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Leerstand in NRWSeniorenwohnen und Kletterwand – Ideen für ungenutzte Kirchen

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In der ehemaligen Kirche steht an dem Kirchenfenster ein Senioren Elektromobil.

Bonn – Immer mehr Kirchen in NRW stehen leer oder werden kaum noch genutzt. Manche von ihnen erfüllen bereits neue Aufgaben - als Sporthalle, Tangosaal, Wohnhaus. Aus einer evangelische Kirche in Köln ist vor ein paar Jahren eine jüdische Synagoge geworden.

Eine neue Forschungsgruppe an der Universität Bonn untersucht die Umwandlung nicht mehr genutzter Kirchen und Klöstern. In den nächsten sechs Jahren würden Projekte ausgewertet, bei denen leerstehende Kirchenbauten eine neue kulturelle, soziale oder spirituelle Bestimmung erfahren, sagt Albert Gerhards, Professor für Liturgiewissenschaft. „Das Potenzial dieser Gebäude bleibt zu oft ungenutzt.“ Die Landesinitiative Stadt Bau Kultur NRW schätzt, dass bis 2030 rund ein Viertel der 6000 Kirchen in NRW schließen werden.

Vereine und Stiftungen mit einbeziehen

Gerhards beschäftigt sich schon seit den 1980er Jahren mit Kirchenbau, seit etwa 20 Jahren auch mit Umnutzungen. „Eine Schwierigkeit ist immer, die Räume von der Kirchensteuer unabhängig zu machen“, sagte er. Eine Möglichkeit sei es, Vereine oder Stiftungen mit einzubeziehen.

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Blick auf die Kirchwohnungen Maria Königin in Dülmen.

„Den Gemeinden fällt es aber oft schwer, ihre Kirche auch für andere Partner zu öffnen und Verantwortung zu teilen“, berichtete der Theologe. „Das benötigt viel Transparenz, zu der die Kirchenleitungen nicht immer bereit sind.“ In Köln-Riehl beispielsweise ist das gelungen. In der ehemaligen evangelischen Kreuzkapelle in der Stammheimer Straße ist seit Jahren eine jüdische Synagoge. Eine ausdrückliche zugelassene Möglichkeit im 2005 von der Kirchenleitung beschlossenen Regelwerk für Verkauf und Entwidmung

Reaktionen der Bistümer und Landeskirchen sind sehr unterschiedlich

Aktuell suchen die Bonner Forscher Beispiele von Kirchengebäuden aus dem Rheinland und der Region rund um Leipzig. Damit wollen sie die Prozesse hin zu einer Umnutzung untersuchen. Die Reaktionen der Bistümer und Landeskirchen seien sehr unterschiedlich, sagt Gerhards. Teils werde ihre Arbeit sehr intensiv beachtet, teils eher ignoriert.

„Dabei ist die Transformation von Kirchen ein Thema, das man nicht umgehen kann. Immer mehr Kirchen stehen leer, und neue Nutzungen sind der Weg, diese Gebäude für eine Stadt zu erhalten.“ Wie man sakrale Räume kreativ neu erfinden kann, zeigen Beispiele aus Nordrhein-Westfalen.

Kirche St. Helena in Bonn ist mittlerweile ein so genannter „Dialograum“

Die Kirche St. Helena in Bonn wird seit 1999 als sogenannter „Dialograum“ neu genutzt. In dem Gebäude finden nun kulturelle Veranstaltungen statt – von Fotoausstellungen über Konzerte bis hin zu Klanginstallationen. Getragen wird das Konzept von einem eigens dafür gegründeten Verein, in dem Kulturfreunde verschiedenster Glaubensrichtungen Mitglied sind. Bis zu 100 Veranstaltungen organisiert der Verein jedes Jahr in St. Helena.

Der kirchliche Charakter des Raums wurde bei der Neuausrichtung erhalten, auch der Altar steht noch. „Wichtig ist, dass die Veranstaltungen in einen Dialog mit dem Kirchenraum treten“, erklärt der Vereinsvorsitzende Marcus Heinrich. „Wir möchten eine Schnittstelle sein zwischen dem christlichen Kult und der modernen Kultur.“

In Mönchengladbach wurde ein Gotteshaus eine Kletterhalle

In St. Peter in Mönchengladbach geht es hoch hinaus, denn die Kirche ist 2009 zu einer Kletterhalle umgebaut worden. Damals entdeckte Geschäftsführerin Simone Laube das Gebäude zufällig. Nach anfänglicher Skepsis der Gemeinde überzeugte Laubes Plan. Die Kirchengemeinde überließ den Kletterern das Gebäude in Erbpacht.

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Die ehemalige Pfarrkirche St. Peter in Mönchengaldbach wurde zu einer Kletterkirche umgebaut.

Sollte sie es doch wieder benötigen, könnten die Umbauten rückgängig gemacht werden. Bis dahin können sich Groß und Klein auf einer Fläche von 1300 Quadratmetern austoben. Bis zu 13 Meter hoch sind die Kletterwände.Die Münsteraner Kirche St. Elisabeth ist 2014 als Turnhalle der benachbarten Montessorischule wieder eröffnet worden. Umziehen können sich die Schüler in den ehemaligen Seitenschiffen. „Es ist eben Sportunterricht in einem besonders schönen Ambiente“, sagt Eva Grindel aus der Schulleitung.

Auf zwei Etagen entstanden 15 Mietwohnungen zwischen 47 und 66 Quadratmetern

Nach einer Gemeindefusion wurde die Kirche St. Maria Königin in Dülmen 2008 geschlossen. Die Heilig-Geist-Stiftung ließ darin barrierefreie Seniorenwohnungen einbauen. Auf zwei Etagen entstanden 15 Mietwohnungen zwischen 47 und 66 Quadratmetern. Die ersten Bewohner konnten 2012 in die „Kirchwohnungen“ einziehen, im selben Jahr gewann das Projekt den Landespreis für Architektur-, Wohnungs- und Städtebau.

Der Kirchturm wurde erhalten, dort entstand ein Gemeinschaftsbereich für die Bewohner. Die alte Kapelle wird weiter von der Gemeinde genutzt. 

Es geht allerdings auch anders. In Overath beispielsweise entsteht gerade eine neue evangelische Kirche.

2020 soll sie eröffnet werden. Die alte Versöhnungskirche, ein Notbau aus dem Jahre 1951, war 2017 entwidmet, abgebaut und im Freilichtmuseum Kommern wiederaufgebaut worden. (mit dpa)