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Lachkultur im MittelalterAls das Lachen verboten war

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Es gab aber Zeiten, in denen es nur zu bestimmten Zeiten erlaubt war.

Bonn – Dr. Alois Döring ist des Lachens durchaus mächtig. Das merkt man schon daran, dass er die feine Ironie in den Sätzen seiner Protagonisten mit einem Lächeln begleitet. Beispiel eins: William von Baskerville, der im Roman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco gegenüber Widersacher Jorge von Burgos die Worte des heiligen Laurentius zitiert, „Manduca, iam coctum est“ („Beiß hinein, es ist schon gar“). Der Märtyrer Laurentius soll nämlich so humorvoll gewesen sein, selbst auf dem Feuerrost noch einen Spaß (oder eine Demütigung der Feinde bis zum letzten Wimpernschlag) gemacht zu haben. Beispiel zwei: Der Philosoph Aristoteles, um dessen Werk übers Lachen sich der Plot des Eco-Romans dreht. Aristoteles also sagte, „dass nur der Mensch kitzlig ist, liegt an der Feinheit seiner Haut und an dem Umstand, dass nur er von allen Geschöpfen lachen kann“. Eine bestechende Logik.

Und damit wäre Dörings Thema, zu dem er gestern Abend einen Vortrag vor dem Unecso-Club Bonn hielt, schon einmal grob umrissen. „Gefährliches Gelächter – befreiendes Lachen!“ heißt dieser Streifzug durch die Lach- und Sachgeschichten des Mittelalters. Er bildet die Debatte ab, die damals an der Tagesordnung stand. „Bis zum 11., 12. Jahrhundert war das Lachen verpönt“, sagt der in Alfter lebende Döring. Bei Eco stehen der konservative Jorge und der liberale William mit ihren Positionen immer wieder im Vordergrund. Sie spiegeln wider, was in anderen Quellen über diese Zeit zu finden ist. Eine Magisterregel aus dem 6. Jahrhundert, nach deren Herleitung „der Mund das Tor, sein Riegel die Zähne sind“. Mönche dürften demnach den Ring des Schweigens nicht brechen. Eine Verdammung der Worte, die zum Lachen reizen, ist da nur konsequent.

Die kommenden Unesco-Club-Vorträge Alois Dörings: Am Dienstag, 25. März, 19.30 Uhr spricht er über den Strohbären im Karneval (LVR-Landesmuseum, Colmantstraße 14-16), am Donnerstag, 24. April, 18 Uhr über Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ (LVR-Museum). Der Unesco-Club Bonn lädt darüber hinaus zum internationalen Familientag am Sonntag, 16. März, von 11 bis 18 Uhr ins LVR-Museum ein. Der Club stellt bei der Gelegenheit seine Arbeit vor.

In enger Kooperation mit der Unesco-Kommission befassen sich die derzeit etwa 160 Mitglieder mit Unesco-Themen wie Stätten des Kulturerbes, der Denkmalpflege oder dem Dialog der Kulturen. (phl)

Doch die Ordensleute haben sich, das ergaben Dörings Recherchen, durchaus um die strengen Auslegungen solcher Regeln gewunden. An spaßigen Frage- und Antwortspielen ergötzten sie sich außerhalb der Schweigezeit. „Es gab eine durchaus lebendige Praxis des Lachens.“ Der mittlerweile in Rente gegangene Volkskundler vom Landschaftsverband Rheinland macht auch einen Ausflug in die Welt der Götzen, Skulpturen und Bilder, in die der lachende Jesus seit dem 14. Jahrhundert Einzug gefunden hat. Ungefähr zu dieser Zeit stiegen die Priester zum hohen Feste in die Kanzel, um Risus Paschalis, das Ostergelächter, zu verbreiten. Obwohl Martin Luther das als „närrisch lächerliches Geschwätz“ abtat, hielt der Brauch bis ins 19. Jahrhundert an und, so Döring, erlebe heute wieder eine Renaissance. Die Zuhörer in der Kirche sollte der launige Vortrag des Priesters erheitern und so den Zugang zur Botschaft des Herrn erleichtern. Im Grunde genommen also eine alte Form der Mitgliederwerbung.

Alois Döring weiß nicht nur übers Lachen Bescheid. Der Volkskundler, der seit fast zehn Jahren dem Bonner Unesco-Club vorsteht, arbeitet an einem „Monumentalwerk“ übers Kochen von Apfelkraut (wieder Ironie: Aus anfänglich wenigen Seiten ist mittlerweile ein 70-seitiges Manuskript geworden). Johann Gottfried Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ hat er sich vorgenommen und die Geschichte des Strohbären, einer Traditionsfigur im deutschen Karneval. Zum Fasching hat Umberto Ecos Jorge von Burgos auch seinen Senf gegeben: Das Lachen sei „die Kurzweil des Bauern, die Ausschweifung des Betrunkenen, auch die Kirche in ihrer Weisheit hat den Moment des Festes gestattet, den Karneval und die Jahrmarktsbelustigung . . . Wählt euch einen König der Narren, verliert euch in der Liturgie des Esels und der Sau!“ Mit diesen Worten hätten sie den alten Jorge sicherlich nie ins Rheinland gelassen.