Knapp 90 Menschen haben an der zweiten Demonstration der Meckenheimer Bürgerinitiative gegen Steuererhöhungen vor dem Rathaus Radau gemacht. Viel weniger als beim ersten Mal.
Kleine Demo am RathausMeckenheim schiebt Steuererhöhung auf
Eigentlich waren sich an diesem regnerischen Abend alle einig: Weder die nach polizeilicher Zählung 87 Menschen vor dem Rathaus, noch die Politiker im Haupt- und Finanzausschuss wollten derzeit noch höhere Steuern. Doch die Demonstranten verstanden nicht, was drinnen gesprochen wurden, und die meisten Sitzungsteilnehmer gingen stumm an ihnen vorbei.
Anders als bei der Demonstration im Oktober, an der laut Initiative 1100 Meckenheimer teilgenommen hatten, durften die Demonstranten nicht direkt an die Glasfront des Sitzungsraums. Das Ordnungsamt hatte Absperrband angebracht. „Voriges Jahr haben Demonstranten gegen die Scheibe geschlagen, und es wurde ein Laserpointer in den Raum gerichtet“, erklärte Stadtsprecherin Marion Lübbehüsen die Maßnahme.
Kräfte des Ordnungsamtes und Polizisten hielten den Parkplatz vor dem Eingang zum Rathaus im Auge und wurden nur mal schnell aktiv, als sich, wie so oft, die Alarmanlage im benachbarten „Mosaik“ ohne triftigen Grund meldete. „Alles ruhig“, bestätigte auch Lübbehüsen am Ende.
Viel zu ruhig für Sven Blaschke, den Organsiator und Sprecher der Bürgerinitiative. Er hatte auch dieses Mal 800 Teilnehmer angemeldet und hatte sich kurz vor Beginn der Ausschusssitzung mit den zu diesem Zeitpunkt erst gut ein Dutzend Demonstranten an einem Vordach wegen des leichten Regens untergestellt. Eine Kiste mit Trillerpfeifen stand bereit sowie fünf Tafeln mit Stil, auf denen Vorwürfe wie „Sparen wird zur Bürgerpflicht, doch für den Stadtrat gilt das nicht“ zu lesen waren. Denselben Text hatte sich jemand auf ein weißes Laken geschrieben.
Simone Düllmann-Peckert aus Altendorf holte sich die Tafel mit dem klassischen Demo-Spruch „... wir sind laut, weil Ihr uns die Kohle klaut.“ Der Text sei schon den ganzen Abend ihr Ohrwurm. Im Sitzungssaal war von den Demonstranten aber nur wenig zu hören. Das Geheul einer Sirene, die Trillerpfeifen und später eine Tröte sowie Getrommel drangen nur dumpf in den Raum, wo Kämmerin Pia-Maria Gietz zunächst nochmals Steuerreformen und Steuerprognosen erläuterte. Sie gab einen „Zwischenbericht zur Grundsteuerreform und deren Auswirkungen auf die Stadt Meckenheim“, wie Bürgermeister Holger Jung das formulierte.
Gietz betonte dabei, dass es der Kommune obliege, ob und wann eine Steuer erhoben werde. Die Steuerhebesätze müssten also nicht zusammen mit dem Etat beschlossen werden. Und dies gelte auch für den Fall, dass Meckenheim eine Grundsteuer C, die dann für baureife, aber nicht entsprechend genutzte Grundstücke gelten könnte, einführen würde. Dies sei dann ein „Abrücken von der strukturell einheitlichen Lösung“, wie sie es formulierte.
Kernempfehlung lautet abwarten
Letztlich lautete ihre Kernempfehlung: abwarten. Zu wenig gesicherte Daten lägen vor, um sicher sagen zu können, wieviel Steuern die Stadt Meckenheim im kommenden Jahr mit den aktuellen Hebesätzen von 380 Prozent bei der Grundsteuer A und 895 Prozent bei der Grundsteuer B erheben würde. Zwar fehlten nach der bisherigen Auswertung 1,3 Millionen Euro zur geltenden Haushaltsplanung, doch es lägen auch erst 93 Prozent der Fälle von Grundsteuer B vor - zudem in Unkenntnis von eventuellen Einsprüchen gegenüber dem Finanzamt, von dem die Stadt die Zahlen habe.
Trotz dieser nur vorläufigen Zahlen hatte die Stadt schon veröffentlicht, wie denn „aufkommensneutrale Hebesätze“ aussehen müssten, um das im Etat erwartete Geld in die Kasse zu bekommen: 620 Prozentpunkte bei der Grundsteuer A und 1114 bei der Grundsteuer B, Zahlen, die Öl für das Feuer der Demonstranten hergaben. 1855 und 948 Prozentpunkte könnten sogar angewendet werden, wenn bei der Grundsteuer B nach „Wohnen“ und „Nichtwohnen“ unterschieden würde, nämlich die höhere Zahl für Bauten, in denen niemand wohne.
Die Kämmerei hatte sogar auf eigene Faust versucht aus den Finanzamtsdaten Regelmäßigkeiten zu erkennen, gab aber auf: „Bei Einfamilienhäusern gibt es nur geringe Abweichungen, aber bei Mietgrundstücken teils starke Schwankungen ohne erkennbaren Zusammenhang“, so Gietz.
Die Bemühungen der Kämmerin, jetzt schon eine Zwischenbilanz vorzulegen, verpuffte letztlich an der mangelnden Belastbarkeit der Zahlen. Bürgermeister Jung konstatierte: „Bestenfalls gelingt es, die Grundsteuer A und B stabil zu halten. Die Erhebung einer Grundsteuer C bedeutet einen unverhältnismäßigen Aufwand.“ Denn die Kämmerin hatte auch ermittelt, dass es in ganz Meckenheim lediglich 73 baureife Grundstücke gebe, für die aber kaum städtebauliche Gründe gefunden werden könnten, um einen zwingend deutlich höheren Steuersatz als bei der Grundsteuer B zugrundezulegen. Zudem sei unklar, was die Steuer bewirke, etwa wenn Grundbesitzer trotz Suche keinen Käufer fänden oder auf einer nicht verwertbaren Ruine säßen.
Sabrina Gutsche (CDU) fand eine Entscheidung zu Hebesätzen zum jetzigen Zeitpunkt „nicht sinnbringend“ und schloss sich beim Thema Grundsteuer C der Verwaltungsmeinung an. Heribert Brauckmann erklärte für die FDP: Wir wollen keine Splittung der Grundsteuer B und keine Grundsteuer C - wegen der Risiken. Ina Löllgen (Grüne) fand, es sei abzuwarten, bis entsprechende Zahlen vorlägen. Auch Brigitte Kuchta (SPD) will auf Zahlen warten, mit denen sich besser schauen lasse, wie Belastungen für Bürger besser verteilt werden könnten. So endete die Sitzung gegen 19 Uhr.
Um 19.12 Uhr waren dennoch bloß noch zwei, drei kleine Gruppen von Demonstranten auf dem Platz, als Sven Blaschke per Megaphon die Veranstaltung für beendet erklärte - angemeldet war sie bis 21 Uhr. Ein älterer Mann aus Altendorf fand die geringe Zahl der Teilnehmer „beschämend“, zumal an den Einfahrten zur Stadt und in jedem Briefkasten Werbung für die Demonstration gemacht worden sei. Er sei so enttäuscht, weil „viel mehr Menschen zum Rathaus hätten kommen müssen, um Verwaltung und Politik erkennen zu lassen, dass die Bürger an der Grenze des Bezahlbaren“ seien: „Es geht doch für viele Bürger, auch Mieter und Rentner, um die Existenz! Die Mehrheit bekommt einfach den Hintern nicht hoch.“ Wie solle denn eine Rentnerin 150 Euro Grundsteuer im Monat zahlen, nur weil ihr Grundstück, was auf dem Land üblich sei, so groß ist? Eine ältere Frau pflichtete ihm gleich bei: „Da müsste ich verkaufen. Da zahlst Du dich ja blind!“
Der Mann versicherte, er werde bei der nächsten Demonstration auf jeden Fall wieder teilnehmen. Ebenso Simone Düllmann-Peckert, die zufällig hörte, wie eine Hallenbadbesucherin zu ihrem Kind sagte: „Da stehen die ganzen Hausbesitzer!“ Für sie ist der Satz ein Zeichen dafür, dass viele Meckenheimer nicht verstanden hätten, dass eine Grundsteuererhöhung auf die Mieten umgelegt wird, also alle betrifft.