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Lutz Wagner im Intervieww Wie Königswinters neuer Bürgermeister den Start erlebt

Lesezeit 6 Minuten
Lutz Wagner

Will er­rei­chen, dass sich die Bürger positiv mit der Stadt Kö­nigs­win­ter iden­ti­fi­zie­ren: Der neue Bür­ger­meis­ter Lutz Wagner. 

  1. Lutz Wagner ist ab 1. November neuer Bürgermeister der Stadt Königswinter. Carsten Schultz sprach mit dem 56-Jährigen.

Herr Wagner, wie nutzen Sie die Zeit bis zum Amtsantritt?Ich führe viele Gespräche, um mich in bestimmte Themen besser einzuarbeiten und Abläufe besser kennenzulernen als ich es bisher als Fraktionsvorsitzender von außen konnte.

Gespräche mit dem Verwaltungsvorstand also?

Mit dem Verwaltungsvorstand, aber auch mit Mitarbeitern, dem Büroleiter, dem Vorstandsbüro. Auch da geht es ja um die künftigen Abläufe, wie wir das Miteinander gestalten.

Wie werden Sie in der Verwaltung aufgenommen als künftiger Bürgermeister?

Mein Eindruck ist, dass ich sehr, sehr offen aufgenommen werde. Das habe ich als sehr positiv empfunden. Auch die Gespräche, die ich bisher geführt habe, sind von Offenheit geprägt und von großer Bereitschaft, sich auf die neue Situation einzulassen.

Hatten Sie die Sorge, eine über Jahrzehnte CDU-geführte Verwaltung könnte Ihnen Steine in den Weg legen?

Das erwarte ich eigentlich nicht. Ich erwarte von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, dass sie sich gegenüber der jeweiligen Führung loyal verhalten. Das habe ich als Sohn eines Beamten auch so kennengelernt. Mit den drei Kolleginnen und Kollegen im Verwaltungsvorstand, Heike Jüngling, Dirk Käsbach und Theo Krämer, habe ich sehr positive Gespräche geführt und ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Wir werden uns als Vorstandsteam demnächst zusammensetzen und über strategische Ziele sprechen. Mit Theo Krämer habe ich zudem schon eine sehr ausführliche Projektsitzung gehabt. Wir haben über den Status der wichtigsten Leuchtturmprojekte gesprochen.

Zur Person

Lutz Wagner (56), bisher Fraktionschef der Königswinterer Wählerinitiative (KöWI), ist am 13. September im ersten Wahlgang zum neuen Königswinterer Bürgermeister gewählt worden. Er löst Peter Wirtz (CDU) ab, der nach 21 Jahren im Amt dem Herausforderer unterlag. KöWI, SPD und Grüne, die Wagner als gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten aufgestellt hatten, verfügen im neuen Stadtrat (52 Sitze) über eine Mehrheit von 29 Stimmen (plus Bürgermeister). Wagner ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und seit den 1980er Jahren in der Kommunalpolitik engagiert. (csc)

Amtsinhaber Peter Wirtz hat der Rundschau gesagt, er höre von einer "großen Verunsicherung" in der Verwaltung.

Es ist ja grundsätzlich so, wenn ein neuer Chef kommt, dass gewisse Veränderungen "drohen". Es wird sicherlich Änderungen geben, aber ich habe nicht vor, die Organisation durcheinanderzuwirbeln. Es ist für mich erstmal wichtig, dass ich die Verwaltung von innen ein Stück besser kennenlerne.

Und wie nutzen Sie die Zeit bis zum Amtsantritt außerhalb der Verwaltung?

Ich habe mich mit Bürgern und Investoren getroffen, auch um an der einen oder anderen Stelle bei Bedarf moderierend unterstützen zu können.

Zum Beispiel?

Ich habe mit dem Koordinator des Projekts Seniorendorf in Oberpleis gesprochen. Ich treffe mich diese Woche mit Herrn Siebdrat...

... der dem Burghof am Drachenfels neues Leben einhauchen will...

... und ich habe Termine - die werden sicherlich nicht einfach - mit der BPD vereinbart, die das Sumpfweg-Projekt verwirklichen will.

Ein Wohnbauprojekt in der Niederdollendorfer Rheinaue, das die neue Mehrheit aus KöWI, SPD und Grünen nun endgültig verhindern will. Die neue Koalition hat einen entsprechenden Antrag vorgelegt.

Dieser Antrag ist die Umsetzung dessen, was ich persönlich seit 2008 verfolge. Ich habe damals als Grünen-Fraktionsvorsitzender mit der SPD schon versucht, den Bebauungsplan aufzuheben, das wäre damals wie heute entschädigungsfrei möglich gewesen. Damals sind wir an der CDU-FDP-Mehrheit gescheitert, 2018 an Jamaika. Meines Erachtens nach hat die jetzt unterschriebene Planungsvereinbarung keine negativen, sondern eher positive Auswirkungen auf die Entschädigungsfrage. Weil wir aber sorgsam mit den Finanzen der Stadt umgehen wollen, hat die Koalition zunächst den Antrag gestellt, die Auswirkungen der Planungsvereinbarung auf die Schadensersatzfrage zu prüfen. Ich gehe aber davon aus, dass die Koalition beantragen wird, den B-Plan aufzuheben.

Dann bleibt die Rheinaue Rheinaue?

Ja, und dann muss man darüber nachdenken, inwieweit man diesen Bereich, der ja Elemente eines Parks hat, wieder renaturiert und ökologisch aufwertet. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Fläche der Stadt aktuell nicht gehört.

Sie sprachen von Leuchtturmprojekten. Welche sind das aus Ihrer Sicht noch?

Dazu gehören natürlich auch laufende Projekte wie der Umbau der Paul-Moor-Schule, der Neubau der Rettungswache, das neue Hallenbad mit der Kita. Aber auch die Altstadtentwicklung, die Ortsentwicklung Oberpleis oder der Breitbandausbau zählen mit dazu.

Sie könnten als neuer Bürgermeister gezwungen sein, direkt Leistungen zu kürzen oder Steuern zu erhöhen. Denn nach den jüngsten Zahlen von Kämmerer Dirk Käsbach fehlen nächstes Jahr fünf Millionen Euro, für 2022 könnten es fast zehn Millionen Euro Defizit sein.

Zunächst einmal sind das ganz bittere Rahmenbedingungen, die wir vorfinden, die es sicher erschweren, zusätzliche Maßnahmen zum Klimaschutz oder zur Verkehrswende in dem Maße auf den Weg zu bringen, wie wir das eigentlich geplant haben. Aber es wäre verfrüht, sich da jetzt festzulegen. Wir müssen in der interfraktionellen Arbeitsgruppe die Zahlen erstmal genau ansehen und schauen, wo wir Einsparpotenziale habe.

Sie haben in Ihrem Wahlprogramm geschrieben, eine Erhöhung der Grundsteuer B dürfe kein Tabuthema sein.

Das darf es auch nicht sein. Aber das ist immer die Ultima Ratio. Wir haben gerade im Bereich der Rathäuser einen großen Sanierungsstau. Je länger wir so etwas vor uns herschieben, desto teurer wird es. Die Bürgerinnen und Bürger sind in der Corona-Zeit schon erheblich belastet, wir werden daher natürlich versuchen, Steuererhöhungen zu vermeiden. Wir werden alle nicht durch Pflichtaufgaben gebundenen Mittel oder noch nicht umgesetzten Beschlüsse auf den Prüfstand stellen. Auch da darf es keine Tabus geben. Man muss aber immer auch im Auge haben, dass wir in Königswinter mit unseren Steuerhebesätzen im unteren Mittelfeld liegen.

Stichwort Bürgerbeteiligung: Das war Ihnen schon vor dem Wahlkampf ein wichtiges Thema, wie wollen Sie das jetzt angehen?

Wir haben im Rat ja erste Beschlüsse gefasst und eine Arbeitgruppe eingerichtet. Ich werde versuchen, mit dieser Arbeitsgruppe schnell voranzukommen. Wir müssen für Königswinter zügig Konzepte und eine Strategie entwickeln, welche Instrumente wir für eine Ausweitung der Bürgerbeteiligung nutzen wollen. Wir wollen eine Verbindlichkeit und klare Regeln, die transparent sind.

Ein konkretes Beispiel?

Die Bürger sollen die Möglichkeit bekommen, über eine Vorhabenliste, wie sie auch die Stadt Bonn führt, Beteiligung einzufordern. Da muss man natürlich ein Quorum festlegen. Und die Koalition wird einen neuen Ausschuss Bürgerbeteiligung vorschlagen. Der wird seine Arbeit aber erst aufnehmen, wenn konkret entschieden ist, wie die Bürgerbeteiligung in Königswinter aussehen soll.

Stichwort Leitbild?

Ein ganz wichtiges Thema für Königswinter. Wir brauchen eine Vision, wo wir mit dieser Stadt hinwollen, wie wir sie in den nächsten 15, 20 oder 35 Jahren entwickeln wollen. Sportstadt? Kulturstadt? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die letztlich zwischen Politik, Verwaltung und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern entschieden werden muss. Wir müssen Schluss machen mit diesem Kleinklein. Hier Altstadt, dort Oberpleis, hier das Kirchspiel Stieldorf, dort ein Sportstättenplan und hier ein Plan für sanften Tourismus - das alles muss aus einem Guss heraus entwickelt werden, dann kann man auch das eine oder andere Problem vermeiden und früher auf Fehlentwicklungen eingehen.

Das klingt irgendwie groß, sogar global?

Global? Nein, so groß ist unsere Stadt ja nicht (schmunzelt). Es macht einfach keinen Sinn, immer von Fall zu Fall Entscheidungen zu treffen. Es hat am Ende auch mit Identität zu tun: Wir wollen erreichen, dass die Bürger sich positiv mit unserer Stadt identifizieren.

Mit welchem Gefühl gehen Sie Ihren neuen Job an?

Das formuliere ich immer noch so wie am Wahlabend: Ich habe eine Riesenvorfreude auf das Amt und bin hochmotiviert, aber ich habe auch einen Höllenrespekt vor der Aufgabe.