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Wunderbare LiebesgeschichteSittler und Millowitsch begeistern in Bornheim

Lesezeit 4 Minuten
Auf Einladung des Bornheimer Kulturforums lasen Mariele Millowitsch und Walter Sittler im AvH aus dem Roman "Alte Liebe".

Auf Einladung des Bornheimer Kulturforums lasen Mariele Millowitsch und Walter Sittler im AvH aus dem Roman 'Alte Liebe'.

Zum ersten Mal organisierten das Bornheimer Kulturforum und der Künstlerkreis Vorgebirge gemeinsam einen kulturellen Abend.

„Ich glaube, ich liebe dich immer noch“, meint Lore. „Glauben oder wissen?“, kontert Harry. Seit 40 Jahren sind die beiden verheiratet. Doch was ist von der anfänglichen Leidenschaft und der Verliebtheit geblieben? Diesen und vielen anderen Fragen gehen die Schriftstellerin Elke Heidenreich (81) und der im vergangenen Jahr verstorbene Buchautor und Schriftsteller Bernhard Schroeder in ihrem 2009 erschienen Bestseller „Alte Liebe“ nach.

Diese wunderbare Liebesgeschichte trugen am Freitagabend vor knapp 500 Besuchern im Forum des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums (AvH) in Bornheim die Schauspieler Mariele Millowitsch (69) und Walter Sittler (71) auf Einladung des Bornheimer Kulturforums in einer szenischen Lesung vor.

Mariele Millowitsch übernahm die Rolle der kurz vor der Rente stehenden Bibliothekarin Lore, Walter Sittler las die Dialoge des pensionierten Bauamtsmitarbeiters, der als Architekt lieber Kirchen und Häuser gebaut hätte, und sich nun in schlabbrigen Gummihosen in seinem Garten kreativ entfaltet. Lore hadert mit dem bevorstehenden Ruhestand an der Seite ihres Mannes, dessen zweite Leidenschaft neben dem Garten noch der Genuss von Weizenbier ist: „Ich leuchte nicht mehr. Ich freue mich nicht mehr.“

Szenen einer langjährigen Ehe

Heiter und ironisch, aber auch nachdenklich und melancholisch trugen Sittler und Millowitsch die Szenen dieser langjährigen Ehe vor. Seit 2018 sind sie unterwegs mit ihrem Programm. Vom ersten Satz an spürte das Publikum wie perfekt die beiden harmonieren, was sie auch bereits Millionen von Fernsehzuschauern in den Serien „Nikola“ und „girl friends“ zeigen konnten.

Zwei Schultische und zwei Tischleuchten (bei Harry/Sittler noch eine Flasche Weizenbier), mehr brauchten die beiden nicht um die Geschichte des alternden Ehepaares vorzutragen.

Die Zuschauer folgten dem Duo gebannt. Sie spartane Beleuchtung auf der Bühne im Forum des AvH sorgte für eine intime Kammerspielatmosphäre, wenn sich Harry und Lore, mal gemeinsam, mal getrennt voneinander, ihre Gedanken über das frühe Verliebtsein, die Liebe, das Leben, ihre Sehnsüchte und die eigene Vergänglichkeit machen.

Da sind die Sehnsüchte und die Frage Lores, ob es reiche, einfach zufrieden zu sein statt glücklich? Und wie ungerecht es doch sei, dass ältere Frauen, die jüngere Männer als Liebhaber haben, immer noch verpönt werden als umgedreht. So ein kleines „Makrönchen“ wäre schon reizvoll, meinte Lore in Anspielung an den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und seine 25 Jahre ältere Gattin Brigitte.

Dann ist da auch noch die gemeinsame Tochter Gloria, die in ihren Dreißigern ist, bislang aus Sicht ihrer Eltern weder beruflich noch privat viel erreicht hat und nun zum dritten Mal heiratet, einen älteren Großindustriellen, der allerdings, um seine Firma zu retten, 400 von 1200 Mitarbeitern entlassen muss. Viel halten Harry und Lore nicht von der Hochzeit: Hinfahren oder fernbleiben? Am Ende fahren sie nach Leipzig zur Trauung und entdecken dabei auch selbst wieder ihre Leidenschaft füreinander neu.

„Halten uns mit ihrem Programm einen Spiegel vor“

Über allen schwebt aber auch immer die Vergänglichkeit, der eigene Tod. Als Metapher dafür steht Lores Mutter Leni, die seit Jahren künstlich durch eine Magensonde ernährt, vor sich hin vegetiert und schließlich stirbt. „Wie lange bleibt uns noch?“ fragen sich die beiden, als Lore die Todesanzeige einer Ex-Affäre ihres Mannes in der Tageszeitung liest und alte Eifersüchteleien noch einmal hochkochen. Die Gefühle mögen im Alltag auf der Strecke geblieben sein, doch die Liebe füreinander blieb. Und dann läuft es einem eiskalt den Rücken hinunter, wenn Harry sich schließlich fragt: „Wer lässt irgendwann wen zurück? Ist es feige insgeheim zu hoffen, dass man zuerst geht?“

Wolfgang Henseler, Vorsitzender des Kulturforums, zeigte sich nicht nur begeistert von der überwältigenden Resonanz für die Lesung, die seit Monaten ausverkauft war, sondern auch von dem Zusammenspiel von Mariele Millowitsch und Walter Sittler: „Dieser Abend ist rundum gelungen. Die beiden halten uns mit ihrem Programm auch einen Spiegel vor.“

Eine Premiere gab es an dem Abend übrigens auch noch: Zum ersten Mal organisierten das Bornheimer Kulturforum und der Künstlerkreis Vorgebirge gemeinsam einen kulturellen Abend, Parallel zur Lesung hatten einige Künstlerinnen und Künstler ihre Werke im AvH ausgestellt. Diese Kooperation soll fortgeführt werden.