Winzer im SiebengebirgeWeinlese beginnt 2022 so früh wie noch nie
Bad Honnef/Königswinter – Zufrieden zeigen sich die Winzer im Siebengebirge, die Weinlese ist in vollem Gange. Der Jahrgang „könne sich sehen lassen“, man sei zufrieden – so ihre erste Einschätzung. Allerdings ist diesmal etwas ganz Besonders zu notieren.
„Ich bin seit über vier Jahrzehnten dabei. So früh haben wir noch nie mit der Ernte begonnen“, berichtet Winzer Karl-Heinz Broel. Um den 20. September sei eigentlich der übliche Termin zum Start. Diesmal habe er deutlich früher begonnen. Die erste Rebsorte ist bei Broel schon im Keller.
Der Klimawandel hat Einfluss auf die Weinernte im Jahr 2022 an den Hängen des Rheins
Dieser Müller-Thurgau, auch Rivaner genannt, habe ein Mostgewicht von 80 Oechsle, erläutert der Winzer, das entspreche in etwa einem späteren Alkoholgehalt von 10,6 Prozent entspreche. Als nächste Rebsorte sei der Kerner an der Reihe. Beim Riesling sei noch Zeit, da könne die Lese bis in den Oktober gehen.
Bei Bernd Blöser standen die Trauben des Müller-Thurgau und des roten Dornfelder als erstes auf dem Programm. 84 Grad Oechsle hat er beim Müller-Thurgau gemessen, der auch als Federweißer gekauft werden kann. „Vom Gefühl her denke ich, dass wir ähnlich wie 2018 von der Qualität liegen werden“, so Blöser.
Ein Praktikant aus den USA
Bei Winzermeister Karl-Heinz Broel hilft derzeit Ted Postemski aus Wilmington in North Carolina in der Lese und den darauf folgenden Arbeiten. Der 67-Jährige ist im Ruhestand und hat als Rentner ein Studium als Önologe an der University of California in Davis begonnen. Wenn er es im kommenden Sommer beendet, möchte er eine Weinstube in Wilmington eröffnen.
Postemski plant, Weinmost zu kaufen, den er gekühlt auf einem Schiff über den Atlantik bringen und in seiner Kellerei zu Wein ausbauen will. (vr)
In diesem Jahr wurden die Weinstöcke übrigens nicht, wie es sonst durchaus üblich war, entlaubt, damit die Trauben mehr Sonne bekommen. Dass dies nicht mehr nötig sei, liege nach Einschätzung des Winzers am Klimawandel. „2019 hatten unsere Trauben das erste Mal Sonnenbrand“, erinnert sich Blöser an die dunklen Flecken auf der Frucht.
Erst nach einigen Gesprächen mit Kollegen habe er das „völlig neue Phänomen“ als Sonnenbrand identifizieren können. „Vielleicht müssen wir langfristig auf Rebsorten ausweichen, die in Italien und Frankreich ihre Heimat haben und besser mit der Hitze auskommen“, denkt Blöser laut nach.
Er zeigt sich im Übrigen zufrieden mit den Umsätzen im Weinladen, den seine Schwester Ursula Adrian leitet. „Wir haben eine neue Weinkollektion“, berichtet sie. Diese ist am modernen Etikett mit der Aufschrift „E jood Jefööl“ zu erkennen.
Weine aus dem Siebengebirge: feinherber Rosé, Riesling und roter Portugieser
Farblich sind sie auf jede Jahreszeit abgestimmt: Im Frühjahr ein feinherber Rosé aus der Traube Regent, im Sommer eine feinherbe Weißwein-Cuvee aus Müller-Thurgau und Riesling, im Herbst ein feinherber Riesling und im Winter ein roter Portugieser lieblich. Auch der Secco in Weiß und Rosé verkaufe sich gut, berichtet Adrian.
Die größten Flächen an den Hängen des Siebengebirges bewirtschaftet Felix Pieper. Auch er zeigt sich zufrieden mit den Erträgen. „Die ersten Tage der Lese waren gut“, so der Winzer, der vor kurzem geheiratet hat. 90 Grad Oechsle habe sein Gewürztraminer, berichtet er. Auch der Kerner sei mit einem Mostgewicht zwischen 85 und 86 Grad „optimal“ geraten.
Die Hitze habe seinen Trauben nicht so viel ausgemacht, meint der Winzer. „Wir haben alte Anlagen, die Reben wurzeln in der Tiefe und finden dort noch Feuchtigkeit.“
Die Trauben für Grauburgunder und Syrah wachsen an den Hängen im Siebengebirge
Neue Pflanzen müssten allerdings in Sommern wie dem des Jahres 2022 ausreichend gegossen werden. „Wir waren jede Woche auf den Hängen an der Rhöndorfer Seite, um zu wässern.“ Riesling, Grauburgunder und Syrah wachsen dort.
Inzwischen wurde auch der erste Portugieser-Rotwein für das legendäre Drachenblut gelesen. „Wie sind gut im Zeitplan“, betont Pieper. Er ist übrigens der einzige Winzer im Siebengebirge, der einen Crémant herstellt und verkauft. Zwölf Monate reift dieser in Holzfässern, bevor er in die Flaschen kommt.
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Dieser prickelnde Tropfen werde gerne für ganz besondere Anlässe gekauft, erzählt Pieper. Auch der Orange-Wein habe sich allmählich etabliert. Von ihm gibt es „keine großen Mengen, aber die Nachfrage ist gut“.
Probleme mit den Hilfskräften haben die Winzer bei der Lese im Jahr 2022 nicht
Der starke Regen in den vergangenen Wochen bereitet den Winzern aus dem Siebengebirge allerdings Sorgen, sollte es in den kommenden Wochen so weitergehen. „Wir müssen Gas geben, wenn das Wetter so nass ist, damit die reifen Trauben wegen der Feuchtigkeit nicht am Rebstock faulen“, berichtet Pieper.
Probleme, genügend Saisonkräfte für die Weinlese zu finden, haben alle drei Betriebe nach eigenem Bekunden nicht. Es gebe ein festes Team, das jedes Jahr bei der Weinlese dabei ist, berichten die Winzer übereinstimmend. Bei Blösers ist die Weinlese auch eine Art gesellschaftliches Ereignis im Königswinterer Ortsteil Oberdollendorf. Dort hilft seit Menschengedenken jedes Jahr die Nachbarschaft bei der Traubenernte.
Winzerfest in Königswinter beginnt am 30. September
Einen Termin sollten sich die Weinfreunde schon jetzt notieren. Am Freitag, 30. September, bis Montag, 3. Oktober ist das Winzerfest auf dem Marktplatz in Königswinter. Dort können die Weine aus dem Siebengebirge probiert werden.