400 Turner trafen sich vor 175 Jahren an der Chorruine in Heisterbach. Es ist ein bedeutendes Ereignis der regionalen Sportgeschichte.
KönigswinterAn der Chorruine Heisterbach fand vor 175 Jahren das erste Turnfest im Rheinland statt
Am Montag vor 175 Jahren – am 2. September 1849 – fand vor der Chorruine Heisterbach das erste Sportfest im heutigen Rhein-Sieg-Kreis und zugleich das erste im Rheinland statt. Rund 400 Turner aus dem gesamten Rheinland versammelten sich zu einer Veranstaltung, die von über 2000 Zuschauern besucht wurde und als bedeutendes Ereignis in die hiesige Sportgeschichte einging.
Die Anreise war damals beschwerlich, da die Bahnstrecke aus Richtung Köln in Bonn endete. Eine rechtsrheinische Bahnstrecke gab es noch nicht, ebenfalls fehlte eine Brücke. Hauptverkehrsmittel waren damals Dampfschiffe, die in Königswinter anlegten. Von da mussten Zuschauer und Turner rund eine Stunde zu Fuß nach Heisterbach marschieren.
Kölner Turnverein von 1843 hatte die Veranstaltung initiiert
Die Veranstaltung war vom Kölner Turnverein von 1843 initiiert worden und wurde mit Unterstützung der Turngemeinde Königswinter durchgeführt. Damals war der Sport, der noch als „Turnen“ bezeichnet wurde, eine aufstrebende Bewegung, die bereits 1817 in Städten wie Siegburg, Bonn und Königswinter ihre ersten Sportstätten hatte.
Allerdings wurde das Turnen 1821 durch ein Verbot des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. stark eingeschränkt, was die Entwicklung des Sports bremste. Erst 1840, unter der Herrschaft Friedrich Wilhelms IV., wurde dieses Verbot wieder aufgehoben.
Doch das politische Klima der Zeit erschwerte es, breite Unterstützung für die Turnvereine zu finden. Das Turnfest vor der Ruine Heisterbach mit Barrenturnen, Reckturnen, Pferdsprung, Klettern, Hochsprung und Stabsprüngen im Angebot markierte den Beginn einer heute nicht mehr wegzudenkenden Volksbewegung.
„Die Resonanz war überwältigend“, sagt Wolfgang Rehmer, ein passionierter Sporthistoriker aus Niederkassel. Während die örtlichen Zeitungen die Veranstaltung kleinredeten, erkannte die Leipziger Illustrierte Zeitung die Bedeutung dieses Ereignisses, sodass sie vier Wochen später einen ganzseitigen Artikel nebst einem Holzstich darüber veröffentlichte.
Es war das erste Turnfest, das nicht nur Vorführungen bot, sondern auch einen Wettbewerb, bei dem alle Teilnehmer gegeneinander antraten. Die Ermittlung des Siegers erfolgte noch ohne Kampfrichter und ohne gemessenen Ergebnisse. Der Sieger, ein Turner namens Lauten aus Frankfurt, wurde von seinen Mitstreitern durch Abstimmung gewählt. „Bemerkenswert ist, dass das Sportfest noch keine Laufwettbewerbe und keine Sportspiele beinhaltete“, so Rehmer. Erst sehr viel später wurden 180-Meter-Läufe durch die Apsis der Chorruine durchgeführt.
Zwei Jahre nach dem historischen Sportfest mussten sich Turngemeinden auflösen
Trotz des Erfolgs wurde das Turnwesen kurz darauf erneut unterdrückt. Zwei Jahre nach dem historischen Sportfest wurden die Turngemeinden gezwungen, sich aufzulösen. Erst in den 1860er Jahren erlebte der Turnsport in der Region eine Wiederbelebung, als die ersten Vereine in Bonn (1860) und Siegburg (1862) gegründet wurden.
„Dieses Turnfest vor 175 Jahren war ein Meilenstein für den Sport in unserer Region“, stellt Rehmer fest. „Es legte den Grundstein für die Entwicklung des organisierten Sports im Rheinland und ist ein bedeutender Teil unserer sportkulturellen Geschichte. Das Jubiläum dieses ersten Sportfests erinnert uns daran, wie tief die Wurzeln des Sports in der Region verankert sind und wie wichtig es ist, dieses Erbe zu bewahren.“