte für Brigitte Schaal, die nach 47 Dienstjahren und knapp zehn Jahren bei Reichwein bald in den Ruhestand tritt. Vorsichtig packt sie Ostereier in bunter Metallfolie in Tüten, weil die zum Kunden sollen. „Wir produzieren, verpacken, verkaufen und manchmal essen wir zwischendurch auch etwas Marzipan oder Schokolade“, schmunzelt ihre Chefin. Die Zähne der Osterhasen sind übrigens wie das eigentliche Auge aus Eiweißspritzglasur. „Milchschokolade wäre viel zu gelb“, findet Reichwein. Sie scheint jede einzelne der Osterleckereien selbst ins Herz geschlossen zu haben. Als die Rede von der Standardform der Sandkuchen-Osterlämmer ist, von denen die neueste Variante nicht geradeaus, sondern zur Seite schaut, stupst sie ein Tier an und flüstert ihm zu: „Hört ihr, ihr seid modern!“ Laut Preisschild kostet so ein Lamm 8,95 Euro – kein Vergleich zum größten Konditorenei für 79,95 Euro, in dessen unscheinbarer Eiform eine Sammlung feiner Pralinen schlummert.

Einen Überblick über all die ostertypischen Angebote in ihrem Geschäft hat sie nicht. „Ich schätze, es sind 100.“ Und als sie erkennt, dass allein auf einem Tisch an der Seite mehr als 25 verschiedene süße Ostereier lagern, kommt sie zu der Überzeugung: „Sicher mehr.“ Wie viel Teig denn in so einem Osterlamm steckt, oder wie viel Kalorien ein süßer Hase hat? „Darüber spricht man heute nicht mehr“, findet die Chefin: „Hier geht es um die Zutaten. Wir verwenden reine Kuvertüren und alles ganz sicher ohne irgendwelche Zusatzstoffe. So etwas haben wir hier gar nicht.“

Eine echte Osterpremiere

Erstmals endet in diesem Jahr bereits am Samstag das Ostergeschäft, weil neuerdings sonntags und montags Ruhetag ist. Darum steht den Kindern am Sonntag eine schöne Osterpremiere bevor: Zum ersten Mal können sie an Ostersonntag Ostereier suchen – je nach Wetter traditionsgemäß im eigenen Garten oder im Wohnzimmer. „Lena ist schon 13 und Jonas 10 Jahre alt, also ein Alter, in dem sie sicher nicht mehr an den Osterhasen glauben. Aber sie haben mir schon ausdrücklich mitgeteilt, dass sie sich über seinen Besuch in diesem Jahr sehr freuen würden. Ich bin gerne bereit für sie noch Eier zu verstecken, wenn sie schon 30 sind und weiter an der Tradition festhalten wollen.“ Sie werden das Geschäft, das ihr Vorfahr Jakob Peters 1842 gründete, vielleicht einmal in die siebte Generation führen können.

Süßigkeiten sind immer beliebt – nicht nur zu Ostern. Bei Reichwein werden schon gleich nach den Feiertagen die Hasen und Lämmer von Maikäfern und anderem frühlingshaften Krabbelgetier verdrängt. Da die Arbeit nie ausgeht, sucht die Chefin auch noch einen weiteren Bäcker: „Wir haben nur vier, bräuchten aber sechs, und schon im November geht der Meister in Ruhestand, so dass wir nicht mehr selbst einen neuen ausbilden können.“ Mit dem Meister geht dann auch eine Generation von Wissen. Er war zwar „der Bäcker“, hatte aber auch das Konditorhandwerk gelernt und konnte mit dem Konditormeister beliebig die Arbeit tauschen. „Ich bin gespannt, wer sich bewirbt.“

Weitere Informationen zur Konditorei unter www.cafe-reichwein.de