Meckenheim, Rheinbach und SwisttalMehr als 200 Trecker schenken Hoffnung
Rhein-Sieg-Kreis – 50 Traktoren? Ach was, mehr als 200 weihnachtlich illuminierte Zugmaschinen von Landwirten aus der ganzen Region nahmen an der vorweihnachtlichen Rundfahrt durch die Ortschaften von Meckenheim, Rheinbach und Swisttal teil.
Die schiere Menge an Fahrzeugen und ein Verkehrsunfall am Rande des Geschehens gleich zu Beginn in Meckenheim, der das Ausweichen des gesamten Korsos auf eine neue Strecke nach sich zog, führte mancherorts zu einem mittleren Chaos und in der Folge immer wieder zu Verzögerungen. Am Ende war der ursprünglich angedachte Zeitplan völlig aus den Fugen geraten, in manchen Ortschaften mussten die erwartungsvollen Zuschauer mehrere Stunden bis zur Ankunft der Hoffnungsboten ausharren.
Doch das konnte die Menschenmassen aller Altersklassen nicht davon abhalten, dem beeindruckenden Lichterzug auch zu sehr später Stunde noch am Wegesrand zuzujubeln, eine Träne der Rührung zu verdrücken und gleichzeitig ein stimmungsvolles Handy-Video vom lichtdurchfluteten Geschehen in den sozialen Medien zu posten.
Morenhovener Feierbiester in Aktion: „Das ist ein unglaublich emotionales Erlebnis“, konnte etwa Ralph Retterath in Morenhoven kaum fassen, was er zusammen mit seiner Familie und einigen Freunden mitverfolgen durfte. Mehr als 180 mit bunten Lichterketten, überdimensionalen Nikoläusen und Schneemännern, Rentierschlitten und Weihnachtssternen geschmückte landwirtschaftliche Fahrzeuge zogen vorüber, mittendrin hatten sich einige in allen Farben von innen leuchtenden VW-Käfer und Bulli „eingeschmuggelt“.
Am alten Feuerwehrgerätehauses begrüßte das kürzlich ausrangierte Löschgruppenfahrzeug LF 10 mit Blaulicht und Tatütata den Lichterzug, denn die Feuerwehrkameraden um Löschgruppenführer Otto Clemens hatten dort einen Glühweinstand aufgebaut und kamen mit dem Ausschenken kaum nach. Doch wer dachte, hier wäre schon viel los, der sah sich getäuscht, denn kaum 50 Meter weiter auf dem Dorfplatz trafen sich einige 100 Morenhovener und Freunde vor dem Gasthaus „Alt Morenhoven“, dessen Wirt Alexander Maslow das fröhliche Treiben organisiert hatte, während seine Mutter Uschi in der Küche dutzendweise Schnitzel in die Pfanne haute. Vor dem Gasthaus zeigte „Profi-Grillmeister“ Frank Schleheck sehr zur Freude der Feinschmecker seine Steakbratkünste, während Markus Klein seinen historischen Holder-Kleintraktor festlich beleuchtet als Straßenteiler in die Fußgängerfurt gestellt hatte. „Die Morenhovener sind eben Feierbiester“, schmunzelte Ortsvorsteher Norbert Sauren, „wir nutzen jede Gelegenheit, um uns zu treffen und miteinander zu reden und zu lachen. Und wenn man uns schon den Karnevalszug wegnimmt, dann feiern wir eben den Lichterzug“.
Lebkuchenherzen
Funkensprühende Wunderkerzen, brennende Feuerzeuge und grell bunte Blinklichter begrüßten den Fahrzeugkonvoi auch in Flerzheim. Dort wurden museumsreife Oldtimer-Trecker ebenso herzlich willkommen geheißen wie futuristische Giganten der Felder mit klimatisierten Fahrerkabinen, die beim Lichterzug meist mit mehreren Personen besetzt waren. Viele hatten einen bunt geschmückten Weihnachtsbaum auf dem Dach, im Anhänger oder am Frontlader angebracht, und manche sorgten mit weltbekannten Weihnachtshits aus überdimensionalen Lautsprechern für gute Laune der Zuschauer am Straßenrand. Und weil sich die Landwirte unter dem Motto „Ein Funken Hoffnung“ auf den Weg gemacht hatten, um den von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen und besonders den Kindern ein wenig Freude und Licht zu bringen, machte ein Traktor vor dem Haus von Dieter Selz in der Konrad-Adenauer-Straße 69 Halt.
Die Beifahrerin verteilte ein halbes Dutzend Lebkuchenherzen an die verdutzten freiwilligen Helfer, die auch an diesem Abend fleißig dabei waren, das von den Fluten schwer in Mitleidenschaft gezogene Haus zu renovieren. Doch als der strahlend helle Konvoi am Haus vorbeifuhr, legten die Helfer ihre Hacken und Schaufeln zur Seite und machten wohlverdiente Pause vom dringend notwendigen Entfernen des Estrichs aus dem Wohnzimmer. Aus den Fenstern heraus und hinter dem mit Schutt gefüllten Anhänger beobachteten sie das Geschehen: „Sensationell, toll, eine überragende Idee von den Bauern“, zeigte sich Günter Linke, der Vorsitzende der Angelsportgemeinschaft (ASG) Flerzheim, beeindruckt, der mit einigen Vereinsmitgliedern seit 11 Uhr ehrenamtlich für ihren Freund Dieter Selz im Einsatz war. „Dabei haben wir alle selbst Wasserschäden zu verzeichnen, entweder in unserem eigenen Haus oder bei unseren engsten Verwandten“, machte Linke klar, dass man in einem Dorf wie Flerzheim besonders eng zusammenhält. Wobei er sofort daran erinnerte, dass sich die Bauern schon von Anfang an durch ihre selbstlose Hilfe im Katastrophengebiet für alle Zeiten einen festen Platz in den Herzen der Betroffenen gesichert hätten. „So eine Aktion macht schon etwas mit uns“, gab er zu, „der Lichterzug ist ein äußerst willkommener Farbtupfer.“
Kinder verschlafen den Zug
An Feierabend war selbst um Mitternacht für das Team vom Ortsausschuss Oberdrees um den Vorsitzenden Peter Eich noch nicht zu denken, denn auf dem Dorfplatz war noch jede Menge Betrieb. Dort hatte der Ortsausschuss am Bushaltepunkt Schulstraße eine kleine Verpflegungsstation aufgebaut, aber bei weitem nicht mit einem solchen Ansturm gerechnet. Zeitweise bevölkerten mehr als 500 Leute das Areal, und gleich dreimal musste Glühwein beim Großhändler nachgeordert werden. „Wahnsinn, einen solchen Zuspruch haben wir niemals erwartet“, staunte Eich. Mitorganisator Norbert Höckendorf wusste warum: „Die Leute sehnen sich einfach nach einem Grund, um sich wieder zusammenzufinden und einen schönen Abend zu verbringen.“
Und dafür hatte der Ortsausschuss gesorgt. Allerdings kam der Traktorkorso nicht, wie ursprünglich vorgesehen, zwischen 19.30 und 20.15 Uhr dort vorbei, sondern erst nach 23 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Reihen merklich gelichtet, denn vor allem die Kinder schliefen gleich reihenweise auf den Armen ihrer Eltern oder im Buggy ein.
Verlass auf Landwirte
Dabei hatte Höckendorf mit einer Lautsprecherdurchsage aus dem Feuerwehrfahrzeug heraus noch versucht, die Gäste bei Laune zu halten. „Wenn wir jetzt alle nach Hause gehen, wäre das ungerecht und stillos gegenüber den Traktorfahrern, die in ihrer Freizeit diese Aktion machen und selbst auch einen ganzen Abend dafür opfern, mit ihren herrlich geschmückten und beleuchteten Fahrzeugen ein Zeichen der Hoffnung, der Solidarität und des Aufbruchs zu setzen.“
Denn nicht zuletzt ging es den Landwirten auch darum, die Menschen auf ihre Situation aufmerksam zu machen: „Seit der Coronakrise, als es Lieferengpässe in allen Bereichen gab und die Regale leer waren, haben die deutschen Landwirte für die Lebensmittelsicherung der Bevölkerung gesorgt. Spätestens seit der Flutkatastrophe wurde deutlich, dass auf die deutschen Landwirte Verlass ist“, hieß es auch in der Ankündigung.
„Pony to go“ in Merl
In ihrem Bestreben, vor allem Kindern eine besondere Freude in der Vorweihnachtszeit zu machen, nahmen die Landwirte auch Umwege in kauf. So sorgte eine kleine Abordnung des Lichterzuges für strahlende Augen bei den 34 Kindern und Jugendlichen mit schweren und mehrfachen Behinderungen, die im Kinderheim „An der alten Eiche“ in Merl betreut werden. Sie werden derzeit in vier Wohngruppen von 44 Mitarbeitern rund um die Uhr betreut und freuten sich sichtlich über die Abwechslung. Einrichtungsleiter Michael Isack war jedenfalls hocherfreut darüber, dass das etwas abseits gelegene Haus diesmal ebenfalls angesteuert wurde. Die Idee dazu hatte Ulrike Sänger, die zweimal im Monat mit ihrem Pony „Verci“ heilpädagogische, tiergestützte Förderung nach dem Motto „Pony to go“ für die Kinder anbietet. Sie kennt die beiden Organisatoren des Lichterzuges, Michael Hüllen aus Villip und Johannes Schmitz aus Buschhoven, die sofort zustimmten, das Kinderheim in die Tour einzubeziehen.
Zwei Routen gingen durchs Katastrophengebiet: Von Anfang an waren zwei Routen geplant, die beide ihren Ausgangspunkt in Wormersdorf und ihr Ziel in Rheinbach hatten und vor allem diejenigen Orte ansteuerten, die von der Flutkatastrophe im Juli besonders schwer getroffen waren. Die Route eins führte über Meckenheim, Merl, Lüftelberg, Flerzheim, Ramershoven, Peppenhoven, Morenhoven, Dünstekoven, Heimerzheim, Ollheim, Miel, Ludendorf, Essig, Odendorf, Niederdrees und Oberdrees nach Rheinbach. Die kürzere Route zwei hingegen hatte die Höhenorte im Visier.